Zimmerer und Ingenieur: Praxis und Theorie für guten Holzbau

Gespräch mit Michael Bormann

Deutsches Ingenieurblatt 6/2024
Deutscher Ingenieurbaupreis
Ingenieurbau
Mit dem „Deutschen Ingenieurbaupreis 2024 – Nachwuchspreis“ wurde das Projekt „CLTECH Brettsperrholzwerk in Kaiserslautern“ am 28. November 2024 im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung im Deutschen Technikmuseum ausgezeichnet. Im Gespräch über das Projekt mit Michael Bormann, Ingenieurbüro Pyttlik & Bormann SARL.

Wie kam das Projekt zustande und wie kamen die Projektpartner zusammen?
Das Holzkompetenzzentrum der Hochschule Trier (HKZ) unter der Leitung von Professor Dr. Wieland Becker war verantwortlich für einen Großversuch mit dem Prototyp eines Hallenträgers in enger Kooperation mit der Firma Cltech vor Ort auf deren Firmengelände. Wir waren dabei das federführende Ingenieurbüro bei diesem Projekt. Das HKZ befasst sich schon längere Zeit mit dem sogenannten Schwachholz und es hat bereits vor zwei oder drei Jahren Erfahrung beim Bau eines Carports gesammelt. Daher sollte im nächsten Schritt versucht und geprüft werden, dieses Schwachholz für eine größere Konstruktion einzusetzen, zum Beispiel für eine Produktionshalle. Ziel war es, zu zeigen, was man mit diesem „Abfallholz“ leisten kann: Welche Tragfunktionen oder welche anderen Leistungsmerkmale können wir in der Praxis tatsächlich mit diesem Baustoff erreichen?

Warum Schwachholz für eine Tragwerkkonstruktion?
Salopp gesagt, dieses Holz lag im Wald, sollte eigentlich Brennholz werden, wurde gesammelt und dann nur noch leicht bearbeitet, indem die Rinde entfernt wurde. Es wurde luftgetrocknet verwendet, also ohne eine technische Trocknung. Das HKZ hatte – auch aufgrund der jahrelangen Vorarbeit und Materialdaten – die Idee zu diesem Projekt und unser Büro wollte zeigen, dass diese Konstruktion auch für und in der Praxis funktioniert. Von Manchen wurde uns gesagt, das sei ja altes Holz und könne sich daher nicht im Konstruktiven bewähren. Die Optik der Hölzer – nicht gerade und unterschiedlich dick – ließ sie darauf schließen. Wir haben es dennoch versucht. Wir haben also das Eichen-Schwachholz, was zum Verbrennen bestimmt war, in der Konstruktion verwendet. Dadurch haben wir die CO2-Freisetzung der Holzverbrennung verhindert und zugleich einen Träger mit nur 4,2 Tonnen Gewicht realisiert – ein üblich konstruierter Träger hätte 8,7 Tonnen gewogen. Also haben wir auch den Materialeinsatz gut halbiert. Im Ergebnis konnten wir so eine deutlich nachhaltigere Konstruktion nachweisen, die zudem viel wirtschaftlicher ist durch den niedrigen Wert und die geringere Menge des eingesetzten Materials sowie die damit verbundene Reduzierung von Transportaufwand. Die viel günstigere Ökobilanz kommt als positiver Effekt noch hinzu.

Welche besonderen Herausforderungen mussten Sie bei der Planung und Konstruktion bewältigen?
Die Statik war die zentrale Herausforderung und muss in einem Gesamtsystem betrachtet werden. Wir hatten technische Werte, die wir ansetzen konnten und die dann überprüft werden mussten. Zuerst wurde mit Simulationen gearbeitet und mit diesen Ergebnissen hat das HKZ in Zusammenarbeit mit der Cltech einen Prototyp in Originalgröße gebaut, damit wir die Tragfähigkeit auch in der Praxis bestätigen konnten. Das Eichenschwachholz weist ja mit 18 bis 23 Zentimeter verschiedene Querschnitte auf. Hinzu kommt die Holzfeuchte von über 20 Prozent. Mit diesen Werten haben wir gearbeitet und dabei notwendigerweise eine gewisse Bandbreite einkalkuliert. In diesem definierten Rahmen mussten wir uns dann bei der Konstruktion der weiteren Träger bewegen, da wir sonst für jeden Einzelnachweise hätten führen müssen. Die Versuche an der gebauten Konstruktion waren auch notwendig, da wir zum Beispiel beim ersten Versuch ein Versagen beim Querdruck feststellen mussten und daraufhin entsprechend nachjustiert haben.

Dass wir schließlich eine nachweislich funktionsfähige Konstruktion erreichen konnten, war nur durch die gemeinsame Leistung und die enge Zusammenarbeit von der Hochschule Trier, unserem Ingenieurbüro und der Firma Cltech möglich. Das ist mir sehr wichtig zu betonen. Daher sage ich ganz klar: zwar ist unser Büro nominiert worden, aber es ist eine Teamleistung aller beteiligten Partner und damit gebührt diese Ehre auch allen.

Warum engagieren Sie sich so für den Holzbau?
Ich habe den Realschulabschluss gemacht und wollte immer nur Zimmerer werden. Meine Eltern wollten, dass ich mir auch andere Berufe anschaue. Ich habe dann auch ein Praktikum in der Firma gemacht, in der mein Bruder damals Werkzeugmechaniker lernte. Das hat mir aber alles nicht gefallen. Ich wollte mit den Händen arbeiten und Holz war mein Ding. Nach der Ausbildung habe ich gemerkt, dass auch viel Konstruktion und Planung dahintersteckt und für mich reizvoll ist. Daher habe ich erst mein Fachabi gemacht und konnte dann damit das Studium beginnen.

Als mein Partner Bruno Pyttlik und ich uns Ende 2016 mit unserem Büro selbständig machten, war er bereits mehr als 30 Jahre als Ingenieur im Holzbau unterwegs und ist daher wirklich eine Koryphäe in diesem Bereich. So konnten wir mit meiner praktischen Erfahrung als gelernter Zimmerer und dem Wissen aus dem Studium sowie seinem Theoriewissen und seiner Berufserfahrung ein perfektes Team für den Holzbau schaffen. Ich bin stolz auf unser Team und auch unser Büro – und dass wir jetzt bereits diese Nominierung für den Staatspreis erhalten haben.

Bei uns sind insgesamt fünf Zimmerer im Team, weshalb es uns auch ganz wichtig ist, dass wir praxisorientierte Lösungen schaffen und nicht welche, die nur rein theoretisch funktionieren. Deswegen sage ich auch immer: Es ist wichtiger, straßenschlau zu sein als schulklug! Ich kann die Theorie in Büchern nachlesen und verstehe die Zusammenhänge. Das ist kein Problem. Aber ich muss erstmal die Praxis verstehen. Wie kriege ich etwas umgesetzt? So dass es in der Produktion funktioniert, aber auch nachher beim Transport auf der Baustelle. Was nutzt es mir zum Beispiel eine Verbindung zu konstruieren, die ich dann aber in zehn Meter Höhe schwierig zusammenfummeln muss, weil der Arbeitsablauf nicht praxisgerecht gedacht und geplant ist? Deswegen finde ich es ganz wichtig, dass man vor einem Studium eine Berufsausbildung gemacht hat, um diese Erfahrungen von Baustellen und der Produktion einbeziehen zu können. Wir wollen ja Systeme, die sich auch in der Praxis umsetzen lassen – wie jetzt bei dieser Innovation mit dem Schwachholz.

Welche Perspektive sehen Sie für den Holzbau?
Ich sehe mich selber als ein richtiger „Holzwurm“ mit einer absoluten Leidenschaft zum Holzbau. Aber ich sage auch, dass jeder Baustoff seine Daseinsberechtigung hat, weil wir u. a. auch wirtschaftlich denken müssen. Zum Beispiel kann aufgrund hoher Brandschutzanforderungen ein Fluchtweg in einem Treppenhaus wirtschaftlicher mit anderen Baustoffen realisiert werden, da ich bei einer Ausführung mit Holz für den Brandschutz viele zusätzliche Baustoffe einbringen müsste. Dann ist es eventuell wirtschaftlicher und nachhaltiger, diesen Fluchtraum oder diesen Treppenturm in Stahlbeton auszuführen.
Manchmal kämpft man auch mit Unwissen. Da wird zum Beispiel kritisiert, dass die langen Transportwege für Holz aus Skandinavien nicht ökologisch vertretbar seien und deswegen kein Holzbau geplant sei. Dabei haben wir ausreichend Holz in ortsnahen heimischen Wäldern, wie den Hochwald im Hunsrück. Da leisten wir dann wieder Aufklärungsarbeit. Der Holzbau ist zwar nicht neu, bekommt aber immer mehr Aufmerksamkeit. Das hilft uns.

Wir haben aber auch viele wirklich positive Erfahrungen, u. a. mit Wohnungsbaugesellschaften, die inzwischen vermehrt auf den Holzbau mit seinem natürlichen Material setzen. In Bezug auf die Umweltbelastung durch andere Baustoffe sind wir mit dem Holzbau gut unterwegs. Auch dass wir schnell Wohnraum benötigen hilft dem Holzbau, da dieser im Vergleich mit dem Massivbau durch den sehr hohen Vorfertigungsgrad viel schneller Projekte realisieren kann. Die dadurch eingesparten Baustellentage tragen zudem zur Wirtschaftlichkeit bei. Tatsächlich habe ich bereits 2002 als Zimmerer in meinem Ausbildungsbetrieb (Floss Holzbau GmbH in Schönecken) mit 15 Leuten festgestellt, dass wir stets einen hohen Vorfertigungsgrad angestrebt haben, indem wir die Holzrahmenwände so gebaut haben, dass wir damit auf der Baustelle schneller sind und dadurch auch schneller ein Haus dicht bekommen.

Vielleicht ist ein Holzbau mal minimal teurer als ein Massivbau, aber das Gebäude ist für die Bauherrschaft viel früher nutzbar. Damit ist der Holzbau trotz evtl. höherer Baukosten oft wirtschaftlicher. Die Lebenszykluskostenbetrachtung – wozu auch ggf. späteres Recycling zählt – wird hoffentlich künftig stärker bei Vergaben angewendet werden.

Zudem bietet der Holzbau auch eine große Flexibilität hinsichtlich der Raumgestaltung. Das heißt, wir setzen nur die wirklich benötigte Tragstruktur an. Die Raumaufteilung im Inneren kann individuell angepasst werden. Auch spätere Erweiterungen oder Umbauten lassen sich leicht realisieren.
Auch die Rückbaubarkeit ist bei einigen Projekten besonders wichtig, wie bei Interimsbauten zum Beispiel im Schulbau, um Sanierungsmaßnahmen von Bestandsbauten zu überbrücken. Manchmal dienen Interimsbauten auch dazu, die Vorteile von Holzbau praktisch vermitteln zu können. Von einer Schule in der Region weiß ich, dass die Schüler das Raumklima im Interims-Holzbau so angenehm finden, dass sie eigentlich gar nicht wieder in das ursprüngliche Gebäude zurückkehren möchten.
Jeder Baustoff hat seine Vorteile und damit seine Daseinsberechtigung, aber es gibt einfach sehr viele Vorteile für den Holzbau. Mit aller Motivation setze ich mich mit meinem Team sehr gerne auch künftig für den sinnvollen Einsatz von Holz – in all seinen Varianten – im Bauwesen ein. ‹

CLTECH-Brettsperrholzwerk in Kaiserslautern (Rheinland-Pfalz) © HELLO STUDIO W

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