„Die Immobilien- und Baubranche steht nicht nur unter Druck, den CO2-Ausstoß und den Ressourcenverbrauch drastisch zu reduzieren“, sagt Dr. Thomas Welter, Bundesgeschäftsführer Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA). Auch die Anpassung an die Folgen des Klimawandels sei eine transformatorische Aufgabe, die die gesamte Wertschöpfungskette betreffe. „Unsere Projekte müssen mit weniger Energie und Ressourcen auskommen und gleichzeitig mehr leisten – eine wahre Herkulesaufgabe“, betont Welter.
Klimagerechtes Bauen ist ein wichtiger Ansatz, die bebaute Umwelt so zu planen, zu bauen und zu betreiben, dass sie möglichst geringe negative Auswirkungen auf das Klima hat und gleichzeitig resilient gegenüber Klimaveränderungen ist. Denn Gebäude, die heute geplant und gebaut werden, müssen auch noch in 50 und mehr Jahren unter den dann herrschenden klimatischen Bedingungen funktionieren und zukünftigen Extremen bestmöglich standhalten. Gerade in dicht besiedelten Gebieten ist der Handlungsbedarf hoch, da der hohe Versiegelungsgrad und die verwendeten Materialien den städtischen Wärmeinseleffekt verstärken. Daher ist es wichtig, nicht nur kurzfristige Antworten auf dringende Bedürfnisse zu geben, sondern diese als langfristige strategische Maßnahmen auf verschiedenen Maßstabsebenen zu betrachten.
Klimaresiliente Quartiere
Heutige Städte sind weitgehend bebaut und versiegelt, was die Komplexität eines sozial- und umweltverträglichen Umbaus im Bestand erhöht. Auf der Ebene der Raumplanung reicht das Maßnahmenspektrum von der Entsiegelung und Renaturierung von Flächen über die Neuordnung von Siedlungs- und Verkehrsflächen bis hin zum Hochwasserschutz gefährdeter Infrastrukturen. Im urbanen Raum muss der Fokus auf das Mikroklima gelegt werden. Die oft gestellte Frage nach Wetter oder Klima lässt sich am Beispiel des städtischen Wärmeinseleffekts (Urban Heat Island Effect) verdeutlichen. Schon heute zeigen Messungen des Deutschen Wetterdienstes, dass sich die Lufttemperaturunterschiede zwischen verdichteter Stadt und Umland in großen Ballungsräumen immer stärker und schneller vergrößern. Passive Strategien wie helle Oberflächen und der Ausbau der Stadtbegrünung, die Pflanzung hitzeresistenter Baumarten, aber auch Verschattungs- und Kühlungskonzepte helfen, den solaren Wärmeeintrag zu reduzieren.
Anpassungsfähige Architektur
Auf Gebäudeebene bedeutet klimagerechtes Bauen die Schaffung gesunder und behaglicher Wohn- und Arbeitsbedingungen. Nicht nur die sichtbare und fühlbare Ausstattung der Räume mit guter Raumluftqualität und die Verwendung schadstoffarmer Baustoffe beeinflussen die Resilienz. Intelligente Konstruktionen zur Erhöhung der thermischen Speichermasse oder zur Optimierung von Tageslicht und Luftzirkulation durch Anpassung der Gebäudeausrichtung und -gestaltung sind ebenso notwendig wie die Integration von außenseitigem Wärmeschutz und Gebäudebegrünung an Fassaden und Dächern zur Verbesserung des Mikroklimas im direkten Wohnumfeld.
Auch in der technischen Gebäudeausrüstung liegen große Handlungspotenziale – vom Einsatz energieeffizienter Heiz- und Kühlsysteme über die Nutzung erneuerbarer Energiequellen bis hin zur Integration intelligenter Gebäudemanagementsysteme zur Optimierung des Energieverbrauchs. Aber auch Lösungen hinter den Kulissen sind gefragt, wie Ina Hundhausen, Hauptgeschäftsführerin Deutsche Bauchemie e.V. anmerkt: „Bauchemie kann mit kleinen Mengen eine große Wirkung erzielen und die Ressourceneffizienz im Bausektor erheblich steigern. Sie können beispielsweise Beton CO2-ärmer machen oder ihn so optimieren, dass weniger davon benötigt wird. Die Eigenschaften von Materialien können so verändert werden, dass sie schneller oder unter schwierigeren Bedingungen zu verarbeiten sind. Die bauchemische Branche steht mit ihren innovativen Produkten bereit, um die Bauwende aktiv mitzugestalten.“
Entsiegelung und Schwammstadt
Der Grat zwischen Trockenstress und Hochwasserkatastrophe ist schmal. Die Diskussion um die Wasserknappheit in Grünheide ist in den Medien präsent, doch wird oft vergessen, dass auch in vermeintlich wasserreichen Regionen der Grundwasserspiegel durch menschliche Eingriffe stetig sinkt. Ein Ansatz, um Städte im lokalen Wassermanagement widerstandsfähiger zu machen, ist die Speicherung von Regenwasser und die Kreislaufführung von Abwasser. Das urbane Ökosystem spielt dabei eine wichtige Rolle. Konzepte wie das Schwammstadtprinzip versuchen, den natürlichen Wasserkreislauf in Städten wiederherzustellen, indem lokal anfallendes Regenwasser wie ein Schwamm aufgenommen, gespeichert und bei Bedarf wieder abgegeben wird. Dies erfordert Maßnahmen auf Quartiersebene wie die Entsiegelung von Flächen bzw. die Verwendung wasserdurchlässiger Materialien für Straßen, Gehwege und Plätze sowie die Schaffung von Retentionsflächen, die die öffentliche Kanalisation bei Starkregenereignissen entlasten. Aber auch einzelne Gebäude können einen Beitrag zum Wassermanagement leisten, indem sie Regenwasser für Bewässerungs-, Brauch- oder Trinkwasserzwecke sammeln und speichern.
Zukunftsaufgabe für alle
Gebäude und Infrastrukturen werden für einen langen Zeitraum errichtet. Daher ist es notwendig, schon heute vorausschauend zu planen und zu bauen, um Querschnittsthemen wie Nachhaltigkeit, Barrierefreiheit und Baukostenreduktion gleich mitzudenken. Klimagerechtes Bauen ist eine disziplinübergreifende Aufgabe. Das bedeutet, dass der Austausch von Wissen, Methoden und Ansätzen über traditionelle Fachgrenzen hinweg notwendig ist, um den vielschichtigen Herausforderungen des Klimawandels effektiv begegnen zu können. Die BAU 2025 ist die Plattform für den Austausch über zukunftsweisende Konzepte, bautechnische Lösungen und innovative Bauprodukte, um gemeinsam an der Gestaltung nachhaltiger, klimagerechter Lebensräume zu arbeiten.