Die Freude war groß bei den Preisträgern des Deutschen Brückenbaupreises 2018: Ausgezeichnet wurden die Bleichinselbrücke über den Neckar in Heilbronn und die instandgesetzte historische Schaukelbrücke in Weimar. Die Verleihung fand vor 1200 Gästen am 12. März 2018 in Dresden statt. Für die dabei erbrachten großartigen Ingenieurleistungen erhielten Andreas Keil, Ingenieurbüro sbp schlaich bergermann partner, Stuttgart (Bleichinselbrücke), und Johann Philipp Jung, Klassikstiftung Weimar, sowie Oliver Hahn vom Weimarer Ingenieurbüro für Bauwerkserhaltung (Schaukelbrücke) die begehrte Preisskulptur. Gastgeber der Verleihfeier waren die Bundesingenieurkammer und der Verband Beratender Ingenieure VBI, die seit 2006 alle zwei Jahre gemeinsam den Deutschen Brückenbaupreis für herausragende Bauinge-nieurleistungen vergeben.
„Die Bleichinselbrücke gewinnt den deutschen Brückenbaupreis, weil sie ein hervorragendes Beispiel dafür ist, dass sich gute Gestaltung durch sorgfältiges Entwerfen und Konstruieren sehr wirtschaftlich umsetzen lässt“, so die Jury in ihrer Begründung. „Bei äußerst geringer lichter Höhe ist das flache, breite Fahrbahndeck scheinbar schwebend über dem Neckar platziert. Das Bauwerk wurde konsequent aus dem Ort heraus entwickelt. Die unterschiedlich geneigten, auf jeweils einen Punkt fokussierten Stützen schaffen unter der Brücke einen erlebbaren Raum in höchster Qualität.“
Ausgezeichnet wurde die Bleichinselbrücke als Preisträgerbauwerk in der Kategorie „Straßen- und Eisenbahnbrücken“, weil es den Ingenieuren hervorragend gelang, in diesem Bauwerk alle Anforderungen an ein schönes, wartungsarmes und preiswertes Bauwerk in überzeugender Form zu erfüllen. Mit 88 m Länge und 24 m Breite überspannt die stark befahrene vierspurige Brücke den Alt-Neckar in Heilbronn und verbindet das Stadtzentrum mit einem im Zuge der Bundesgartenschau 2019 neu entstehenden Wohngebiet. Die mit dieser Stadtentwicklung neu angelegten Aufenthaltsbereiche und Promenaden entlang der Uferzone wurden zu einer wichtigen Randbedingung für die neue Brücke.
Diese entstand als Verbundtragwerk mit sehr flach geneigten V-förmigen Stützen, die in den Uferbereichen gegründet sind und somit keine störenden Pfeilerkonstruktionen im Flusslauf benötigen. Die vier schrägen Stützstreben auf jeder Uferseite sind auf jeweils nur einen Auflagerpunkt geführt, was statisch günstig die horizontalen Auflagerkräfte kurzschließt und insgesamt zu reduzierten Gründungsaufwendungen führte. Trotz des flachen Flussprofils und der enormen Breite des Überbaus wirkt die Brücke leicht und fast schwebend. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die hohe Oberflächenqualität des stählernen Haupttragwerks und der Betonfertigteile, die auch im Nahbereich eine angenehme Wirkung haben.
Die Preisskulptur für die exzellenten Ingenieurleistungen bei Planung und Realisierung dieses Bauwerks erhielt Andreas Keil, Ingenieurbüro sbp schlaich bergermann partner, Stuttgart.
Historische Bausubstanz erhalten
Die Erhaltung der zu Goethes Zeiten gebauten Schaukelbrücke im Park an der Ilm in Weimar ist laut Jury ein Paradebeispiel des verantwortungsvollen Umgangs mit dem baukulturellen Erbe. Diese Sanierung wurde mit dem Deutschen Brückenbaupreis 2018 in der Kategorie „Fuß- und Radwegbrücken“ ausgezeichnet, „weil die Ingenieure dabei mutig neue Wege jenseits standardisierter Pfade gewagt haben. Indem sie das historische Tragwerk in seine Elemente zerlegt, analysiert und experimentell begutachtet haben, gelang es ihnen, das historische Original voll funktionsfähig und schaukelnd erlebbar zu erhalten“, lobte die Jury. „Das Ergebnis ist keine neue Brücke im alten Gewand, sondern das weitgehend erhaltene und für die Zukunft gesicherte Original.“
Die 1833 errichtete Kettenbrücke führt im südlichen Teil des Parks an der Ilm, einem Teil des Unesco-Weltkulturerbes „Klassisches Weimar“, über die Ilm. Das bestechendste Merkmal der etwa 14 m weit spannenden Brücke ist ihr Tragwerk: Die jeweils drei Tragketten aus geschmiedeten, etwa 2 m langen Puddelstahl-Augenstäben werden über Sandstein-Pylone geführt und im Baugrund verankert. Der abgehängte Holz-Trägerrost als Gehbahn trug als zeittypisch wenig ausgesteifte, schwingungsanfällig Konstruktion der Brücke ihren Namen „Schaukelbrücke“ ein.
2013 wurde die Brücke durch ein Hochwasser so schwer in Mitleidenschaft gezogen, dass Ersatz oder Ertüchtigung unumgänglich wurden. Die Brücke musste zunächst vollständig abgetragen und Gründungen sowie Kettenwiderlager mussten instandgesetzt werden. Eine Überprüfung ergab, dass die rechnerischen Traglasten der Kettenglieder den Anforderungen aktueller Regelwerke nicht mehr gerecht wurden. Zunächst war daher ein Ersatz der historischen Ketten durch neue, äußerlich ähnliche stählerne Augenstäbe vorgesehen.
Im Zusammenspiel von Bauherrn – der Klassik Stiftung Weimar – und kreativen Ingenieuren wurde aber ein Weg gewählt, mit dem es gelang, die historische Bausubstanz weitestgehend zu erhalten und gleichzeitig moderne Sicherheitsanforderungen zu erfüllen. Dafür wurden zunächst zerstörungsfreie Prüfverfahren konfiguriert und getestet, bevor letztlich die erforderliche Trag- und Verformungsfähigkeit aller Kettenglieder nachgewiesen werden konnte. Lediglich zur Absturzsicherung mussten zwei zusätzliche horizontale Stahlbänder behutsam in das Tragwerk eingefügt werden.
Für diese großartige Ingenieurleistung erhalten Johann Philipp Jung, Klassikstiftung Weimar, sowie Oliver Hahn vom Weimarer Ingenieurbüro für Bauwerkserhaltung die begehrte Preisskulptur.
Brücken: Stark, schön und bereichernd
Neben den Preisträgern Bleichinselbrücke Heilbronn und Schaukelbrücke Weimar hatte die Jury in der Kategorie „Straßen- und Eisenbahnbrücken“ die Lahntalbrücke bei Limburg und das Pilotbauwerk Greißelbach sowie in der Kategorie „Fuß- und Radwegbrücken“ den Isarsteg Nord in Freising und die Hennebergbrücke in Braunschweig nominiert.
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat den Deutschen Brückenbaupreis erneut gefördert und als Schirmherr unterstützt.
Der Präsident des Verbandes Beratender Ingenieure VBI und der Vizepräsident der Bundesingenieurkammer, Dr.-Ing. Volker Cornelius und Dr. Hubertus Brauer, gratulierten den Preisträgern, Nominierten und allen, die sich am diesjährigen Wettbewerb beteiligt haben, zu ihren herausragenden Arbeiten.
Die Auslober betonten, dass in diesem Jahr das Profil des Preises als Bauingenieurpreis geschärft wurde. Die Preisskulptur sollte explizit an Bauingenieure vergeben werden, deren geistig-schöpferische Leistungen maßgeblich zum Entstehen des vorgeschlagenen Brückenbauwerks beigetragen haben.
Rainer Bomba, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, erklärte zum Brückenbaupreis: „Brücken prägen unser Umfeld. Sie sollen stark, schön und bereichernd sein. Sie leisten nicht nur ihren Beitrag in einer funktionierenden Verkehrsinfrastruktur, sondern auch zur Baukultur in ganz Deutschland. Der öffentliche Bauherr steht damit in einer besonderen Verantwortung.“
Insgesamt wurden 29 Bauwerke vorgeschlagen und zwar 15 in der Kategorie Straßen- und Eisenbahnbrücken und 14 in der Kategorie Fuß- und Radwegbrücken. Die Jury stand – wie auch bereits in den Jahren zuvor – vor keiner leichten Aufgabe. Ihr gehörten an: Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach, Prof. Dr.-Ing. Annette Bögle, Dr.-Ing. Jeannette Ebers-Ernst, Prof. Karl Goj, Prof. Dr.-Ing. Steffen Marx, Prof. Dr.-Ing. Gero Marzahn und Dr.-Ing. Gerhard Matthias Zehetmaier. Sie tagten erstmalig am 6. Oktober 2017. Ziel war es, in beiden Kategorien jeweils die drei Brücken zu ermitteln, unter denen dann bei der zweiten Jurysitzung die Preisträger beider Kategorien gekürt werden. Um aus den Einsendungen die Nominierungen herauszufiltern, galten folgende Kriterien als Maßstab: Gestaltung, Konstruktion, Funktion, Innovation, Wirtschaftlichkeit, Planungs- und Bauverfahren sowie Nachhaltigkeit. Dabei flossen alle Kriterien in die Bewertung und das Gesamturteil ein, die Gewichtung konnte aber durchaus unterschiedlich sein. Immer wieder stand die Frage im Raum: Ist diese Brücke ein ganzheitlich gelungenes Ingenieurbauwerk? Das galt bei der Bewertung neu gebauter Brücken ebenso wie für Sanierungs- und Instandsetzungsprojekte.
In der nächsten Runde wurde jedes der sechs nominierten Bauwerke von einem oder auch zwei Jurymitgliedern vor Ort besichtigt, um z. B. zu klären, wie das Bauwerk vor Ort in seiner realen Umgebung wirkt, ob Anschlüsse und Details nicht nur schön, sondern auch alltagstauglich sind.
Am 16. Januar 2018 fand dann die zweite Jurysitzung statt, nunmehr mit neuen Informationen, Fotos und Impressionen. Es folgte die finale Wertung und Betrachtung der drei Nominierten je Kategorie, bevor schließlich die beiden Siegerbauwerke gekürt werden konnten. Zwar fielen beide Abstimmungen letztlich einstimmig aus – dem ging aber eine lange Debatte voraus. Sehr gefreut hatte sich die Jury darüber, dass wieder mehr kleinere Brücken zum Wettbewerb eingereicht wurden. „Damit werden Bauwerke in den Mittelpunkt gerückt, die in unserem Leben eine große Rolle spielen, weil oft gerade die kleinen Brücken in vielen Städten und Gemeinden entscheidend sind für Attraktivität und Bürgerfreundlichkeit“, wie Prof. Curbach im Namen aller betonte.
Weitere Informationen und Fotos von der Preisverleihung, Bilder der ausgezeichneten Bauwerke sowie filmische Kurzporträts aller nominierten Brücken und die Dokumentation zum Wettbewerb finden Sie im Internet unter: www.brueckenbaupreis.de.