Neue Wege geht das Land!

BLU studieren in Mecklenburg-Vorpommern

Deutsches Ingenieurblatt 4/2021
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Der Landtag Mecklenburg-Vorpommerns hat im Mai 2020 beschlossen, dem Mangel an Absolventen im Bereich des Bauingenieurwesens entgegenzuwirken und die Studienangebote im Land zu erweitern. So werden u. a. ein neuer Bachelor- und Master-Studiengang an der Universität Rostock, ein Bachelor-Studiengang Technische Gebäudeplanung an der Hochschule Wismar sowie ein Einstiegsjahr in das Bauingenieurwesen an der Hochschule Neubrandenburg eingerichtet.

Der Mangel an gut ausgebildeten und in ausreichender Anzahl verfügbaren Bauingenieurinnen und Bauingenieuren führt seit Jahren zu gravierenden Problemen im Baugeschehen in Mecklenburg-Vorpommern (MV). Sowohl in der freien Wirtschaft als auch in öffentlichen Einrichtungen können freie Stellen, wenn überhaupt, nur mit erheblichen Schwierigkeiten, oft aber gar nicht besetzt werden. Kleinere Ingenieurbüros mussten aufgrund von Nachwuchsmangel ganz oder einzelne Fachabteilungen schließen oder sich mit ebenfalls Betroffenen zu Planergemeinschaften zusammenschließen. Die ungenügende personelle Basis in diesem Bereich hat bereits jetzt negative Auswirkungen auf die Wirtschaft im Land. Infrastrukturprojekte verzögern sich in der Realisierung. Der Bedarf im Industrie-, Gewerbe- und Wohnungsbau lässt sich nicht mehr vollständig befriedigen. Bauen wird deutlich teurer und ist weniger nachhaltig.

Die Ingenieurkammer des Landes Mecklenburg-Vorpommern hat 2017 eine Bedarfsabschätzung für Bauingenieure im Land durchgeführt. Sie geht von einem Bedarf von jährlich 20 Absolventinnen oder Absolventen in der öffentlichen Verwaltung, 60 in den Ingenieur- und Planungsbüros und 40 in der Bauwirtschaft aus. Dieser prognostizierte Bedarf des Arbeitsmarkts von etwa 120 Absolventen für Mecklenburg-Vorpommern deckt sich sehr gut mit einer Schätzung der Bauindustrie, nach der etwa 6.000 Bauingenieure pro Jahr in Deutschland benötigt werden, was anhand der Bevölkerungszahl umgerechnet im Bundesland MV ebenfalls etwa 120 Bauingenieure ergibt.

Nach Schließung der Bauingenieurstudiengänge an der Hochschule Neubrandenburg und der Universität Rostock war die Hochschule Wismar in den vergangenen 15 Jahren die einzige Ausbildungsstätte im Bauingenieurwesen im Land. Seit 2012 liegt der Schnitt an Absolventen im Bachelor-Studiengang Bauingenieurwesen bei gut 50. Geht man davon aus, dass maximal zwei Drittel der Absolvierenden im Land verbleiben, ergibt sich eine jährliche Lücke von 70 bis 80 im Land.

Das BLU-Konzept
Das BLU-Konzept Seit Jahren weisen daher die drei Hochschulstandorte, unterstützt vom Ingenieurrat Mecklenburg- Vorpommern, allen Berufsverbänden des Bauwesens und den Industrie- und Handelskammern, die Politik und Öffentlichkeit auf dieses Problem hin. Mit dem Anfang 2019 vorgestellten „Konzept für eine standortübergreifende Ingenieurausbildung in den Bereichen Bauen, Landschaft und Umwelt (BLU) im Land Mecklenburg-Vorpommern“ soll Abhilfe geschaffen werden. Mit diesem schlagen die Hochschule Neubrandenburg, die Universität Rostock und die Hochschule Wismar einen ganzheitlichen Ansatz für das Ingenieurstudium in den Themenfeldern Bauen, Landschaft und Umwelt (=BLU) vor. Die Nutzung von Synergien des Baubereichs in Wismar mit dem Umweltingenieurbereich in Rostock und dem Landschaftsbereich in Neubrandenburg ist zielführend, wobei es um die Einrichtung neuer und die Weiterentwicklung bestehender Studiengänge und den Ausbau der Kooperationen zwischen den Einrichtungen geht. Gemeinsam lassen sich so die bisherigen Studienangebote deutlich erweitern und die Forschungsleistung im Land intensivieren.

Das BLU-Konzept konnte Anfang 2020 den gemeinsamen Finanzausschuss der Regierungsparteien SPD und CDU überzeugen, einen Landtagsbeschluss zur Umsetzung des BLU-Konzepts einzubringen. In der 89. Sitzung des Landtags am 14.05.2020 wurde die BLU-Umsetzung durch alle im Landtag vertretenen Parteien einstimmig beschlossen. Das Land stellt dauerhaft zusätzliche Finanzmittel bereit, um für den neuen universitären Studiengang Bauingenieurwesen vier voll aus-gestattete neue W3-Professuren (jeweils mit zwei Wissenschaftlern, zwei Technikern und 0,5 Sachbearbeitern versehen, in der Summe also 22 neue Stellen in den kommenden drei Jahren) an der Universität Rostock einzurichten. Für die Zusammenarbeit in Lehre und Forschung werden an der Hochschule Wismar 18 neue Stellen (acht Wissenschaftler, acht Techniker, zwei Sachbearbeiter) sowie für die Umsetzung des Neueinstiegs in Neubrandenburg eine halbe Stelle für die Koordination und eine halbe Wissenschaftlerstelle geschaffen. Auch umfangreiche Sach- und Investitionsmittel werden zur Verfügung gestellt. Die anfänglich aus Mitteln des Strategiefonds des Landes bereitgestellten Mittel werden ab 2022 im Haushalt des Landes zusätzlich eingestellt und wachsen mit der schrittweisen Besetzung der Stellen auf etwa 5 Millionen Euro jährlich an.

Das Studienangebot im Bauingenieurwesenfußt damit wieder auf einer deutlich breiteren Basis. Zum einen wird das Anforderungs- und Ausbildungsniveau durch den neuen universitären Studiengang erweitert, was für besser qualifizierte Abiturientinnen und Abiturienten aus der Region – die bisher zum Studium in andere Bundesländer abwanderten – interessant sein kann. Zum anderen wird ein Einstieg in den östlichen Teilen des Landes offeriert, da nun ein Start ins Bauingenieurstudium wieder in Vorpommern möglich sein wird.

Das BLU-Konzept findet eine große fachliche Unterstützung im Land, u. a. durch den Ingenieurrat Mecklenburg-Vorpommern, sämtliche Berufsverbände des Bauwesens sowie die Industrie- und Handelskammern. Die drei Fachbereiche der Hochschulen ziehen an einem Strang und wollen die Kooperationsmöglichkeiten und Synergien im Land ausschöpfen, um dem Berufsmarkt gut ausgebildete Ingenieure über ein vielfältiges und Wismardifferenziertes Studienangebot anbieten zu können.

Stand der Umsetzung
Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (MBWK) wurde durch den Landtagsbeschluss mit der Umsetzung des BLU-Konzepts beauftragt. In mehreren Arbeitsgruppen, sowohl mit dem MBWK als auch an den Hochschulen, wurden die ersten Schritte gemeinsam gemeistert, um das neue Studienangebot zum Wintersemester 2021/2022 starten zu können. In einer Teilzielvereinbarung zwischen MBWK und den drei Hochschulen wird der Umsetzungsrahmen für die Jahre 2021 bis 2025 festgeschrieben. Der Hochschule Wismar kommt eine wichtige Unterstützungs- und Mitwirkungsfunktion zu, sodass diese jeweils bilaterale Kooperationsverträge mit der Universität Rostock bzw. der Hochschule Neubrandenburg abgeschlossen hat.

Der Curriculumsentwurf für den neuen universitären Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen in Rostock ist ausgearbeitet und durchläuft gerade das interne Akkreditierungsverfahren. Das Einstiegsjahr in Neubrandenburg ist konzipiert und die Prüfungsordnung des Wismarer Bauingenieurstudiengangs soweit angepasst, dass dieser kooperativ zwischen Neubrandenburg und Wismar betrieben werden kann.

Die Stellenbesetzung im akademischen Mittelbau hat an allen drei Standorten gerade begonnen. Die Ausschreibungen der neuen Professuren an der Universität Rostock wird zeitnah erfolgen.
In Abstimmung mit Wismar und in Synergie mit den Umweltingenieurwissenschaften betrifft dies folgende Professuren für Rostock:

  • Professur für Baustatik und Baudynamik
  • Professur für Bauinformatik und Digitales Bauen
  • Professur für Massivbau
  • Professur für Nachhaltigen Städte- und
    Verkehrsbau

Ausblick
BLU beschreitet Neuland im landesweiten Zusammenwirken von Fachhochschulen und Universität. War im Land bisher mit dem Begriff „Synergie“ eher Einsparung verbunden, so stehen bei BLU die Zusammenarbeit und ein sich gegenseitiges Fördern im Fokus. Zwischen den Hochschulen werden die anstehenden Berufungsverfahren abgestimmt, gemeinsame Labornutzungen des sehr gut ausgebauten Standorts Wismar sind vereinbart.

Auch in Richtung kooperativer Promotionsverfahren wird die Zusammenarbeit intensiviert.

Zwischen den unterschiedlichen Studienangeboten gibt es eine hohe Durchlässigkeit, sodass sich Studierende während des Studiums auch noch umentscheiden und insbesondere nach dem Bachelor-Studium den Standort und auch die Studienrichtung wechseln können. In einer Äquivalenzmatrix ist die gegenseitige Anerkennung von Leistungen geregelt.

Das Konzept BLU muss allerdings erst noch bekannter gemacht werden. Dazu wird gerade eine Werbekampagne vorbereitet. Die Vermarktung des standortübergreifenden Angebots erfolgt unter einer gemeinsamen Dachmarke und einem einheitlichen Logo (www.blu-mv.de). Dafür wird aber auch die Unterstützung durch die Ingenieurverbände und die Praxis gebraucht.

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