Deutschland steht vor einer Mammutaufgabe: dem schnellen Ausbau erneuerbarer Energien und weiterer Infrastrukturen. Damit sie gelingt, müssen Unternehmen umdenken und neue Strategien entwickeln, wie sie Genehmigungsverfahren angehen. Die Erfahrung zeigt: Sechs Faktoren sind besonders hilfreich, um Projekte erfolgreich umzusetzen.
Mit dem Sommer kam im vergangenen Jahr das „Sommerpaket“: Nach über 500 Seiten „Osterpaket“ sollte es den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter vorantreiben. Die Bundesregierung gab Gas, die Notwendigkeit ist groß: Ohne Kurswechsel wird Deutschland seine Klimaziele deutlich verfehlen. Laut Weltklimarat sind die Folgen der Erderwärmung schon jetzt drastischer, als prognostiziert. Und der Krieg in der Ukraine demonstriert einmal mehr, wie wichtig es ist, sich aus einseitigen und dominierenden Abhängigkeiten zu lösen und Grundlagen für eine diversifizierte und zunehmend klimaneutrale Energieversorgung zu schaffen.
Ob die Transformation gelingt, entscheidet sich allerdings in der Region. Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen vereinfacht werden. Das entlastet Kommunen, deren Verwaltung sowie die Wirtschaft und stärkt den Industriestandort. Doch es reicht nicht, um die Masse an Projekten zu stemmen, die auf Deutschland zukommen wird. Um Projekte erfolgreich, schnell und rechtssicher umzusetzen, müssen drei Schritte ineinandergreifen: juristische Reformen, neue Wege der Zusammenarbeit und ein modernes Management von Genehmigungs-verfahren. Gerade Unternehmen können und müssen jetzt handeln, bevor Gesetze greifen, und einen Kulturwandel einleiten.
Im Kern geht es um das Management der Verfahren und eine zielführende Kooperation der für die Umsetzung zuständigen Ebenen. Behörden berichten, wie Anträge und Vorhaben scheitern, weil der Austausch nicht funktioniert. Auch Bundesminister Robert Habeck betont, dass die Kooperation in der Politik wichtiger wird: „Am besten wäre es, wenn diejenigen gewinnen würden, die die besten Konzepte am schnellsten umsetzen und den anderen das Leben möglichst nicht schwer machen“, sagt er. Für Unternehmen ist es klar: Wer Kooperationen in den Mittelpunkt stellt, schafft eine gute Grundlage für ein effizientes Verfahren. Sechs Ansätze zeigen, wie.
Foren bauen
Bevor es zu konkreten Projektanträgen kommt, können Unternehmen in den Kommunen den Boden bereiten, indem sie alle an einen Tisch bringen, die ein Interesse daran haben, Projekte erfolgreich umzusetzen. So früh wie möglich definieren Genehmigungsbehörden, Planung und Projetträger im Rahmen des geltenden Rechts gemeinsam Ziele und die hierfür notwendigen fachlichen Beiträge.Unternehmen gewinnen durch den Aufbau konstruktiver Foren frühzeitig auch externe Fürsprechende und ermöglichen Entscheidungstragenden vor Ort, sich vorausschauend zu positionieren. Auf keinen Fall sollten Unternehmen „im stillen Kämmerchen“ aus ihrer Sicht alles zeitaufwändig und scheinbar perfekt vorbereiten, um dann im ersten Behördengespräch zu erfahren, dass die Behörde eine andere Sicht der Dinge hat.
Stakeholder einbinden
Infrastrukturprojekte entscheiden sich vor Ort. Die lokale Öffentlichkeit gehört entsprechend zu den relevantesten Stakeholdern, wenn es um die Planung und Umsetzung solcher Projekte geht. Unternehmen müssen sie von Anfang an einbeziehen und zielgruppengerecht adressieren: mit einer klaren Sprache, ehrlichen Informationen und einem echten Interesse am Dialog. Dazu gehört es, kritische Stimmen zuzulassen. Ein Zeichen für den offenen Austausch kann es sein, gemeinsam Veranstaltungen zu organisieren, zum Beispiel Dialogmärkte.
Transparenz leben
Kommunikation ist eine Daueraufgabe bei Infrastrukturprojekten. Sie muss adressatengerecht und entsprechend vielfältig aufbereitet sein, ob über lokale Medien, Social Media, die Teilnahme an lokalen oder die Ausrichtung eigener Veranstaltungen. Klare Kanäle für Anfragen und Beschwerden helfen, die Kommunikation zu lenken. Um Transparenz nicht nur zu erklären, sondern auch zu leben, müssen Unternehmen nahbar sein. Das können sie, indem sie kompetente Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner benennen, die vor Ort präsent sind, zum Beispiel in einem Kontaktbüro. Die Mitarbeitenden dort sind oft die besten Kommunikationsprofis. Sie benötigen aber kompetente Führung und Unterstützung.
Protest aushalten
Bei jedem Infrastrukturprojekt wird es Proteste geben. Wenn Deutschland seine Klima- und Industrieziele erreichen will, muss es in und durch Felder buddeln, den Verkehr umleiten und Landschaften verändern. Neue Kompromisse sind nötig – und zwar von allen Seiten. Wichtig ist es, das von Anfang an klar zu benennen und das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Wer entsprechend plant und kommuniziert, muss Protest aushalten. Das gehört zur Wende dazu. Es entlastet Unternehmen aber nicht davon, Brücken zu bauen und die eigenen Argumente ververständlich zu machen. Im Rahmen des Verwaltungsrechts gelingt dies nur bedingt. Kreativität ist gefragt und Vermittlung. Denn: Fortschritt gibt es nur, wenn man miteinander spricht, nicht aneinander vorbeiredet.
Expertise anbieten
Über ein laufendes Genehmigungsverfahren dürfen sich Unternehmen nicht mit Behörden abstimmen, aber über die nötige Fachlichkeit. So wissen Unternehmen, was sie erarbeiten müssen, und Behörden, dass es im Antrag nicht an Informationen, Gutachten oder anderen Belegen fehlt. Indem Unternehmen nach einer klaren und offenen Rollenklärung mit „ihrer“ Behörde Expertise und Kapazitäten zur Verfügung stellen, können sie Prozesse auch beschleunigen. Wichtig ist es, stets wertschätzend mit der Behörde zu kommunizieren. Und auch Behörden sollten sich für neue Managementansätze öffnen. So kann das Engagement spezieller Verfahrensmanagenden oder Beratungsgesellschaften ein effizienter Baustein zum Erfolg sein.
Ressourcen freistellen
Wenn die Kooperation im Mittelunkt steht, muss auch innerhalb des Unternehmens ein enger Austausch stattfinden. Die verantwortliche Projektleitung muss alle Disziplinen vernetzen und regelmäßig zusammenbringen, ob Controlling, Kommunikation, Recht, Technik oder Politik. Sie stellt sicher, dass keine Wissensbarrieren und Übersetzungsprobleme entstehen. Entsprechend ist die Projektleitung kein Fach- sondern ein General Management auf höchstem Niveau. Dafür müssen Ressourcen freigestellt und Kompetenzen extern ergänzt werden, um wichtige Aufgaben umzusetzen, die Effizienz zu steigern und Kommunikation zu gewährleisten.
Fazit
Aufgrund unserer Erfahrung in der Begleitung zahlreicher Infrastrukturprojekte sind wir überzeugt, dass die vom Bundeswirtschafts-ministerium angestoßenen Reformen notwendig sind. Sie sind aber nur der erste Schritt hin zu einer „Zeitenwende“ bei Planungs- und Genehmigungsverfahren. Mit den sechs Erfolgsfaktoren wollen wir Unternehmen helfen, große Projekte so zu managen, dass sie kooperativ und erfolgreich gelingen. Das große gemeinsame Ziel, eine zunehmend klimaneutrale und diversifizierte Energieversorgung aufzubauen, ist eine Chance für eine neue Kultur der Zusammenarbeit und damit Grund für Optimismus. Wer sich die kompetenten und erfahrenen Ressourcen jetzt aufbaut und sichert, schafft eine gute Ausgangslage für zukünftige Genehmigungsverfahren – und damit für den dringend notwendigen Ausbau erneuerbarer Energien.