Schwierig wird der Brandschutz im Holzbau erst ab einer Gebäudehöhe von mehr als 7,0 m, also für die Gebäudeklassen 4 und 5. Für diese Bauten gelten baurechtlich weitergehende Vorgaben. Einen möglichen Lösungsansatz für den Brandschutz im Holzbau der Gebäudeklasse 4 mit sichtbaren Holzoberflächen in Verbindung mit einem flexibel nutzbaren über alle Geschosse führenden Atrium zeigt das Projekt „erlebnisreich wohnen“ in Balingen. Der Wunsch nach einfachen Lösungen, möglichst wenig Anlagentechnik und flexibler Nutzungsmöglichkeit war Bestandteil der Brandschutzplanung. Die Anforderung, die Konstruktion und somit das verwendete Material Holz sichtbar zu belassen und zeigen zu können, war ebenfalls Teil der Aufgabenstellung. Der dreigeschossige Neubau wird in die Gebäudeklasse 4 eingestuft und beherbergt insgesamt 29 Wohneinheiten. Vom Erdgeschoss bis in das 2. Obergeschoss wurde in der Gebäudemitte ein Atrium ausgeführt. Das Atrium dient als Ort der Zusammenkunft und Kommunikationsbereich für die Gebäudenutzer. Zu den Wohnungen sind vom Atrium aus Massivholzwände mit Öffnungen (Türen und Fenster) ausgeführt. Zu den Außenbereichen ist das Atrium verglast.
Atrium als Blickfänger
Den oberen Abschluss des Atriums stellt eine Massivholzdecke mit unmittelbar über dem Luftraum im Dach seitlich angeordneten vertikalen Glaselementen dar. Ein in jedem Geschoss angeordneter umlaufender Gang erschließt horizontal die drei notwendigen Außentreppen und die Wohnungen. Die Bewertung des Atriums erfolgt analog zu einem offenen Gang im freien Luftstrom, wodurch im Falle eines Brandereignisses eine wirksame Rauch- und Wärmeableitung obligatorisch sichergestellt und nachgewiesen werden muss. Die Rettungswege müssen also für die Zeit der Selbstrettung sowie für die Brandbekämpfung der Feuerwehr nutzbar sein. Hierfür muss eine ausreichend hohe raucharme Schicht sichergestellt sein. Die Temperaturbelastung im Bereich der Rettungswege muss ebenfalls untersucht werden, um die Gleichwertigkeit und somit Einhaltung der Schutzziele analog zu einem offenen Gang nachzuweisen. Die weitere grundlegende schutzzielorientierte Konzeption besteht aus der Unterteilung des Gebäudes in viele kleine Nutzungseinheiten mit Flächen von 40 m2 bis 100 m2 und somit der Begrenzung des Schadensausmaßes auf einen überschaubaren Bereich und eine geringe Fläche, die mittels eines Löschangriffes durch die Feuerwehr gut beherrschbar ist. Die übersichtliche Rettungswegführung und klare Strukturen ermöglichen eine schnelle Selbstrettung der Bewohner. Die Treppen sind als notwendige Außentreppen in Stahl ausgeführt und bieten ausreichend lang gesicherte Rettungswege.
Durchdachte Rettungswege
Die gute Haupterschließung des Gebäudes erfolgt im Untergeschoss sowie Erdgeschoss über mehrere direkte Zugänge in das Gebäude. Die vertikale Erschließung erfolgt im Untergeschoss über eine interne Verbindungstreppe zwischen dem Untergeschoss und dem Erdgeschoss. Die vertikale Erschließung der Obergeschosse erfolgt über Außentreppen, die gegenüberliegend angeordnet werden. Die horizontale Erschließung erfolgt über Flure und allgemeine Verkehrsflächen sowie die umlaufenden Gänge innerhalb des Atriums. Dadurch entstehen für alle Bereiche sehr kurze Rettungswege, die unmittelbar ins Freie zu den Außentreppen führen. Zusätzlich wird innerhalb des Atriums eine interne Erschließungstreppe zwischen den Geschossen eingeplant, diese dient jedoch nicht als Rettungsweg. Der zweite Rettungsweg wird für die beiden Obergeschosse durch die Rettungsgeräte der Feuerwehr über die Loggien und Fenster sichergestellt. Die Verwendung von Holz an den Außenwänden hat in Bezug auf den Brandschutz auch Auswirkung auf die Gestaltung. So muss die geschossweise Unterteilung sichergestellt werden, die durch Integration von Fenstersimsen und Balkonplatten in die umlaufende Brandsperre aus Stahlblech erfolgt ist. Dadurch wird die Hinterlüftungsebene unterbrochen. Die nicht tragenden Außenwände in Holzbauweise sind raumabschließend hochfeuerhemmend ausgeführt, sodass eine normalentflammbare Unterkonstruktion und Außenwandbekleidung realisiert werden konnte. Damit eine Brandweiterleitung im Be- reich der Außenwände aus Holz unterbunden werden kann, sind die horizontal verlegten massiven Holzbauteile der Decke bis nach außen geführt. Durch die in die Fassade integrierten Stahlstützen als Auflager der Balkonplatten wird die Fassade auch vertikal unterteilt, so dass die Fassade in Verbindung mit den geschossweisen horizontalen Brandsperren in kleine Flächen gegliedert und somit eine Brandausbreitung verhindert wird.
Wenig Anlagentechnik
Die brandschutzbedingte Anlagentechnik beschränkt sich auf den Rauchabzug mit Zuluftöffnung im Atrium, deren Parameter mit Hilfe der Ingenieurmethoden aus- gelegt wurden. Rauchwarnmelder in Schlafräumen der Wohnungen sind gesetzlich sowieso vorgesehen, diese Anforderung wurde mit funkvernetzten Rauchwarnmeldern für die Wohnungen und das Atrium ergänzt, so dass Personen im Gebäude rechtzeitig gewarnt werden und die Selbstrettungsphase frühzeitig beginnen kann. Teil des Brandschutzkonzeptes ist eine sehr gute Zugänglichkeit zum Grundstück und Gebäude für die Rettungskräfte und gleichzeitig geringe Eindringtiefe ins Gebäude selbst. So kann auch der zweite Rettungsweg über anleiterbare Stellen und die Rettungsgeräte der Feuerwehr (4teilige Steckleiter) sichergestellt werden. Es sind auf dem Gelände entsprechend Zugänge und Stellflächen vorgesehen worden. Zur Optimierung der Brandbekämpfung durch die zuständige Feuerwehr wurde es notwendig, einsatztaktische Vorgaben sowie Objekt- und Einsatzinformationen zu erarbeiten, damit die Feuerwehr die richtigen Maßnahmen im Einsatzfall ergreifen und die Gefahrenschwerpunkte sofort erkennen kann. Ein Feuerwehrplan als Übersicht wurde in Abstimmung mit der zuständigen Feuerwehr bzw. Brandschutzdienststelle zu diesem Zweck gefertigt. So kann gewährleistet werden, dass z. B. die Angriffs- und Bewegungsflächen der Feuerwehr schnell aufgefunden werden und ortsspezifische Anforderungen wie z. B. der Rauchabzug im Atrium für die Einsatzkräfte bekannt sind.
Fazit
Wenn alle Beteiligten, einschließlich der Genehmigungsbehörde und Brandschutzdienststelle, wie in diesem Fall an einem Strang ziehen und als Ziel ein gutes Projekt haben, führt dies zum Erfolg. Es bedarf einer intensiven Abstimmung und großem Austausch, um die noch vorhandenen Vorbehalte im Brandschutz gegenüber dem Baustoff Holz auszuräumen. Der moderne Holzbau ist dem klassischen Massivbau bereits in weiten Teilen ebenbürtig. Es bedarf noch vieler Erfahrungswerte bei Planern und Baurechtsbehörden im Holzbau, die z. B. durch Referenzobjekte gewonnen werden können. Dazu ist von den Projektbeteiligten Offenheit auch gegenüber alternativen Nachweisverfahren und auf den ersten Blick unkonventionellen Ansätzen erforderlich. Das gemeinsame Erarbeiten von projektbezogenen Regeldetails wird zudem zukünftig im Planungsprozess an Relevanz gewinnen. Die Forschung ist seit einiger Zeit dabei, den Holzbau mit validierten Grundlagen zu versorgen, die in den Projekten übernommen und dort angewandt werden können. Die Fertigungsmethoden fordern im Holzbau ein großes Maß an Planungstiefe und großer Sorgfalt, bieten aber im Gegenzug eine hohe Genauigkeit. Dies sollte sich auch der Brandschutz zunutze machen z. B. aufgrund der Genauigkeit von Bauteilfügungen bei der Fugenausbildung für Lösungen zur Verhinderung des Übertrages von Feuer und Rauch.