Energetische Standards im Vergleich

Forschungsprojekt Square

Bauplaner 11/2022
Themen
Hochbau
Wohnen und Betreuen
Green Engineering: Umwelt, Energie, Mensch
Energie • Klima • Dämmung

Auf der Konversionsfläche Franklin in Mannheim hat die städtische Wohnungsbaugesellschaft GBG zwei Mehrfamilienhäuser nach unterschiedlichen energetischen Standards und Technikkonzepten saniert. Ziel des Forschungsvorhabens "Square" ist es, die Energieverbräuche im realen Betrieb über drei Jahre zu vergleichen und integrierte Lösungen zur CO2-Minderung auf Quartiersebene aufzuzeigen.

Im Mannheimer Stadtteil Käfertal entsteht bis voraussichtlich 2025 der neue Stadtteil Franklin. In dessen Zentrum hat die GBG-Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft mbH als Tochterunternehmen der Stadt Mannheim mit dem Projekt Square (Smart Quarter and Urban Area Reducing Emissions) zwei baulich identische Bestandsgebäude mit jeweils 24 Wohnungen zu ökologischen Modellhäusern entwickelt: Das Gebäude „Square now“ wurde gemäß den Anforderungen der EnEV 2014 (Stand 01.01.2016) saniert, „Square next“ erfüllt die Anforderungen in Anlehnung an den EnerPHit Plus Standard des Passivhaus Instituts Darmstadt. Mit dem Projekt soll Wissen erarbeitet werden, wie mit netzreaktiven Niedrig-, Null- und Plusenergiehäusern inklusive der Speichertechnologien für Strom, Wärme und Kälte sowie den damit verbundenen Themen Energie- und Lastmanagement, Smart Grid, Smart Home und Teilnahme am Strom-Regelmarkt umgegangen werden kann. Das Projekt wird durch das Förderprogramm „Klimaschutz mit System“ des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) finanziell unterstützt.

Unterschiedliche Energie- und Technikkonzepte
In den beiden baugleichen Wohngebäuden wurden unterschiedliche energetische Standards und Technikkonzepte realisiert. Ziel ist es, den CO2-Ausstoß in Square next zu minimieren und die Zielerreichung im realen Betrieb über ein intelligentes Monitoring den Verbräuchen einer Standardsanierung in Square now gegenüberzustellen. Dazu werden Verbräuche und das Nutzerverhalten aller Wohnungen über einen Zeitraum von drei Jahren detailliert erfasst und ausgewertet. Für einen ganzheitlichen Planungs- und Realisierungsansatz hat die GBG das Unternehmen Drees & Sommer als General Construction Manager (GCM) beauftragt, inklusive des Energiemonitorings. In Square next (EnerPHit Plus) kommen Photovoltaikanlagen mit 38 kWp und Hybrid-Kollektoren mit 52 kWpel und 122 kW thermischer Leistungsfähigkeit zum Einsatz, dazu ein Lithium-Ionen-Batteriespeicher mit 76 kWh Speicherkapazität sowie ein Eisspeicher mit ca. 250 m3 Fassungsvermögen für die Speicherung thermischer Energie. Eine zentrale Wärmepumpe, welche den Eisspeicher als Quelle nutzt, stellt Wärme mit ca. 40°C zur Verfügung. In Wohnungsübergabestationen erfolgt die Vorwärmung des Trinkwarmwassers über die zentral bereitgestellte Wärme im Durchlaufprinzip. Integrierte elektrische Durchlauferhitzer wärmen das Trinkwarmwasser auf die erforderliche Zapftemperatur von ca. 55°C nach. Hinzu kommen Fußbodenheizungen in allen Räumen und eine kontrollierte Wohnungslüftung über dezentrale RLT-Geräte mit Wärmerückgewinnung pro Wohnung.

Das zweite Gebäude, Square now (EnEV 2014), ist an das Fernwärmenetz angeschlossen. Zusätzlich erhielt es eine Photovoltaikanlage mit 88 kWp und einen Batteriespeicher mit 153 kWh, da mit dem Förderprogramm des EFRE als Ziel vorgegeben war, auf dem Areal die aus regenerativen Energiequellen bereitgestellte Leistung um 552 kW zu erhöhen. Die Wohnungen verfügen gemäß GBG-Standard über dezentrale Übergabestationen pro Wohnung für die Beheizung über Heizkörper. Die Trinkwarmwasserbereitung erfolgt dezentral im Durchlaufprinzip, ebenfalls über die mit Fernwärme versorgten Wohnungsübergabestationen. Ein gemeinsamer Anschluss an das öffentliche Stromversorgungsnetz sowie eine projektinterne Stromverbindung ermöglichen ein Mieterstrommodell in den beiden Gebäude Square next und Square now.
Ein zum Projekt gehörender Neubau, die sogenannten Laubenganghäuser, verfügt über eine Photovoltaikanlage mit 210 kWp und einen Lithium-Ionen-Batteriespeicher mit 470 kWh Ladekapazität. Für die Elektromobilität stehen 12 Ladepunkte für Elektro-Pkw mit jeweils maximal 11 kW Ladeleistung in der Parkebene zur Verfügung.

Integrierter Energie-Tacho
Zur Vermeidung des Rebound-Effektes – der Vernachlässigung energiesparender Verhaltensweisen aufgrund des Wissens um eine energieeffiziente und energiesparende Umgebung – enthält jede Wohnung in SQUARE next einen Energie-Tacho, das sogenannte EnerTouch: Über einen Touchscreen im Eingangsbereich erhalten die Nutzer laufend Rückmeldung zu ihrem Strom-, Wasser- und Wärmeverbrauch – und wie sich der Verbrauch im Vergleich zum vorausberechneten Zielwert der Wohnung verhält. Der Zielwert wurde im Vorfeld über Simulationen ermittelt, wird aber dynamisch angepasst und berücksichtigt eventuelle Änderungen der Personenanzahl. Der Heizwärmeverbrauch wird bezogen auf den Zielwert witterungsbereinigt. Über den Vergleich soll ein zusätzlicher Anreiz zur effizienten Nutzung der Systeme in den Wohnungen geschaffen werden. Beim EnerTouch handelt es sich um eine maßgeschneiderte, von Drees & Sommer entwickelte Lösung für das Projekt SQUARE, da auf keine bestehende Lösung auf dem Markt zurückgegriffen werden konnte.

Dreijähriges Monitoring
Zusätzlich zum lokalen Managementsystem der Gebäudeautomation kommt für das wissenschaftliche Energiemonitoring ein von Drees & Sommer entwickeltes Energiemanagementsystem (EMS) zum Einsatz. Im EMS fließen automatisiert sämtliche Betriebsdaten der technischen Anlagen zusammen, wie Leistungsbedarf, Temperaturen, Volumenströme, Schaltzustände, Zustände der Speicher, Leistungsdaten der Erzeuger und Verbraucher, Energieverbräuche und Außenluftbedingungen. Eingebaute Referenzmodelle ermöglichen es, jederzeit Referenzwerte zu den Messwerten der Anlage zu generieren und die gemessenen Werte im Hinblick auf einen energieoptimalen Betrieb zu bewerten.

Beispielsweise berechnet das EMS monatliche CO2-Äquivalente für beide Gebäude. Bei SQUARE next ergibt sich das CO2-Äquivalent ausschließlich aus dem Stromverbrauch als einzige extern bezogene Energie. Bei SQUARE now ermittelt sich das CO2-Äquivalent aus dem externen Strombezug sowie der bezogenen Fernwärme. Über eine automatisierte Reporting-Funktion generiert das EMS Energie- und Anlagenberichte als PDF-Dateien, die zum Beispiel im Rahmen eines Nachhaltigkeitsreportings genutzt werden können.

Aktiver Einbezug der Nutzer
Um das Potenzial des nachhaltigen Konzeptes in SQUARE next voll auszuschöpfen, ist neben einem optimalen Betrieb der Anlagentechnik ein optimales Nutzerverhalten erforderlich. Dazu werden die Bewohner geschult. Auf Basis der erfassten und ausgewerteten Daten aus dem EMS erhalten sie Rückmeldungen zu den Energieverbräuchen und Hinweise zur Optimierung ihres Verhaltens. Der Energieverbrauch wird über die erfassten Daten durch den Einsatz von statistischen Berechnungsmodellen nutzungsbereinigt. Nur damit wird es möglich, belastbare Resultate zu bekommen, die zeigen, ob die prognostizierten Einspareffekte in der Realität zum Tragen kommen.

Erste Erkenntnisse aus dem Energiemonitoring
Ein Zwischenbericht aus dem Frühjahr 2022 zeigt auf, dass sowohl das CO2-Äquivalent als auch der Primärenergiebedarf von SQUARE next (EnerPHit) im untersuchten Zeitraum um rund 62 Prozent unter dem des SQUARE now (EnEV 2014) lagen. Allerdings waren im ersten Halbjahr 2021 im Gebäude SQUARE next weniger Wohnungen vermietet als in SQUARE now, sodass die Vergleichbarkeit und Aussagekraft der ersten Auswertungen eingeschränkt ist. Nicht zu vernachlässigen ist außerdem der Einfluss der Corona-Pandemie: Längere Aufenthaltszeiten der Bewohner in den eigenen Räumen durch Homeoffice und eingeschränkte Freizeitmöglichkeiten außer Haus schlagen sich zwangsläufig in den Verbräuchen nieder. Zudem bilden die Verbräuche der einzelnen Wohnungen erwartungsgemäß individuelle Nutzerverhalten und Gewohnheiten ab, die sich auf die Messwerte auswirken und bei der Auswertung entsprechend berücksichtigt bzw. bereinigt werden müssen. Weitere Ergebnisse aus dem Monitoring werden 2023 erwartet.

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