Tradition. Fortschritt. Innovation. Unter diesem Motto stand der 24. Bayerische Ingenieuretag. 850 Gäste hörten am 29. Januar 2016 die Vorträge von Prof. Ernst Ulrich von Weizsäcker und Prof. Franz-Josef Radermacher in der Alten Kongresshalle in München.
„Der diesjährige Erfolg zeigt wieder einmal, dass sich der Bayerische Ingenieuretag zum bedeutendsten Branchentreff des Bauwesens in Bayern entwickelt hat“, so der Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, Dr.-Ing. Heinrich Schroeter. Kaum ein Berufsstand stünde stärker für die Begriffe Tradition. Fortschritt. Innovation. Es gelte für die Ingenieure, Bewährtes zu erhalten und aus neuen Entwicklungen und Veränderungen nicht nur Risiken, sondern vor allem auch Chancen zu erkennen. Nur so könne der Fortschritt verantwortungsvoll gestaltet werden. Daher seien Ingenieure auch Brückenbauer der Zukunft. Dipl.-Ing. Helmut Schütz, der Leiter der Obersten Baubehörde und ehemaliger Vizepräsident der Kammer, freute sich über das „Heimspiel“ und das „Wiedersehen mit alten Freunden“. Er informierte über die Bundesautobahngesellschaft, über die derzeit beraten wird, die Herausforderungen durch die Migration und die Entwicklungen bei Vergabe und HOAI. Schütz hob die gute Zusammenarbeit zwischen den Ingenieuren in den bayerischen Planungsbüros, den Baufirmen, der Wissenschaft und den Verwaltungen hervor. Er führte aus, dass bei den sog. großen Baumaßnahmen im Hochbau der Vergabeanteil bei über 85 Prozent läge. 2015 wurden mehr als 7.000 Einzelverträge geschlossen und Honorare in Höhe von insgesamt 170 Millionen Euro ausbezahlt. Im Straßen- und Brückenbau seien 83 Millionen Euro an Honorar ausbezahlt worden. Beim Straßenbau sei der Vergabeanteil in den letzten zehn Jahren deutlich gestiegen– von 33 Prozent auf 53 Prozent.
Mit dem im Oktober 2015 beschlossenen Wohnungspakt Bayern wolle die Bayerische Staatsregierung bis 2019 2,6 Milliarden € bereitstellen, mit denen jedes Jahr bis zu 7.000 staatlich geförderte Mietwohnungen sowie zu einem geringen Teil auch staatlich gebaute Wohnungen entstehen sollen. Dieses Ziel könne nur durch eine gute Zusammenarbeit mit den bayerischen Ingenieuren realisiert werden.
Prof. Dr. Dr. Franz-Josef Radermacher meinte mit einem Augenzwinkern, die Welt brauche eigentlich nur Ingenieure und wenn die so richtig loslegten, sei alles bestens. Auch eine Buchempfehlung, die diese Aussage unterstreicht, hatte er parat: In „Der göttliche Ingenieur“ befasst sich Jacques Neirynck mit der Evolution der Technik.
Radermacher stimmte der Aussage von Dr.-Ing. Heinrich Schroeter, zu, Ingenieure seien professionelle Problemlöser. Doch der „Rebound-Effekt“ erschwere ihr Handeln. Kaum hätten die Ingenieure Probleme gelöst, schafften die Bürger wieder neue, größere Probleme. Jedes gelöste Problem zöge ein größeres nach sich. Denn mit dem Erfolg sei der Zwang verbunden, weiter erfolgreich zu sein. Ein Rückschritt sei nicht mehr möglich. Unsere hochentwickelte Gesellschaft könne nicht einfach in das Stadium der Jäger und Sammler zurückkehren. Die Herausforderungen, denen wir gegenüberstünden, seien auch deswegen so komplex, weil Veränderungen in einem laufenden System nötig seien. Zudem erfolgten Innovationen so schnell, dass sie nicht wie früher erst von der Folgegeneration bewältigt werden müssten. Inzwischen müsse ein- und dieselbe Generation mehrfach fundamentale Innovationen meistern. Doch leider seien die politischen Strukturen langsamer als das individuelle Gehirn.
Die Hälfte des Wohlstands, den die Menschen hätten, seien Bauwerke bzw. umbauter Raum, so Radermacher. Da, weltweit betrachtet, die Bevölkerung massiv wachse, gleichzeitig aber durch den Klimawandel Lebensraum verloren gehe, bedürfe es dringend neuer Technologien. Wichtigste Aufgabe der Ingenieure sei es daher, neue Energiesysteme zur Verfügung zu stellen und Energiereichtum zu schaffen.
In Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäckers Vortrag ging es um Big Data und Nachhaltigkeit. Er zitierte den amerikanischen Autor und Erfinder Ray Kurzweil, der prognostiziert, dass die Computer 2029 den Menschen geistig überholt hätten und eine sich selbst beschleunigende Wirkung einsetzen würde. Big Data drohe die Ingenieure überflüssig zu machen.
Kritisch zu sehen sei auch die Entwicklung der ökologischen Fußabdrücke. Hätten alle sieben Milliarden Bewohner der Erde denselben Ressourcenverbrauch wie die Amerikaner, bräuchte es fünf Erdbälle. Nur wenn die Energiewende gelinge, könnte die wachsende Weltbevölkerung mit einem guten Lebensstandard existieren. Das Schicksal der Energiewende entscheide sich dabei an der Frage, wie teuer oder billig Energie sei. Je effizienter etwas sei, desto stärker werde es nachgefragt. Dadurch würde es billiger und für den Markt wieder weniger interessant. Hier liege das Problem. „Ethik ist irgendwie einfacher, wenn man damit Geld verdient“, so von Weizsäcker. Die Lösung des Nachhaltigkeitsproblems liege in einer Verfünffachung der Ressourcenproduktivität. Außerdem sei „political engineering“notwendig.
Nötig seien zudem, so Kammervizepräsident Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Norbert Gebbeken in seinem Schlusswort, interdisziplinäre Arbeitsgruppen zum Klimawandel, in denen auch Ingenieure vertreten sind. Große Herausforderungen bedeuteten auch eine große Verantwortung, der sich die Ingenieure stellen.
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