Für den digitalen Bauantrag wird es keine bundesweit einheitliche (EfA-)Lösung geben. Teilweise gibt es sogar abweichende Prozesse auf kommunaler Ebene gegenüber dem eigenen Bundesland. Verstehen Sie den Frust bei Planerinnen und Planern weiterhin mit einem Flickenteppich an Lösungen leben zu müssen?
Diaz: Der Bund verfolgt bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen das Prinzip „Einer für alle“, um eine möglichst effiziente Umsetzung zu erreichen. Bei Verwaltungsprozessen, die in allen Bundesländern gleich oder sehr ähnlich sind, ist auch eine deutliche Effizienzsteigerung zu erwarten. Bei Verwaltungsprozessen, die aufgrund der Landesgesetzgebung von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein können, kann es vorkommen, dass nicht alle Bundesländer diesem Prinzip folgen. Im Fall der digitalen Baugenehmigung hat sich die Mehrheit der Bundesländer für die einheitliche (EfA-)Lösung entschieden. Hintergrund für die (noch) nicht erfolgte Übernahme sind die zum Teil bereits weit fortgeschrittenen Lösungen einzelner Bundesländer und die sehr komplexen Prozesse im Rahmen der Bauantragsverfahren. Bei rund 900 Bauaufsichtsbehörden in Deutschland gibt es bereits einige gute kommunale Eigenentwicklungen. Die Entscheidung in den Kommunen, die bestehenden Lösungen durch die einheitliche (EfA-)Lösung zu ersetzen, fällt daher nicht leicht. Diese manchmal langsamen oder widersprüchlichen Entscheidungen, die wir uns in Deutschland durch den Föderalismus erkaufen, haben aber auch den großen Vorteil, dass die Experimentierfreudigkeit und Innovationsfähigkeit gestärkt werden. Wenn ich mir vorstelle, dass wir demnächst vielleicht fünf digitale Bauantragsverfahren parallel haben, dann können alle Verfahren von diesem Wettbewerb profitieren, auch wenn es eigentlich kein Wettbewerb ist. Der heutige Flickenteppich wird für die Planer deutlich übersichtlicher. Die Zahl der Lösungen wird sich reduzieren.
Am 29. und 30. April 2024 veranstaltet die Technische Hochschule Mittelhessen gemeinsam mit der TransMIT GmbH in Gießen den Kongress Digitale Baugenehmigung. Initiator der Veranstaltung ist Joaquín Díaz.
Die Bundesingenieurkammer e. V. ist „Ideeller Unterstützer des Kongresses“ Digitale Baugenehmigung.
Im ersten Schritt der Digitalisierung stellen wir von der Papierform auf pdf um. Wird das den Genehmigungsprozess schon entscheidend beschleunigen, wenn digital eingereichte Dokumente wieder ausgedruckt, mit händischen Anmerkungen versehen und eingescannt werden?
Diaz: Dieser erste Schritt oder besser Zwischenschritt war nur deshalb notwendig, weil wir uns in Deutschland nicht trauen, digitale Bauwerksmodelle für die Bauvorlage zu verlangen. In den skandinavischen Ländern ist die Akzeptanz für die Einführung neuer digitaler Verfahren deutlich höher. Dänemark hat BIM im öffentlichen Bereich bereits im Jahr 2000 eingeführt. Das IFC-Format wurde 2013 mit dem Inkrafttreten der IKT-Verordnungen 118 und 119 verbindlich. Diese Verordnungen unterstützen die fortlaufende Integration von BIM und IFC in den digitalen Bauantragsprozess und fördern die Nutzung von Technologie als Hauptmaßnahme zur Steigerung der Produktivität im Bausektor. Auch Finnland verfügt über ein funktionierendes modellbasiertes Baugenehmigungsverfahren auf Basis von IFC. Wir machen es uns in Deutschland in einigen Bereichen zu schwer. Wir haben sehr gute Beispiele, wo die digitale Modellprüfung funktioniert. Bei der öffentlichen Prüfung der Berechnung für den Energieausweis erfolgt die Prüfung des digitalen Energiemodells im XML-Format, eigentlich der digitale Zwilling des Gebäudes. Das wird schon seit einigen Jahren erfolgreich eingesetzt. Es funktioniert also.
Viel diskutiert werden die Ausstattung und das Know-how in Planungsbüros und Behörden sowie die Umsetzung der Landesbauordnungen in programmierfähige Prüfregeln. Was sind derzeit die größten Hindernisse einer digitalen Baugenehmigung?
Diaz: Die Ausstattung ist in der Tat das größte Problem. Im Vergleich der deutschen Branchen investiert die Bauwirtschaft fast am wenigsten in Digitalisierung und Tools. Die Ausstattung in den Verwaltungen muss als unterirdisch bezeichnet werden. Diese Defizite müssen dringend behoben werden. Als zweite große Baustelle kann das Know-how angesehen werden. Dadurch, dass die Planer die Prozesse zwar intern sehr gut digital und modellbasiert erstellen, aber nicht mit anderen externen Planern an gemeinsamen digitalen Modellen arbeiten, fehlt diese Kompetenz völlig. Diese Kompetenz ist bei der Einreichung der digitalen Modelldaten für das Bauantragsverfahren sehr hilfreich. Viel zu wenige Absolventen der Hochschulen bringen diese digitale Kompetenz mit.
Die Entwicklung von Regelwerken für die modellbasierte Prüfung wurde bereits von Markus König vorgestellt. Dies ist kein Problem mehr, sondern nur noch eine Fleißarbeit bei der Umsetzung der Regelwerke für die Landesbauordnungen.
Ziel der Digitalisierung ist ja nicht nur die Beschleunigung des Verfahrens, sondern vor allem auch eine Qualitätssteigerung bei den eingereichten Unterlagen. Wird sich eine spürbare Verbesserung erst mit einem BIM-basierten Bauantrag einstellen? Und wann wird dieser kommen?
Diaz: Dies ist ein entscheidender Aspekt! Wenn die gesamte Planung als ein Ergebnis verstanden wird, in dem es keine Widersprüche und keine offenen Fragen hinsichtlich der Bebaubarkeit im Sinne der Baugenehmigung gibt, sinkt das Risiko von Rückfragen bis zur Erlangung der Baugenehmigung erheblich. Die Qualität der einzureichenden Unterlagen kann sinnvollerweise nur durch digitale Bauwerksmodelle erreicht werden, die in der Planung zwischen allen Planungsbeteiligten abgestimmt werden. Sowohl in der Geschwindigkeit als auch in der Qualität gibt es derzeit keine sinnvolle Alternative zum BIM-basierten Bauantrag. Der Einsatz von digitalen Zwillingen ermöglicht eine genauere und umfassendere Dokumentation des gesamten Planungsprozesses, was wiederum die Kommunikation zwischen allen Beteiligten verbessert.
Technisch ist der BIM-basierte Bauantrag bereits heute möglich und in anderen Ländern bereits erprobt. Angesichts der fehlenden Investitionen und des mangelnden Engagements in den Verwaltungen befürchte ich, dass wir noch fünf bis zehn Jahre brauchen werden.
Prof. Dr.-Ing. Joaquín Díaz ist Leiter des Fachgebiets Bauinformatik und Nachhaltiges Bauen an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) in Gießen. Er leitet seit 1999 das Fachgebiet Bauinformatik und Nachhaltiges Bauen sowie seit 2016 den Master-Schwerpunkt 5D/6D-BIM Virtual Design and Construction. Er ist auch Vorstandsmitglied in der Ingenieurkammer Hessen.