Ein Jahr nach der ursprünglich geplanten Preisverleihung würdigten Bundesingenieurkammer und der Ver-band Beratender Ingenieure VBI am 8. März 2021 die Gewinnerteams des Deutschen Brückenbaupreises 2020 mit einer virtuellen Siegerehrung. Für die Retheklappbrücke in Hamburg nahmen Michael Borowski vom Inge-nieurbüro Grassl GmbH und für den Trumpf-Steg in Ditzingen Prof. Dr. Mike Schlaich von schlaich bergermann partner sbp die Ehrung entgegen. Überreicht wurden diese von Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, dem Präsidenten der Bundesingenieurkammer, und Jörg Thiele, dem Präsidenten des VBI. In seinem Grußwort unterstrich auch Dr. Michael Güntner, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, die heraus-ragenden Ingenieurleistungen.
Neben den beiden Preisträgern ehrte die Jury in der Kategorie „Straßen- und Eisenbahnbrücken“ die Brücke bei Schwaig (Bayern) und die Instandsetzung der Elster-Brücke bei Neudeck (Brandenburg) sowie in der Kategorie „Fuß- und Radwegbrücken“ die Stuttgarter Holzbrücke an der Birkelspitze in Weinstadt (Baden-Württemberg) und die Sanierung der König-Ludwig-Brücke in Kempten (Bayern) mit einer Auszeichnung. Der Deutsche Brückenbaupreis wird seit 2006 alle zwei Jahre von der Bundesingenieurkammer und dem Verband Beratender Ingenieure VBI für herausragende Bauingenieurleistungen vergeben. Auch in diesem Jahr war es wieder eine große Herausforderung für die Jury, eine Entscheidung zu treffen, da ausnahmslos alle der 42 eingereichten Bauwerke von überragender Qualität sind.
Aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie konnte die Preisverleihung auch in diesem Jahr nicht als feierliche Veranstaltung mit 1.200 Gästen aus Fachwelt, Politik und Wirtschaft stattfinden, sondern wurde aufgezeichnet und im Internet übertragen.Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat den Deutschen Brückenbaupreis erneut gefördert und als Schirmherr unterstützt. Die Film-Dokumentation der Preisverleihung sowie filmische Kurzporträts aller nominierten Brücken, Bilder der ausgezeichneten Bauwerke und die Dokumentation zum Wettbewerb finden Sie unter: www.brueckenbaupreis.de, www.bingk.de und auf dem YouTube-Kanal der BIngK.
Die Jury für den Deutschen
Brückenbaupreis 2020
MR Prof. Dr.-Ing. Gero Marzahn, BMVI, Leiter des Referats Straßen, Brücken und sonstige
Ingenieurbauwerke (als Juryvorsitzender)
Prof. Dr.-Ing. Annette Bögle,
HCU HafenCity Universität Hamburg
Prof. Dr.-Ing. Manfred Curbach,
Leiter des Instituts für Massivbau an der TU Dresden
Eberhard Pelke, Dezernat Planung Ingenieurbauwerke, Hessen Mobil – Straßen- und Verkehrsmanagement
Ralf Schubart, Ingenieurbüro Meyer +
Schubart
Anja Vehlow, DB Netz AG
Dr.-Ing. Gerhard Zehetmaier,
WTM Engineers GmbH
Die Preisträger 2020
Der Trumpf-Steg Ditzingen, Ingenieurbüro sbp schlaich bergermann partner
Das Werksgelände der Firma Trumpf im schwäbischen Ditzingen wird durch eine vielbefahrene Straße in zwei Teile zerschnitten. Mit einem Steg sollte die Straße überbrückt und damit eine sichere Fußwegverbindung für Mitarbeiter geschaffen werden. Vor diesem Hintergrund ist ein Bauwerk entstanden, das auf das Wesentliche reduziert ist und dabei gleichzeitig ästhetisch ansprechend, funktional und im besten Sinn ungewöhnlich ist. Die Brücke ist wohl die erste ihrer Art, bei der die Schale zugleich Tragwerk und Gehweg ist. Eine Schale, geschweißt aus lediglich 20 mm dicken, räumlich gekrümmten Edelstahlblechen bildet das Tragwerk und dient gleichzeitig als Lauffläche. Die Schale spannt etwa 20 m in Längsrichtung und ca. 10 m quer zwischen den vier Kämpfergelenken. In Querrichtung wird der Bogenschub durch Stahlbeton-Zerrbalken kurzgeschlossen, in Längsrichtung über Mikropfähle abgeleitet. Zu den hochliegenden Widerlagern ist die Schale durch Ausleger verlängert und dort verschieblich gelagert.
Durch eine Vielzahl eingeschnittener und gebohrter Öffnungen in der Schale sowie durch die Ausformung der Randverstärkung wird der Kraftfluss in Szene gesetzt und werden zugleich Transparenz und Leichtigkeit der Struktur unterstrichen. Anzahl und Größe der Öffnungen korrespondieren mit den Beanspruchungen der Schale und illustrieren damit Hauptspannungsrichtungen und Ausnutzungsgrade der hocheffizienten Konstruktion.
Für die Herstellung der Schale wurden neben modernsten Verfahren – zum Beispiel die Herstellung der Öffnungen mit Laserschneidanlagen der Firma Trumpf – klassische Techniken verwendet, etwa beim Verformen ebener Bleche zu gekrümmten Schalenelementen.
Das Ergebnis, der 28 m lange Trumpf-Steg, erinnert an ein elastisches Netz, das beidseits der Straße in der Böschung festgezurrt wurde.
Kategorie Straßen- und Eisenbahnbrücken
Retheklappbrücke im Hamburger Hafen, Ingenieurbüro Grassl, Hamburg
Die Retheklappbrücke im Hamburger Hafen ist mit einer Länge von über 141 m und einer nutzbaren Breite von 24 m ein außergewöhnliches Bauwerk an einer exponierten Stelle. Die nahezu höhengleiche Kreuzung von Wasser-, Straßen- und Schienenwegen, die zudem alle hoch frequentiert sind, stellt eine Herausforderung an sich dar. Entsprechend komplex war die Aufgabe, aber auch die erforderliche Lösung.
Die entwerfenden Ingenieure haben diese Herausforderung gemeistert, indem sie eine funktional wie ästhetisch ansprechende, sehr innovative Konstruktion entworfen haben. Die Art des verschleißfreien Klappmechanismus mit seinen ineinandergreifenden Fingern zum Schließen der Fahrbahn stellt große Ansprüche an Betrieb und Konstruktion, an Mensch und Material. Die Komplexität und die Größe, aber auch die Neuartigkeit der Kon-struktion liegen jenseits der üblichen Pfade im Brückenbau und sind Beweis für den Mut der Ingenieure, mit ihrer Kreativität etwas Neues zu schaffen. Dies sollte nach Meinung der Jurymitglieder sowohl durch Anerkennung als auch durch Geduld begleitet werden. Denn Anfangsschwierigkeiten lassen sich bei einem derart komplexen Bauwerk, das auch eine Maschine ist, nicht immer vermeiden. Das entwertet nicht die Leistungen der Bauingenieure, die eine hervorragende Brücke geplant und gebaut haben.
Um die unabhängige Nutzung von Straße und Schiene zu ermöglichen, wurden getrennte Überbauten realisiert. Durch unterschiedliche, an die Nutzung angepasste Querschnitte – für die Straßenbrücke ist dieser geschlossen, für die Eisenbahnbrücke offen – gelingt eine Optimierung des Konstruktionsgewichts.
Die Wirtschaftlichkeit einer beweglichen Brücke wird entscheidend von den Betriebs- und Unterhaltungskosten bestimmt. Zudem stellen die beweglichen Teile die Schwachpunkte der Konstruktion dar. Folglich wurde bei der Retheklappbrücke die Anzahl der beweglichen Teile reduziert und auf eine mechanische Verriegelung verzichtet. Dies ist möglich, weil die Hauptträgerspitzen als Finger ausgebildet sind. Durch das gegenseitige Übergreifen der Finger beim Schließvorgang stützen sich die Finger aufeinander ab und es können Querkräfte und Momente übertragen werden.
Allerdings setzt dieser Mechanismus eine anspruchsvolle Steuerung voraus: Der präzise Gleichlauf der Klappen muss gewährleistet sein, auch bei unterschiedlichen Temperaturverformungen und Bauteilsetzungen. Hierfür wurde eine komplexe Steuerung speziell entwickelt.
Das Brückenensemble umfasst auch die Vorlandbrücken und die südlich anschließende Straßenbrücke. Mit einer Gesamtlänge von ca. 450 m kommt der Gestaltung eine besondere Bedeutung zu: Mit reduzierten Farben, ruhigen Oberflächen und einer Sorgfalt bis ins Detail wird die Brücke diesem Anspruch gerecht. Trotz ihrer Masse erscheint die Klappbrücke aus Stahl grazil.