Mit Keimen belastetes Wasser ist in vielen Regionen der Welt ein Problem. Zumeist wird es abgekocht, was zum Verbrauch von Holz und zu Gesundheitsbelastungen durch Rauch führt. Ingenieure ohne Grenzen entwickelt daher eine solarthermische Anlage zur Desinfektion von Wasser. Während eines Forschungsprojekts entsteht mithilfe von thermodynamischen Simulationen und Testanlagen Schritt für Schritt ein zuverlässig funktionierendes und einfach zu bauendes System.
Regenwasser, das zur späteren Verwendung in einer Zisterne gespeichert wird, hat einen großen Nachteil: Aufgrund mikrobiologischer Verunreinigung muss es erst abgekocht werden, bevor es getrunken werden kann. Bei Ingenieure ohne Grenzen entwickeln seit neun Jahren Ehrenamtliche eine Anlage, die es ermöglicht, mithilfe von Sonnenenergie sicher, autark und ohne den Einsatz von Brennstoff Wasser abzukochen und damit trinkbar zu machen. In dieser Zeit wurden verschiedene Prototypen in Kenia, Tansania und Deutschland gebaut, um die Anlage weiterzuentwickeln.
Die erste Idee bestand darin, Thermoventile, die in Motoren den Kühlkreislauf steuern, einzusetzen, um das erforderliche Sieden des Wassers sicherzustellen. Erste Versuche in Kenia zeigten, dass das Konzept grundsätzlich funktioniert und in einem mit Folie bespannten Holzkasten ausreichend Hitze entsteht. Allerdings stellte sich auch relativ schnell heraus, dass Thermoventile nicht zuverlässig genug sind und zuweilen fälschlicherweise nicht ausreichend erhitztes Wasser abgeben.
Daraus folgte im nächsten Schritt die Entwicklung einer Anlage, die ohne Ventile auskommt und gleichzeitig einfach aufzubauen ist. Durch thermodynamische Simulationen wurde eine Möglichkeit gefunden, das Wasser mithilfe von Dampf aus dem Kollektor zu befördern und gleichzeitig sicherzugehen, dass nur ausreichend erhitztes Wasser die Anlage verlässt. Bei Versuchen in Darmstadt zeigte sich, dass die Anlage die mikrobiologische Belastung des Wassers soweit reduziert, dass es trinkbar ist. Seitdem arbeiten die Ehrenamtlichen an der Optimierung dieser Anlage.
Das thermodynamische Modell wurde mit Prototypen validiert und so konnten verschiedene technische Merkmale verfeinert werden.
Leicht verständliche Bauanleitung ist Pflicht
Von Anfang an war klar, dass das Projekt über technische Aspekte hinausgeht. Die Anlage soll nicht nur von der Bevölkerung in strukturschwachen Ländern genutzt, sondern auch mit den dort verfügbaren Mitteln gebaut werden. Ganz nach dem Leitspruch des Vereins Ingenieure ohne Grenzen „Wissen teilen – Zukunft gestalten“ entsteht daher eine ausführliche und für Laien verständliche Bauanleitung, die frei verfügbar ist und jeden, der etwas handwerkliches Geschick mitbringt, befähigt, eine eigene solarthermische Wasserdesinfektionsanlage zu bauen.
Anfang 2017 konnte das Team aus Darmstadt erstmals sehen, wie seine Visionen Wirklichkeit werden, als drei Projektmitglieder nach Tansania reisten, um dort, am Fuß des Kilimanjaros, zwei Anlagen aufzubauen.
Die Anlagen wurden von Schülern einer lokalen Berufsschule errichtet, wobei direkt eine erste Version der Bauanleitung auf den Prüfstand gekommen ist. Schnell hat sich gezeigt, dass nicht nur die Anleitung, sondern auch die Technik noch Verbesserungspotenzial besitzt. Auch nach der dreiwöchigen Implementierung konnten die Lehrer und Schüler, die die Anlage betreuen, noch Probleme identifizieren.
Beispielsweise ist die Glasscheibe, die Teil des Absorbers ist, aufgrund von Spannungen gesprungen, die durch Hitze entstanden sind. So arbeitet die Gruppe weiter kontinuierlich an Lösungen, um die solarthermische Wasserdesinfektionsanlage zu verbessern.
Zusammenarbeit mit Organisationen vor Ort
Aktuell befinden sich die angehenden, praktizierenden oder bereits im Ruhestand befindlichen Ingenieure des Projektteams mitten in der Planung einer weiteren Reise, die Anfang 2020 stattfinden wird. Hauptziel ist dabei die Langzeitvalidierung der technischen Lösungen, indem weitere Anlagen gebaut und mit Messequipment ausgestattet werden. Außerdem wurde mit der lokalen NGO Kilimanjaro Childlight Foundation ein neuer Kooperationspartner gefunden. Die Mitarbeiter der Organisation haben bereits mehrere Berufsschulen in der Region identifiziert, mit welchen eine Zusammenarbeit möglich ist. So wird die Reichweite des Projekts nach und nach erhöht.
Projektarbeit über Grenzen hinweg mit Partnern, die eine andere Sprache sprechen, die einen anderen kulturellen Hintergrund haben und denen man sehr selten direkt gegenübersteht, ist nicht einfach. Wie man diese Herausforderung meistert, haben die ehrenamtlich Aktiven u. a. bei dem „Workshop on Intercultural Communication“ gelernt. Dieser und viele andere Workshops werden regelmäßig von Ingenieure ohne Grenzen veranstaltet und vermitteln den Mitgliedern Fähigkeiten und Kenntnisse in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit, Projektarbeit, technisches Know-how und Soft-Skills, um ihre Projekte erfolgreich durchführen zu können.
Im Projekt zur solarthermischen Wasserdesinfektion (SoWaDi) wurden im Lauf der vergangenen neun Jahre bereits wichtige Fortschritte erzielt. Die wichtigsten Forschungsergebnisse wurden in wissenschaftlichen Aufsätzen publiziert, um sie in Fachkreisen bekannt zu machen. Die Anlage ist eine Neuentwicklung, die nur durch ehrenamtliche Arbeit und finanzielles Engagement zahlreicher Spender möglich war. Daher soll an dieser Stelle allen Unterstützern herzlich gedankt werden.
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