Schlichtheit im Schindelkleid

Minimaler Energieverbrauch beim Umgang mit Flächenressourcen

Deutsches Ingenieurblatt 1-2/2022
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Objekte
Energie • Klima • Dämmung
Holz

Die neue Aussegnungshalle in Wolfartsweier nutzt vor allem Brettsperrholz für den kubisch gegliederten Baukörper. Neben den sich selbst aussteifenden Konstruktionen erforderte vor allem das weit auskragende Dach eine spezielle Lösung.

Wolfartsweier, ein etwas außerhalb gelegener Stadtteil von Karlsruhe, hatte ursprünglich nur einen Friedhof an der zentral gelegenen Dorfkirche. Als dieser durch das stetige Wachstum des Stadtteils zu klein wurde, konnte 1989 ein neuer Friedhof am südwestlichen Ortsrand eingeweiht werden. Über 20 Jahre hatten die Trauergottesdienste dann weiterhin in der alten Aussegnungshalle im Ortskern stattgefunden und die Trauergäste mussten für die Beisetzungen einen kleinen Fußmarsch durch den Ort bis zum Begräbnisplatz zurücklegen – gerade für die Älteren ein oft unerfreuliches Unterfangen.

2009 veranlasste die Stadt Karlsruhe, vertreten durch das Amt für Hochbau und Gebäudewirtschaft, schließlich durch eine Mehrfachbeauftragung fünf Architekturbüros mit einer Vorentwurfsplanung. Als Sieger ging das Karlsruher Architekturbüro Kränzle+Fischer-Wasels aus diesem Verfahren hervor. Nachdem es im Anschluss noch mehrere Anläufe brauchte, um das Projekt im Haushaltsbudget der Stadt unterzubringen, startete der Bau der Aussegnungshalle im Herbst 2018 und diese konnte Ende November 2019 schließlich eingeweiht werden.

Moderne Geradlinigkeit in Holzschindeln gekleidet
Was dieses relativ kleine, aber sehr feine Projekt so besonders macht, ist die ungewöhnliche Kombination eines geradlinigen, kubisch gegliederten Baukörpers und seine Umsetzung in Holzbauweise, bei der der Bau außerdem mit für den Schwarzwald typischen Holzschindeln bekleidet wurde. „Mit einfachsten Mitteln und Formen wurde in beeindruckender Weise sowohl eine architektonische Skulptur als auch ein Ort des Rückzugs, eine Balance von äußerer Erdung und innerem Schweben geschaffen“, heißt es etwa zum Projekt in der Würdigung der Jury des Hugo-Häring-Preises, mit dem der Bau 2020 ausgezeichnet worden ist.

Zentraler Kapellenraum mit hohem Gebäudeteil für stimmiges Licht
Im Zentrum der Aussegnungshalle befindet sich der etwa 8,90 m breite und knapp 12 m lange Kapellenraum mit 60 Sitz- und 40 Stehplätzen. Die Sitzplätze befinden sich im 4 m hohen Bereich des Raums (Unterkante Akustikplatten), dessen Decke im hinteren Viertel auf rund 5,80 m angehoben ist. Das lässt den Ansprachebereich mit Rednerpult vom Rest des Kapellenraums aus besonders hell und nach oben geradezu offen erscheinen. Hier wird zudem der geschmückte Sarg aufgestellt. So sorgt die räumliche Öffnung nicht nur für eine zum Anlass passende Stimmung, sondern auch für eine indirekte Beleuchtung.

Das Dach des niedrigeren Teils des Kapellenraums kragt mit einer Länge von etwa 4,75 m über den Eingangsbereich aus und bietet damit weitere überdachte Stehplätze. Die ursprüngliche Idee der Architekten, den Innenraum durch drei breite Doppeltüren zum überdachten Vorbereich hin zu erweitern, war aus Kostengründen am Ende nicht realisierbar. Die günstigere Variante mit einer Tür und zwei großzügig festverglasten Flächen schuf in Kombination mit Außenlautsprechern jedoch eine ebenso gute Lösung.

Bei Anordnung und Ausrichtung der Räume war auch die Reduzierung des Verkehrslärms der nahgelegenen Autobahn ein wichtiger Aspekt. Eingefasst wird der zentrale Bereich des Kapellenraums daher von einer Art schmalen Klammer, die sich durch eine niedrigere Gebäudehöhe absetzt. Auf der Südseite, also links des Eingangs, befinden sich ein sensibel gestalteter Aufbahrungsraum, ein Kühlraum, ein kleiner Technikraum sowie, etwas abgesetzt und doch direkt am Eingang vorne, die auch für Friedhofsbesucher nutzbaren Toiletten. An der Westseite, also vom Eingang aus hinter dem Kapellenraum, liegen neben dem Pfarrraum kleinere Nebenräume, wie ein Elektro-, ein Abstell- und ein Lagerraum. Letztere sind nur von außen zugänglich.

An der Nordseite wiederum sind keine weiteren Räume angeordnet. Stattdessen befindet sich hier eine freistehende Wand, die die U-Form der Raumklammer quasi fortsetzt und mit einem Abstand von etwa 1,25 m vor der Außenwand des Kapellenraums platziert ist. Sie bildet einen gestalteten schmalen Freiraum mit kontemplativem Charakter. „Die Trauergäste schauen durch eine knapp 6,50 m lange und gut 2,70 m hohe Fensterfläche in den schmalen Freibereich. Der Blick der Besucher kann also aus dem Raum wandern, wird aber nicht durch das Geschehen auf dem Friedhof abgelenkt“, erläutert Architekt Christian Fischer-Wasels die Idee.

Selbsttragende Konstruktion aus BSP-Decken- und Wandscheiben
Die tragende Konstruktion des überschaubaren Gebäudekomplexes bilden Wand-, Decken- und Dachelemente aus Brettsperrholz (BSP). Dabei sind die den Kapellenraum bildenden Außenwände 16 cm dick dimensioniert, die Außenwände der sie umgebenden Räume dagegen mit 12 cm und die dazugehörigen Deckenelemente überall mit 13 cm. Für die Trennwände waren 8 cm ausreichend.

Die Wand-, Trennwand- und Deckenelemente der 3 m hohen und 5,50 m breiten bzw. 2,40 m und 1,25 m breiten Raumklammer bilden eine in sich stabile, selbsttragende Konstruktion. In die U-Form dieser Konstruktion fügt sich der hohe Teil des Kapellenraums ein: Hier bildet die Rückwand mit 9,15 m Breite und 6,05 m Höhe zusammen mit den beiden knapp 3,30 m breiten Schmalseiten ebenfalls eine U-förmige Konstruktion, die ein 2,07 m hoher wand-artiger Träger auf der offenen Längsseite – oberkantenbündig mit den Schmalseiten – zu einem Ring schließt. Die Öffnung darunter schafft mit 3,75 m Höhe den raumbreiten Übergang zum Sitzbereich der Kapelle.

Den hohen Kapellenbereich schließen vier knapp 2,30 m breite BSP-Platten nach oben hin ab. Sie spannen mit 3,30 m Länge von der Längswand zum wandartigen Träger und sind über Koppelbretter aus OSB zu Scheiben verbunden. Trotz der drei 88 cm breiten und 1,38 m langen Aussparungen für die Lichtkuppeln trägt die Dachscheibe zur Horizontalaussteifung bei.

Damit die Lichtkuppeln von außen nicht in Erscheinung treten, erhielt die Dachdecke rundum eine knapp 95 cm hohe Aufkantung. So erreicht dieser Gebäudeteil eine Höhe von knapp 7 m.

Auskragung mit Attika-Trägern in die Kapellenlängswände zurückgehängt
Die Ausbildung der Wände des niedrigen Teils des stützenfreien Kapellenraums erfolgte aufgrund der großen Fenster mit stützenartigen, 16 cm dicken BSP-Wandstreifen, die auf den beiden Längsseiten durch horizontale, rund 8,90 m lange, 1,25 m hohe und ebenfalls 16 cm dicke BSP-Elemente ergänzt wurden (Pos. 1.09 und Pos. 1.08. auf der gegenüberliegenden Seite; in der Isometrie nicht sichtbar) bzw. analog über der Eingangsseite.

Eine konstruktive Besonderheit bildet die Decke in diesem Bereich bzw. die tragwerksplanerische Lösung zur Abfangung der Kräfte der großen Auskragung: Hierfür wählten die Ingenieure 13,66 m lange Attika-Träger aus Brettschicht(BS)-Holz (GL 32h) mit einem Querschnitt von 16 cm Breite und 86 cm Höhe (Pos. 4.01 und 4.02). Sie setzen flächenbündig auf den horizontalen BSP-Wandelementen auf und kragen etwa 4,75 m weit über den Eingangsbereich aus. Um die Zugkräfte dieser Auskragung aufnehmen zu können und einem Abheben der Decke entgegenzuwirken, hat man pro Seite jeweils sechs 1,20 m lange, eingeklebte Gewindestangen durch die BS-Holz-Träger hindurch in die Wand-Elemente hineingeführt und dort verankert.

Zwischen die BS-Holz- bzw. Attikaträger hat man schließlich im Achsabstand von 1,27 m die 8,85 m langen BS-Holz-Deckenbalken (b/h: 12 cm x 45 cm) über Balkenträger eingehängt und mit Stabdübeln angeschlossen. Eine 4 cm dicke Kerto-Q-Furnierschichtholzplatte schließt den Raum nach oben ab. Sie fungiert als aussteifende Scheibe. Zusammen mit den übrigen Dachscheiben sorgt sie für die Horizontalaussteifung.

Für das Gebäude mussten die Tragwerksplaner vom Ingenieurbüro Schuler aus Karlsruhe außerdem einen Erdbebennachweis führen – es liegt in der Erdbebenzone 1. Wegen des großen Kragarms des Dachs und des aufgelösten Querschnitts wurde hierfür das recht aufwändige sogenannte „multimodale Antwortspektrenverfahren“ angewendet. Dabei werden die entsprechenden Werte am räumlichen Modell unter Berücksichtigung mehrerer Schwingungsformen ermittelt.

Optimale Montage dank durchdachtem Logistikplan
Die BSP-Elemente wurden im Werk der Firma Mayr-Melnhof in Leoben (Österreich) vorgefertigt und in drei LKW-Ladungen zur Baustelle gebracht. „Eine gut durchdachte Logistik ist ein wesentlicher Faktor beim Arbeiten mit vorgefertigten Elementen“, erläutert Michael Rappsilber von der Firma Holzbau Eberlein und Rappsilber GmbH aus Karlsruhe, der die korrekte Beladung der LKW zu verantworten hatte, und ergänzt: „Die Elemente müssen so auf die LKW verladen werden, dass sie vor Ort in der benötigten Montage-Reihenfolge zur Verfügung stehen. Man hat auf der Baustelle weder Zeit noch Platz, Bauteile zu sortieren.“

Nachdem die Bodenplatte aus Recyclingbeton gegossen und ausgehärtet war, konnten die BSP-Elemente in nur einer Woche montiert werden. Die Montage startete mit den etwas niedrigeren Wänden an der Westseite. Es folgte der hohe Gebäudeteil des Kapellenraums, von dem zunächst die Rückwand aus vier etwa 2,30 m breiten und 6,05 m hohen Platten aufgerichtet und mit Winkelverbindern auf der Bodenplatte fixiert wurde. Nachdem auch die Schmalseiten standen, konnte der 8,9 m breite und 2,07 m hohe wandartige Träger angeschlossen werden.

Montagedetails: Aufliegende Decken und durchlaufende Wände
Während die Räume der seitlichen Klammer sowie der hohe Bereich des Kapellenraums mit BSP-Decken-Elementen abschließen, bilden im Kapellenraum die BS-Holz-Träger zusammen mit den Kerto-Q-Platten eine Rippendecke aus – alle haben aussteifende Funktion.

Bei den Wand-/Decken-Anschlüssen kamen zwei verschiedene Varianten zum Zug: Am äußeren Attika-Abschluss der seitlichen Klammer und am Attika-Abschluss des hohen Bereichs des Kapellenraums liegen die Deckenelemente auf den Wandelementen auf und das Attika-Element steht auf der Dachdecke. Dort aber, wo die Dachelemente der Klammer am Kapellenraum anschließen, laufen die Wandelemente durch. Hier erhielten die Dachelemente werkseitig eine eingefräste Nut, in die man auf der Baustelle L-förmige Trägerschienen aus Stahl eingesetzt, die Dach-Elemente auf die Winkel aufgeschoben und von oben durchgeschraubt hat. Die Wandelemente untereinander sind einfach und effektiv durch paarweise diagonal angeordnete Vollgewindeschrauben verbunden.

Wie Oberflächen wirken: Der Kontrast macht‘s
Viel Wert legten die Planer auch auf die Oberflächen. Außen rau, innen glatt, war dabei die Grundidee. Bei der Fassade handelt es sich daher um eine hinterlüftete Schindelbekleidung aus gespaltenen Lärchenholzschindeln. Die Schindeln wurden hierfür auf einer Unterkonstruktion mit Rillennägeln aus Edelstahl befestigt und mussten mit einem guten Gespür für das richtige Fassadenbild mit entsprechender Fugenüberdeckung eingepasst werden. So schnell die tragende Massivholzkonstruktion aufgestellt war, so viel Zeit benötigte der erfahrene Zimmerer für die Schindelfassade, die hier mit viel Sorgfalt und handwerklichem Geschick von der Firma Reimann Holzbau angefertigt worden war. Insbesondere an den Ecken und den Fensterlaibungen galt es, die dort schräg geschnittenen Schindeln optimal einzubinden.

Auch die freistehende Wand, deren tragende Konstruktion aus Stahlträgern besteht, erhielt eine beidseitige Schindelbekleidung. „Dort allerdings, wo das Gebäude eingeschnitten ist, also im Bereich des östlichen Haupteingangs und an der Südwestecke, handelt es sich um eine glatte Oberfläche aus Lärchenholz-Dreischichtplatten“, erläutert Architekt Fischer-Wasels. „So können sich die Besucher ohne Bedenken an die Wand lehnen. Zudem steht dies in Korrespondenz zu den glatten Oberflächen im Inneren.“ Denn auch im Innenbereich dominiert Holz in unterschiedlichen Qualitäten.

In den Nebenräumen, wie den Lager- und Abstellräumen, sind die Oberflächen der sichtbaren BSP-Elemente in Industriequalität, während im Kapellen- oder im Pfarrraum Nordische Sichtqualität für eine höherwertige, besonders homogene Oberfläche sorgt. Aus akustischen Gründen ist im Kapellenraum die Decke mit sichtbar belassenen Holzwolle-Leichtbauplatten abgehängt. Für den Aufbahrungsraum wählten die Planer helle, glatte Fichten-Dreischichtplatten als sichtbare Oberfläche. Dieser Raum verdient besondere Beachtung. Hier wurde mit großer Feinfühligkeit ein ebenso schlichter wie behütender Raum geschaffen, in dem die Hinterbliebenen in Ruhe Abschied nehmen können. In den genannten Haupträumen bildet ein dunkler Schieferboden einen schönen Kontrast zu Wänden und Decken.

Nachhaltigkeit als Maßstab für Tragwerk und Wärmeschutz
Bei der Planung waren auch ökologische Kriterien zu berücksichtigen, wie die Nutzung von Holz beim Tragwerk, aber auch an der Fassade. Letzteres vor dem Hintergrund, dass die Schindelfassade pflegeleicht ist, weil sie natürlich vergrauen darf und damit auf einen chemischen Anstrich verzichten kann. Vor allem aber ging es darum, den Energieverbrauch des Gebäudes zu minimieren, mit den Flächenressourcen vorsichtig umzugehen sowie die Bedingungen des barrierefreien Bauens (§ 38 der Landesbauordnung (LBO)) einzuhalten.

Da der Neubau nur 20- bis 30-mal im Jahr genutzt wird, sind die Anforderungen an den Wärmeschutz anders als bei Wohngebäuden. Ein Wärmeschutz nach EnEV würde eine „energetische Überdimensionierung“ und damit eine nicht nachhaltige Investition bedeuten – ganz abgesehen davon, dass bei temporärer Nutzung die Einhaltung der EnEV nicht erforderlich ist. Dennoch wurde das Bauwerk so gedämmt, dass sowohl der winterliche wie der sommerliche Wärmeschutz gewährleistet sind.

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