In Deutschland fallen jedes Jahr zwischen sieben und acht Millionen Tonnen Altholz an. Das größte Potenzial für eine Wiederverwendung stellt Altholz aus Bau- und Abbrucharbeiten, konkret Dachstühle, Deckenbalken und Fertigbauelemente, dar. Dabei werden jedoch nur zirka 20 Prozent weiter genutzt und vor allem zu Spanplatten verarbeitet, aus denen dann neue Möbel und Türen hergestellt werden können. Der Großteil wird allerdings thermisch zur Energiegewinnung verwertet.
„Im Fokus sollte jedoch stehen, den Rohstoff Holz nachhaltig und ressourceneffizient zu nutzen und deshalb mehrfach zu verwenden“, sagt Professor Mike Sieder, Leiter des Instituts für Baukonstruktion und Holzbau (iBHolz) der TU Braunschweig. Bei dieser sogenannten „Kaskadennutzung“ bleibt der im Holz gespeicherte Kohlenstoff möglichst lange über das Baumleben hinaus in Holzprodukten gespeichert, bis das nicht mehr sinnvoll verwertbare Holzmaterial zur Energiegewinnung verbrannt und das gebundene Kohlendioxid (CO2) am Ende des langgestreckten Nutzungs- bzw. Lebenszyklus wieder freigesetzt wird.
Komplexer Materialmix im vorgefertigten Bauen
Im Mittelpunkt des Projekts „Recycling for Future“ steht die sogenannte Holztafel – eine flächige, tragende Holzkonstruktion, die im Wohnungsbau weit verbreitet ist. Die Recyclingfähigkeit der Tafel ist jedoch bislang stark eingeschränkt. Das Problem ist der Materialmix aus metallischen, organischen und mineralischen Bestandteilen. Abgesehen davon, dass die Zerlegung einer vollständigen Tafel in ihre Einzelkomponenten mit sehr großem Aufwand verbunden ist, bestehen diese Einzelteile wiederum aus nicht unbedingt sortenrein trennbaren Hybridmaterialien wie beispielsweise Gipsplatten (Gips und Papier), Holzwerkstoffen (Holz und Klebstoff), Dämmstoffen aus unterschiedlichsten Roh- und Zusatzstoffen sowie gegebenenfalls mineralischen oder kunstharzbasierten Putzsystemen.
Ohne weiteres lassen sich also Einzelkomponenten einer Holztafel nicht entnehmen und austauschen, um ein recyclinggerechteres Produkt zu erhalten. Ziel des Forschungsvorhabens ist es daher, leicht und in hohem Maße recycelbare Holztafelelemente zu entwickeln, die aus möglichst wenigen unterschiedlichen Komponenten und Materialien bestehen und im Sinne des „Urban Mining“-Gedankens (Rückgewinnung von Rohstoffen aus dem Stadtbau) langfristig im Stoffkreislauf gehalten werden können – also nicht nach der einmaligen Verwendung entsorgt werden. „Wir wollen das Gesamtsystem Holztafel optimieren“, so Professor Sieder. „Von der Herstellung der Einzelkomponenten, über die Fertigung der Holztafel bis hin zu Rückbau, Recycling und Wiederverwertung.“ Deshalb sind in dem Projekt neben der TU Braunschweig, dem Fraunhofer Institut für Holzforschung WKI und der Ruhr-Universität Bochum auch ein Hersteller von Gebäuden in Holzbautafelart, Zulieferer und Recyclingunternehmen eingebunden. „Ein ökologischer und nachhaltiger Recyclingkreislauf für eine Holztafel kann nur dann entstehen, wenn sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen und ihre Kompetenzen in einem interdisziplinären Austausch einbringen“, betont Professor Sieder.
Recyclinggerechter Prototyp
Gemeinsam werden die Projektpartner die Demontierbarkeit und die mögliche sortenreine Trennung einzelner Holztafeln untersuchen, um daraus Bewertungsparameter für die Planung und Herstellung einer ökologischen, wirtschaftlichen und recyclinggerechten Holztafel abzuleiten. Darüber hinaus werden gängige Recyclingverfahren überprüft und ein Second-Use-Konzept erarbeitet, damit aus den Rohstoffen später wieder nutzbare Produkte hergestellt werden können. Am Ende des Projekts wollen die Projektpartner den Prototyp einer ressourcenschonenden Holztafel produzieren.
Aufbereitung von Altholz zur Wiederverwendung „im nicht sichtbaren Bereich“
Um die Rückführung des Rohstoffs Holz in den Kreislauf geht es auch im Projekt „Recycling for Reuse“: Wissenschaftler*innen wollen Altholz so aufbereiten, dass es zur Herstellung konstruktiver Bauteile wiederverwendet werden kann. Schadstoffbelastungen durch eingesetzte Holzschutzmittel, Oberflächenschutz, Beschichtungen oder brandschutzhemmende Zusätze erschweren hier bislang eine Zweitverwertung. „Deshalb muss Altholz aus dem Rückbau von Gebäuden so aufbereitet werden, dass es gemäß der Altholzverordnung als unbedenklich gilt. Das Holz darf dann nicht mehr chemisch belastet sein und muss die anforderungsbezogenen Festigkeiten aufweisen“, erklärt Professor Sieder. Ein großes Potenzial für die Wiederverwendung von Altholz bietet die häufige Verwendung von Holz im „nicht sichtbaren Bereich“, da „optische Mängel“ kein Ausschlusskriterium sind. Dazu zählen Bauholz, Bauschnittholz und Konstruktionsvollholz.
Fremdkörper und Holzschutzmittel aufspüren
Dafür wollen die Wissenschaftler*innen gemeinsam mit den Industriepartnern zunächst erfassen, in welchen Mengen potenziell wiederverwertbares Altholz anfällt. Außerdem wollen sie mechanische Verfahren entwickeln, um metallische Fremdkörper und Holzschutzmittel im verbauten Holz aufzuspüren und zu entfernen. Ziel ist es, Klassifizierungsregeln für den Wiedereinsatz des Baustoffs und ein ganzheitliches Wiederverwendungskonzept in Form eines schematisierten Ablaufplans zu erarbeiten.
Für Professor Sieder spielt neben dem Aspekt der Nachhaltigkeit auch die Wirtschaftlichkeit bei der Nutzung von Altholz eine Rolle: „Bislang profitiert der Holzbau von relativ günstigen Materialkosten, die allerdings mit langen Transportwegen aus Regionen mit unökologischer Forstwirtschaft verbunden sind. Da die für den Baubereich typischen Holzvorkommen in Deutschland zunehmend rückläufig bei gleichzeitig verstärkter baulicher Nutzung von Holz sind, ist mit steigenden Materialkosten zu rechnen. Die Wiederverwendung von Altholz kann in Zukunft eine Antwort auf die prognostizierten steigenden Materialpreise sein.“
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