Leider keine klare Aussage zur Angemessenheit

HOAI 2021: verlässlicher Orientierungsrahmen

Deutsches Ingenieurblatt 12/2020
Politik

Mit seinem Urteil vom 4. Juli 2019 erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) als für mit dem EU-Recht nicht vereinbar. Dem Urteil vorangegangen waren umfangreiche Verhandlungen der Bundesregierung mit der EU-Kommission. Damit einher ging der Versuch, Brüssel die Besonderheiten des deutschen Bau- und Planungswesens zu erläutern– insbesondere die im Gegensatz zu anderen EU-Ländern in Deutschland hervorgehobene Verantwortung der Planerinnen und Planer. Die Bundesingenieurkammer, die Bundesarchitektenkammer und der AHO haben das Verfahren von Anfang an eng begleitet.

Der EuGH hat 2019 in seiner Entscheidung die HOAI nicht „gekippt“ – wie vielerorts zu lesen war – sondern der Bundesregierung auferlegt, zeitnah eine Änderung der Regelungen zu den verbindlichen Mindest- und Höchstsätzen vorzunehmen. In der Folge erarbeitete das federführende Bundeswirtschaftsministerium zusammen mit dem Bundesverkehrs- und dem Bundesbauministerium Vorschläge für eine Anpassung sowohl der HOAI als auch der entsprechenden Ermächtigungsgrundlage, des Ingenieur- und Architektenleistungsgesetzes (ArchLG). Für die Auftraggeberseite saßen die Vertreter der Länder, die kommunalen Spitzenverbände sowie die Deutsche Bahn in den sich anschließenden Verhandlungen mit am Tisch.

Honorarorientierung der HOAI 2021

Aufgrund des engen zeitlichen Rahmens für die Umsetzung der Vorgaben des EuGH-Urteils sollten die Änderungen nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nur „minimal-invasiv“ sein und vor allem lediglich die strittigen Punkte beseitigen. Nachdem es zunächst danach aussah, dass die künftige HOAI vor allem auf Druck der öffentlichen Auftraggeber keinerlei Vorgaben im Hinblick auf ein ausgewogenes Verhältnis von Leistungserbringung und angemessener Honorierung mehr enthalten sollte, konnte in zahlreichen Gesprächen erreicht werden, dass die HOAI ihre Orientierungsfunktion nun auch künftig beibehält.
Sowohl in der Ermächtigungsgrundlage, dem ArchLG, als auch in der Begründung der HOAI selbst bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass die nach der HOAI ermittelten Honorare angemessen sind. Im ArchLG hat dies zudem sogar in den Gesetzeswortlaut Eingang gefunden (§ 1 S. 2 ArchLG (2021)). Die Hoffnung ist, dass hierdurch das befürchtete und für alle Beteiligten nachteilige Preisdumping verhindert werden kann. Denn klar ist, dass Qualität ihren Preis hat und haben muss. Die Planerinnen und Planer müssen in die Lage versetzt werden, die übernommene Aufgabe entsprechend der damit übertragenen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft auch adäquat erfüllen zu können. Damit wird keiner Verbindlichkeit der Honorierung Tür und Tor geöffnet, sondern lediglich verdeutlicht, dass eine zu geringe Vergütung der qualitätvollen Leistungserbringung entgegenstehen kann. Planungsleistungen beinhalten oftmals auch die Gewährsübernahme für Leib und Leben von Menschen – daher müssen in diesem Zusammenhang zwingend die Leistung und deren Qualität die Entscheidungskriterien sein, nicht ein niedriger Preis. Damit faire Honorare jedoch tatsächlich dauerhaft gute Planungsqualität gewährleisten, müssen sich die Planerinnen und Planer aber auch selbst der Hochwertigkeit ihrer Dienstleistung bewusster werden. Mit der Anpassung der HOAI ist daher auch der Appell an den Berufsstand selbst verbunden, sich nicht auf ruinöses Preisdumping einzulassen.
Leider fehlt die klare Aussage, dass die nach der HOAI ermittelten Honorare angemessen sein sollen, im Verordnungswortlaut der HOAI selbst. Grund hierfür ist ein Vorstoß einzelner Länder in der abschließenden Bundesratsbefassung, unterstützt durch das federführende Bundeswirtschaftsministerium. Das ist bedauerlich. Eine eindeutige Bezugnahme auch im Wortlaut der Verordnung selbst wäre wünschenswert und im Hinblick auf die Entwicklung des ArchLG auch logisch gewesen. Zu hoffen ist aber, dass die genannten deutlichen Signale im Hinblick auf die Angemessenheit von Honoraren dennoch aufgenommen werden.
BIngK, BAK und AHO appellieren mit Nachdruck an die Auftraggeberseite, weiterhin angemessene Honorare zu zahlen, auch und vor allem im Sinne der Qualität, des Verbraucherschutzes und damit auch im eigenen Interesse.
Aber um es noch einmal deutlich zu sagen: Im Vergleich zu dem, was anfänglich zu befürchten stand, ist die Erwähnung der Angemessenheit in den Begründungen von HOAI und ArchLG und im Wortlaut des ArchLG dennoch ein großer Erfolg.
Mit der faktischen Gleichstellung der Fachplanungsleistungen der Anlage 1 Bauphysik, Geotechnik, Ingenieurvermessung sowie der Umweltverträglichkeitsstudie mit den Grundleistungen der HOAI (§ 3 Abs. 1 S. 3 HOAI(2021)) konnte ein weiterer Erfolg erzielt werden. Die Gleichstellung war zwingend notwendig, denn die genannten Leistungen sind integraler Bestandteil des Gesamtplanungsprozesses. Ebenfalls positiv zu werten ist, dass für den Fall, dass Auftraggeber und Auftragnehmer keine Vereinbarung über das Honorar treffen, künftig der sog. Basishonorarsatz gilt (§ 7 Abs. 1 S.2 HOAI (2021)), der anstelle des früheren Mindestsatzes nun die untere Grenze der Honorarspanne bildet. Auch die rein redaktionellen bzw. klarstellenden Änderungen, wie etwa das Textformerfordernis gegenüber dem früheren – nicht praktikablen– Schriftformerfordernis (§ 7 Abs. 1 S.1 HOAI (2021)), sind zu begrüßen.

Begleitende Erlasse der Bundesministerien

Die HOAI und ihre Ermächtigungsgrundlage, das ArchLG, sollen beide zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Flankiert wird die angepasste HOAI dann wieder durch Erlasse, die die zuständigen Bundesministerien für ihre Zuständigkeitsbereiche und auch die Länder veröffentlichen. In diesen muss aus Sicht des Berufsstands zwingend noch einmal darauf hingewiesen werden, dass die HOAI bei der Auftragsvergabe eine Orientierung dahingehend bieten soll, was der Verordnungsgeber als angemessen ansieht. Dem Auftraggeber muss klar vor Augen geführt werden: Ein Abweichen nach unten widerspräche der Intention des Verordnungsgebers und würde eine Preisspirale nach unten befördern – mit allen mittel- bis langfristigen Konsequenzen für die Qualität im Planungsbereich.

Evaluierung der neuen Regelungen

Aus Sicht der Planenden muss in jedem Fall eine Evaluierung der neuen Regelungen der HOAI 2021 erfolgen. Bereits 2013 hatte der Bundesrat nach der letzten Überarbeitung eine Evaluierung angemahnt, die bis heute nicht umgesetzt wurde. Vor diesem Hintergrund ist es erst recht unverständlich, dass die HOAI 2021 ausdrücklich keine Evaluierung vorsieht. Eine solche ist bereits im Hinblick auf den grundlegenden Paradigmenwechsel von verbindlichen Honorarsätzen hin zu Honorarorientierungen und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Planungspraxis unerlässlich und sollte als Maßgabe für die nächste Bundesregierung im Wortlaut festgehalten werden.

Umfangreiche Novellierung der HOAI erforderlich

Nach Abschluss des laufenden Anpassungsverfahrens der HOAI an die Vorgaben des EuGH-Urteils muss zudem zeitnah die umfassende Novellierung der HOAI folgen. Viele berechtigte und bereits seit Jahren bestehende Anliegen, die ohne weiteres auch schon jetzt hätten umgesetzt werden können, müssen baldmöglichst angegangen werden. Hierzu gehören insbesondere die Einordnung der örtlichen Bauüberwachung für Ingenieurbauwerke und Verkehrsanlagen als Grundleistungen oder etwa die Korrektur der Honorartafel der Vermessungsleistungen. Zudem ist eine Aktualisierung der Leistungsbilder insbesondere im Hinblick auf zunehmend digitale Planungen (BIM) ebenso erforderlich wie eine Überprüfung der seit 2013 unveränderten Tafelwerte. Spätestens in der nächsten Legislaturperiode muss daher aus Sicht von BIngK, BAK und AHO eine umfassende Novellierung und Modernisierung der HOAI erfolgen. Hierfür werden wir uns gegenüber der Politik mit Nachdruck einsetzen.

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