Kammern und Verbände gegen Abschaffung der mittelstandsgerechten Losvergabe am Bau

Deutliche Kritik am vom Bundeskabinett Ende November beschlossenen Vergabetransformationsgesetz

Berufspolitik
Vergaberecht
Bundesarchitektenkammer (BAK), Bundesingenieurkammer (BIngK) und Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) lehnen die im Vergabetransformationsgesetz vorgesehene Aufweichung des Gebots der mittelstandsgerechten Losvergabe ab. Sie befürchten in der praktischen Auswirkung dieser Aufweichung letztlich die Abschaffung dieses seit Jahrzehnten bewährten Grundsatzes, obwohl vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) nur als „Flexibilisierung mit Augenmaß“ bezeichnet.

BAK, BIngK und ZDB fordern geschlossen, dass die geplante Gesetzesänderung nicht in dieser Form umgesetzt wird, sondern es beim Planen und Bauen beim bewährten Prinzip der losweisen Vergabe bleibt.

So sieht § 97 Absatz 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bislang vor, dass mehrere Teil- oder Fachlose nur dann zusammen vergeben werden dürfen, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung soll es hingegen zum einen ausreichen, dass diese Gründe eine Gesamtvergabe rechtfertigen. Damit ist eine erhebliche Absenkung der Begründungs- und Dokumentationspflichten verbunden. Zum anderen sollen künftig zeitliche Gründe für die Zulässigkeit von Gesamtvergaben ausreichen. Hierdurch wird der Vorrang der Losvergabe massiv entwertet.

BAK, BIngK und ZDB lehnen daher eine flächendeckende, undifferenzierte Quasi-Abschaffung der mittelstandsgerechten Vergabe mit aller Entschiedenheit ab. Jedenfalls im Bereich des Planens und Bauens muss der Losgrundsatz nicht nur beibehalten, sondern vielmehr gestärkt werden. Dies gilt insbesondere, soweit Gesamtvergaben sowohl die Planung als auch das Bauen erfassen.

Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer:
„Öffentliche Auftraggeber werden diese Änderung im Zweifel als vollständige Freigabe der General- bzw. Totalunternehmervergabe begreifen und hiervon bedingungslos und umfangreich Gebrauch machen. Die fachlich unabhängigen, allein dem Auftraggeber und dem Gemeinwohl verpflichteten Planerinnen und Planer werden damit im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe unverhältnismäßig benachteiligt. Denn, bei welchem öffentlichen Bauvorhaben werden sich keine zeitlichen Gründe finden lassen, um von der Losvergabe abzuweichen?“

Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer:
„Der Grundsatz der losweisen Vergabe als Regelfall muss unbedingt beibehalten und die Abweichung davon deutlich begrenzt werden. Daneben muss eine Entschlackung des Vergaberechts sowie die Einführung eines alternativen Beschaffungsmodells kleinen und mittelständischen Planungsbüros eine leichtere Teilnahme am Markt ermöglichen.“

Wolfgang Schubert-Raab, Präsident Zentralverband Deutsches Baugewerbe:
„Knapp 80 Prozent aller Bauunternehmen in Deutschland haben weniger als 20 Mitarbeiter, etwa 96 Prozent der Bauunternehmen weniger als 50 Mitarbeiter. Genau diese Unternehmen stellen den Adressatenkreis einer mittelstandsgerechten Auftragsvergabe dar. Der Vorrang der Losvergabe sichert ihnen bislang den unmittelbaren Zugang zu öffentlichen Aufträgen und schafft damit einen breiten Wettbewerb. Mit diesem Gesetzentwurf wird die Auftragsvergabe konzerngerecht – zu Lasten heimischer Unternehmen und ihrer Beschäftigten.“

Gegen die geplante Reform des Vergaberechts spreche außerdem, dass derzeit eine Reform der EU-Vergaberichtlinien erarbeitet wird. Parallel hierzulande eine Reform des Vergaberechts anzustoßen, kurz bevor es auf der Grundlage neuer europäischer Vorgaben ohnehin überarbeitet werden muss, sei kontraproduktiv und werde zu jahrelanger Unsicherheit führen.

Eine mittelstandsfeindliche Vergabe betreffe nicht nur die fast 200.000 Architektinnen und Architekten, Stadtplanerinnen und Stadtplaner sowie Ingenieurinnen und Ingenieure, sondern ebenso zahllose kleine und mittlere Betriebe der Bauwirtschaft und des Handwerks.

Alternatives Beschaffungsmodell

„Gemeinsame Vergabe von Aufträgen für Planungs- und Bauleistungen, kombiniert mit Fachlosbildung: Funktionsweise und Rechtskonformität eines alternativen Beschaffungskonzepts (v.a. bei kommunalen Investitionsvorhaben für Klimaschutz, sozialer Infrastruktur, Sanierung etc.) nach Streichung des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV“
zum Gutachten

Autor: Professor Dr. iur. Martin Burgi, Ordinarius für Öffentliches Recht und Europarecht, Leiter der Forschungsstelle für Vergaberecht und Verwaltungskooperationen an der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität, München

Rechtsgutachten im Auftrag von Bundesingenieurkammer (BIngK), Bundesarchitektenkammer (BAK), Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e.V. (AHO) und Verband Beratender Ingenieure (VBI)

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