Werden mit einem Bauvorhaben, erst recht einem Großprojekt, mehrere Beteiligte beauftragt, sind die vertraglichen Verpflichtungen klar abzugrenzen. Auch gegenüber beauftragten Sonderfachleuten kommt es nur auf die konkret vereinbarte Leistung an. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
Die Klägerin war von der Bauherrin mit der Ausführung des Ingenieurteils nebst Statik bei der Realisierung eines Tiefwasserhafens beauftragt worden. Die Bauherrin hatte als Teil ihres Amtsentwurfs Maße und Höhenlagen verbindlich vorgegeben. Die Klägerin beauftragte ihrerseits die Beklagte mit der Ausführung dieser Ingenieursleistung u. a. in Bezug auf das Bauteil Kaje inkl. Überbau und Gründung. Nach dem Leistungsverzeichnis (LV) schuldete die Beklagte u. a. „Standsicherheitsnachweise und Bemessung für die Baumaßnahme einschließlich aller Bauzustände, Baubehelfe und dgl. (…) einschl. eventuell erforderlicher Grundwasserabsenkungsberechnungen, hydraulischer und maschinenbaulicher Berechnungen“.
Daneben beauftragte die Klägerin eine weitere Firma D mit der Lieferung der Schwimmfender für das Kajenbauwerk einschließlich der zur Montage erforderlichen Zubehörteile. Im Leistungsverzeichnis hierzu heißt es:
„Schwimmfender liefern (…) inklusive aller Zubehörteile wie Drahtseil, Schäkel, Polyamidrollen etc., Bemessung der Befestigungskonstruktionen und Halterungen gem. EAU“ (Empfehlungen des Ausschusses Ufereinfassungen).
Die Kajenkonstruktion war darauf ausgerichtet, dass sich die Schwimmfender mithilfe der Führung mit der Tide auf- und abwärts bewegen können. Die Bewegung des Fenders auf dem Wasser sollte lediglich dadurch eingeschränkt werden, dass jedes Führungsrohr einen oberen und einen unteren Justierring (Halteteller) erhielt, den die an Ketten befestigten Führungsringe nicht passieren können. Firma D teilte der Beklagten die Bemessungen der beweglichen Fenderteile mit.
Nach Abschluss der Baumaßnahme stellte sich heraus, dass bei Niedrigwasser in Verbindung mit Ostwinden ein Wellengang entstehen konnte, der dazu führt, dass der untere Schwimmfender im Wellental keinen Kontakt zum Wasser mehr hat, sodass der Führungsring auf dem Halteteller aufschlägt. Dadurch sind 14 Führungsringe gebrochen.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz, da diese den dynamischen Lastfall für das wiederholte Freifallen der Schwimmfender habe berechnen müssen, was unstreitig nicht erfolgte.
Entscheidung zur Klage
Das Landgericht (LG) Oldenburg1 hat die Klage abgewiesen.
Das Oberlandesgericht (OLG)2 hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. Der Gegenstandswert für das Feststellungsinteresse wurde auf 2 Mio. Euro festgesetzt.
Ein Anspruch scheitert daran, dass die Werkleistung der Beklagten nicht mangelhaft war, denn sie schuldete die Berechnung des Lastfalls „Freifallen der Schwimmfender“ nicht. Sie musste auch keine Bedenken anmelden, weil eine solche Berechnung nicht erfolgte. Durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen der Klägerin mit der Beklagten und der Firma D gelangt das OLG zu der Feststellung, dass zwar grundsätzlich die Berechnung von der Leistungsbeschreibung im LV der Beklagten umfasst sein kann. Das Leistungssoll der Beklagten endet jedoch dort, wo die Klägerin erkennbar einem anderen Baubeteiligten (hier Firma D) Bemessungen für besondere Bauteile vertraglich aufgegeben hat. Das Leistungsverzeichnis der Firma D, wonach unter Berücksichtigung der darin in Bezug genommenen EAU sämtliche Bemessungen für die beweglichen Teile des Fendersystems vorzunehmen waren, geht der allgemeineren Beauftragung der Beklagten vor. Allein die Firma D schuldete nach Auffassung des OLG die Bemessung des Fendersystems und dessen Funktionsfähigkeit insgesamt (funktionaler Mangelbegriff), was aus Ziffer 6.14 EAU hergeleitet wird, wonach u. a. „möglichst lange und sichere Einsatzzeiten des Fendersystems“ als Anforderung formuliert werden.
Die Beklagte schuldete nach der vertraglich vereinbarten Funktionalitätserwartung allein die zutreffende Berechnung der Kajenanlage einschließlich der statischen Teile des Fendersystems, nicht aber auch dessen beweglicher Teile. Von der Beklagten und der Firma D waren unterschiedliche Werkerfolge, auch innerhalb des funktionalen Mangelbegriffs, geschuldet.
Die Beklagte musste wegen einer unterlassenen Berechnung der Firma D nach Auffassung des OLG auch keinen Hinweis an ihren Auftraggeber aus vertraglicher Nebenpflicht erteilen, weil sie lediglich verpflichtet war, die Übereinstimmung der Berechnungen und Planunterlagen, die von Lieferanten der Ausrüstungs- und Einbauteile aufgestellt werden, auf Übereinstimmung mit den eigenen Angaben zu prüfen. Da die Beklagte nach der vorstehenden Vertragsauslegung keine eigenen Berechnungen schuldete, musste sie auch nicht die Berechnungen der Firma D mit ihren Angaben abgleichen.
Bedenken musste die Beklagte schon deshalb nicht anmelden, weil der von ihr geschuldete Werkerfolg nicht gefährdet war, da ihre Leistung trotz des Unterlassens der Firma D nicht mangelbehaftet ist.
Anmerkung und Praxishinweis
Den durchaus komplexen Sachverhalt hat das OLG bereits auf der Ebene des Leistungssolls der verschiedenen Beteiligten gelöst. Im Ingenieurbau kommt es auf die konkrete vereinbarte Leistung an. Das Leistungsbild wird bei fehlender Vereinbarung nicht anhand der Leistungsbilder der HOAI bestimmt. Was die Beklagte nicht schuldete, kann sie auch nicht mangelhaft hergestellt haben. Diese Entscheidung zeigt wieder einmal, dass es im Streitfall allein auf die konkret vereinbarte Leistungsbeschreibung/das Planungssoll ankommt. Es ist daher ratsam, bereits bei Vertragsschluss konsequent eindeutige Regelungen der Verantwortungsbereiche zu definieren.