Der Name „Avling“ bedeutet auf Norwegisch „Ernte“. Treffender hätte die Namensgebung von Max Meighen, Gründer und Inhaber der Avling Kitchen and Brewery, nicht sein können. Der Koch und Bierbrauer Meighen stellte sich die Frage, ob auch eine Brauerei Teil der „farm-to-table“-Bewegung sein könnte. Diese Bewegung geht auf US-amerikanische Gastronomen zurück, die nur regionale und dadurch frischeste Produkte in ihrer Küche verwenden, weil diese deutlich besser schmecken.
Die Regionalität der „farm-to-table“-Idee bezieht sich auf das ganze Spektrum von Anbau, Ernte, Lagerung, Verarbeitung, Absatz (lokale Bauernmärkte) bis zum Verbrauch. Ein Wegbereiter und Vertreter dieser Bewegung ist Dan Barber, der in seinem Buch „The Third Table. Field Notes on the Future of Food“ (2014) neue Ansätze für Landwirtschaft und Ernährung als Alternative zur industriellen Nahrungsmittelproduktion beschreibt. Inspiriert von diesem Gedankengut machte sich Max Meighen auf die Suche nach einem geeigneten Standort für seine Idee einer „farm-to-table“-Brauerei. Fündig wurde er in der Queen Street East in Leslieville, dem östlichen Stadtteil von Toronto.
Toronto ist mit knapp 3 Millionen Einwohnern die größte Stadt Kanadas und Hauptstadt der Provinz Ontario. Inmitten dichter städtischer Bebauung fand Meighen ein renovierungsbedürftiges Gebäude aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Vormals ein Lebensmittelgeschäft wurde das unwirtliche insgesamt 975 m² große Gelände zuletzt zum Anbau von Sojasprossen genutzt.
Neues entsteht
Das Lee and Macgillivray Architecture Studio, kurz LAMAS, aus Toronto plante die Transformation des zweistöckigen Gebäudes gemäß den Ideen von Max Meighen. Um den Menschen die Bierherstellung präsentieren zu können, sollte Raumhöhe entstehen für mehrere 4,8 Meter hohe und 4.000 Liter fassende Gärtanks der Brauerei. Neben der Brauerei ist das Restaurant ein wesentlicher Bestandteil und nicht zuletzt der 400 m² große Dachgarten, welcher schmackhafte Zutaten für beide Geschäftsfelder liefert. Die geplante Dachbegrünung erforderte genauso wie der Geschossausschnitt für die Raumhöhe eine genaue statische Berechnung.
Um die nötige Tragfähigkeit zu erzielen, hat man die Stahlmenge im Gebäude fast verdoppelt. Das Dach selbst besteht aus einer Holzkonstruktion, welche eine Dämmung aus Steinwolle sowie eine wurzelfeste Dachabdichtung erhielt. Um das 2-%-geneigte Dach jetzt als Anbaufläche nutzen zu können, benötigte es einen auf die Nutzpflanzen angepassten Systemaufbau. Diesen lieferte ZinCo mit seiner in Kanada ansässigen Tochterfirma ZinCo Canada Inc.
Der Name ist Programm
Passenderweise heißt der ZinCo-Systemaufbau „Urban Farming“ und bietet ideale Wachstumsbedingungen auf dem Standort Dach. Obwohl der Zugang zum Dach aufgrund baulicher Gegebenheiten eingeschränkt war, konnte die Firma Ginkgo Sustainability Inc. sämtliche Begrünungsarbeiten innerhalb von zwei Wochen ausführen. Der Systemaufbau startete mit der Wurzelschutzfolie WSF 40 sowie der Speicherschutzmatte SSM 45. Darauf folgte das 40 mm hohe Drän- und Wasserspeicherelement Floradrain FD 40 als Kernstück im Mehrschichtaufbau. Dieses speichert Regenwasser in seinen oberseitigen Mulden und führt Überschusswasser dank unterseitigem Kanalsystem sicher den Dachabläufen zu. Dieser Wasser-Lufthaushalt ist für die dauerhafte Etablierung der Pflanzen entscheidend.
Es folgte das Systemfilter TG, um das Einschwemmen von Feinteilen aus der Substratschicht zu verhindern, sowie eine zusätzliche Lage Geogitter zum Schutz vor zu heftigen Spatenstichen. Die eigentliche Substratschicht ist nämlich im überwiegenden Bereich runde 20 cm hoch, sodass eifrige Gartenarbeiter mit ihren Gerätschaften schnell mal bis zur Dränschicht vordringen könnten.
Mitten über das Dach führt ein geradliniger Hauptweg, dessen Betonplatten auf Kies gebettet sind und sich gegenüber den Pflanzbereichen durch Winkeltrennprofile abgrenzen. Durch die Auflast der Substratschicht bleiben die Trennprofile an Ort und Stelle. Nach außen hin zum Dachrand sind beidseitig Hochbeete mit etwa 60 cm hohen Holzumrandungen realisiert, in denen auch tiefer wurzelnde Pflanzen genügend Platz finden. Ideal für den Gemüse- und Kräuteranbau ist die Systemerde „Rasen“ aufgrund ihrer höheren organischen Anteile. Angeliefert im Silozug wurde diese zügig aufs Dach geblasen und verteilt.
Bio und nachhaltig
Erklärtes Ziel von Avling Kitchen and Brewery ist eine nachhaltige biologische Landwirtschaft mit einer großen Artenvielfalt an heimischen Pflanzen. Dazu gehören Kräuter (wie Basilikum, Melisse, Oregano, Rosmarin), Gemüsesorten (wie Bohnen, Mangold, Okra, Kürbis), Getreide (Hafer) und Pseudo-Getreide (Amaranth, Buchweizen) und natürlich der Hopfen. Auch Blumen (wie Kapuzinerkresse, Sonnenblumen, Zinnien) dürfen nicht fehlen, da diese für ein gesundes Ökosystem genauso wichtig sind, schließlich locken sie Schmetterlinge und Bienen an. Beim Anbau spielt die Fruchtfolge eine Rolle, also der Wechsel der Anbauflächen für die jeweilige Nutzpflanzenart im zeitlichen Verlauf. Die Pflanzenauswahl wird auch dahingehend getroffen, dass im Jahresverlauf möglichst lange geerntet werden kann (vom zeitigen Frühjahr bis in den Dezember). Die stets frische Ernte landet direkt in der Restaurant-Küche und macht das Erfolgsrezept von Avling Kitchen aus.
Das Gärtnerteam von Avling pflegt bei seinen Aktivitäten enge Zusammenarbeit mit der Ecological Farmers Association von Ontario und mit den Minikaan, einer Gruppe indigener Bauern. Dabei geht es um in Kanada endemische Pflanzenarten, die sich am besten für diesen Standort eignen. Kompostierte Küchenabfälle dienen der natürlichen Düngung und damit dem Erhalt der Bodengesundheit.
Avling Kitchen and Brewery ist derzeit auch Forschungspartner von ZinCo Canada Inc., um Daten zur Bodenverbesserung durch die Verwendung von FLL-Substraten auf Urban Farming-Dächern zu gewinnen. Diese Partnerschaft ist die erste ihrer Art in Kanada und wird mit Sicherheit einen tiefen Einblick geben in die Wissenschaft zur Landwirtschaft auf Dächern und die Möglichkeiten, die sie in dichten städtischen Gebieten bietet.
Craft-Bier mit besonderer Note
Craft-Bier, also handwerklich gebrautes Bier, ist ein großer Trend in Toronto. Das Besondere an den Craft-Bieren der Avling Brewery sind ihre regionalen Zutaten. In jedem Bier werden mindestens 15 bis 20 Prozent Getreide aus Ontario verwendet und 95 Prozent der Früchte, Gewürze und Bitterstoffe stammen aus Ontario oder Quebec. Direkt vom eigenen Dach kommen Hopfen und Zutaten wie Zitronenthymian, Ananassalbei oder Ringelblume. Die Avling Biere sind so außergewöhnlich und saisonal wie ihre Zutaten und der Erfolg gibt Meighen Recht: nach der Eröffnung der Avling Kitchen and Brewery 2019 gab es schon im Juli 2020 den „Best New Toronto Brewery Award“.
Der Kreis schließt sich
Durch die Kombination von Brauerei und Dachgarten ergibt sich ein weiterer Synergieeffekt, da das nährstoffreiche Abwasser der Brauerei gesammelt und zur Bewässerung auf dem Dach verwendet wird.
Brauen verbraucht nämlich sehr viel Wasser, in der Regel zwischen drei und acht Liter Wasser pro hergestelltem Liter Bier. Nun werden im direkten Brauprozess verstärkt biologische Stoffe wie Hefen, Stärke und Zuckerverbindungen in das Abwasser eingeleitet. Dieses wird bei Avling in ein sauerstoffreiches Aufbereitungssystem geleitet, welches den Zucker aufspaltet und damit hochwertiges Wasser für die Bewässerung des Dachgartens generiert. Wieder ein tolles Beispiel für Kreislaufwirtschaft.
In Kontakt
Das Erfolgsrezept von Avling Kitchen and Brewery ist neben der besonderen Qualität seiner Produkte sicher auch seine Authentizität und Nahbarkeit. Besucher können nicht nur ins Restaurant gehen oder die lokalen, saisonalen Produkte kaufen, sondern auch die Brauerei oder den Dachgarten besichtigen. Zahlreiche Garten-Workshops stehen auf dem Programm für Anfänger bis Fortgeschrittene, zum Beispiel über Kräuterverwendung, Bestäubung oder Guerilla Gardening. Auch für private oder geschäftliche Events stehen die Türen bei Avling offen.
Max Meighen ist es gelungen, seine Überzeugungen und Ideale in Bezug auf eine nachhaltige und lokale Lebensmittelerzeugung und Gastronomie zu verwirklichen. Der Dachgarten spielt dabei die entscheidende Rolle.
Übrigens hat Meighen schon neue Ideen für einen zweiten Standort im Sinn. Dabei geht es um Aquaponik, also um die Verbindung von Fischzucht in Aquakultur und der Kultivierung von Nutzpflanzen mittels Hydrokultur. Das System funktioniert, indem Exkremente aus der Fischzucht als Nährstoffe für die Pflanzen verwendet werden. Und auch das ist natürlich auf Dächern möglich. Es bleibt also spannend!
BAUTAFEL
Bauprojekt: Avling Kitchen and Brewery, 1042 Queen Street East, Leslieville, Toronto, ON M4M 1K4, Kanada
Bauherr: Max Meighen, Avling Kitchen and Brewery
Baujahr: 2019/2020
Dachfläche: ca. 400 m²
Begrünungsaufbau: ZinCo-Systemaufbauten „Urban Farming“ mit Floradrain® FD 40
Architekt: LAMAS Architecture Ltd., Toronto, ON M6G 3G8, Kanada
Ausführung Dach: Nortex Roofing Ltd., Etobicoke, ON M9W 1N1, Kanada
Ausführung Begrünung: Ginkgo Sustainability Inc., Etobicoke, ON M8Z 2R4, Kanada
Systemlieferant: ZinCo Canada Inc., Carlisle, ON L0R 1H0, Kanada
Systemhersteller: ZinCo GmbH, 72622 Nürtingen, Deutschland