Festsaal im Doppel-Zick-Zack

Identitätsstiftender Raum für Generationen

Deutsches Ingenieurblatt 11/2019
Forschung und Technik

Ein Neubau nimmt seit Sommer 2017 einen Großteil des Innenhofs des mittelalterlichen Schlosses von Bad Bergzabern ein. Mit dem filigranen Tragwerk hat die Ökumenische Sozialstation Annweiler nun den lange überfälligen Festsaal realisiert.

Die Ökumenische Sozialstation Annweiler, die im Schloss von Bad Bergzabern (Rheinland Pfalz) untergebracht ist, erfreut sich seit Sommer 2017 an einem neuen Versammlungs- und Festsaal. Eingepasst in den Innenhof des denkmalgeschützten Gebäudes ergänzt der moderne Neubau die alte Bausubstanz mit neuem Schwung und fügt sich dennoch unauffällig zwischen den Schlossmauern ein. Die Erweiterung der Räumlichkeiten war notwendig geworden, da im gesamten Bestandsgebäude kein Raum Möglichkeiten für Feste und Versammlungen bot bzw. als Anlaufstelle mit öffentlicher Funktion geeignet war. So entstand die Idee, den Innenhof des mittelalterlichen Schlosses zu zwei Dritteln mit einem Anbau für einen stützenfreien Saal zu überbauen. Ziel war es, einen identitätsstiftenden Raum zu schaffen, der allen Generationen zur Verfügung steht und Geselligkeit, Begegnung und Austausch ermöglicht.

Gesucht: Das richtige Material für ein selbsttragendes, filigranes Tragwerk

Die Vorgabe für den Ergänzungsbau lautete, ihn als statisch unabhängige, also selbsttragende Konstruktion auszubilden. Denn die Auflage des Denkmalschutzes sah vor, dass keine Kräfte des neuen Gebäudes in die Mauern des Altbaus eingeleitet werden durften. Lediglich konstruktive Verbindungen waren erlaubt, um den Einbau am Bestand zu fixieren.
Dass die 8,60 m breite, 12,50 m lange und rund 4,25 m hohe Erweiterung als Holzbau realisiert werden würde, stand schon früh fest, da man aufgrund der beengten Platzverhältnisse vor Ort den hohen Vorfertigungsgrad dieser Bauweise nutzen wollte. So spielten die Ingenieure den Entwurf der Architekten mit verschiedenen Tragwerksvarianten aus Holz durch; am Ende fiel die Wahl auf Bau-Buche (Buchen-Furnierschichtholz). Wegen seiner hohen Dichte ist es sowohl hoch tragfähig als auch sehr formstabil, was eine Ausführung mit besonders schlanken Querschnitten ermöglichte. Gerade das stellte bei einem kleinen Saal wie diesem ein entscheidendes Kriterium dar. Doch auch die Brandschutzanforderung von F30 ließ sich leicht über entsprechend größere Bauteilabmessungen (Heißbemessung) der Träger und Stützen erfüllen.

Konstruktion nutzt statisch effektive Dreiecksform

Die Konstruktion des Festsaals besteht aus fünf sehr schmalen Stahlrundstützen an der links vom Eingang liegenden Längsseite des Raums – hier war Stahl die Wahl, weil eine der Stützen vor einem der schmalen Sandsteinfenster des Bestands steht –, und an der gegenüberliegenden Seite aus einer Reihe von neun V-förmigen Stützen aus BauBuche (b/h = 12 cm x 20 cm). Letztere stehen so nebeneinander, dass die Stützenköpfe mit denen der jeweils benachbarten V-Stütze zusammentreffen und so eine Art Ziehharmonika-Figur entsteht, die den großen Vorteil einer in Längsachse sehr gut aussteifenden Wirkung hat. Das Prinzip der fortlaufend im Zickzack liegenden Träger wurde auch für die tragende Ebene der Decke beziehungsweise des Dachs angewendet. Dabei liegen die Spitzen der Zickzack-Linie der Dachdecke auf den Spitzen der Zickzack-Linie, die die V-Stützen bilden, auf. Auch hier konnten die daraus entstandenen Dreiecksformen statisch optimal genutzt werden, denn gerade in der Dachebene war es ideal, die Aussteifung bereits über die 40 cm hohen und nur 8 cm breiten BauBuche-Träger zu erreichen und sie nicht – wie sonst häufig der Fall – erst über die Scheibenwirkung beispielsweise einer aufgeschraubten OSB-Platte herzustellen. Das Dach sollte zudem Oberlichter erhalten, die für eine aussteifende Scheibe unzuträglich groß gewesen wären. Mit dem gewählten Dachtragwerk ließen sie sich unabhängig von diesem einbauen.

Die Anschlüsse sind raffiniert und ästhetisch detailliert

An den Fußpunkten stehen die V-Stützen in köcherförmigen Stahlformteilen, die direkt mit Schwerlastankern auf den Beton-Rohboden geschraubt wurden.
Bei den Anschlusspunkten der auf Gehrung gesägten Diagonalstützen an den umlaufenden, ebenfalls 40 cm hohen und 8 cm breiten Dachrandträger wird es komplizierter: An diesen Randträger sind dort, wo die ebenfalls auf Gehrung geschnittenen Dachträger an ihn anschließen, Stahlprofile mit Schlitzblechen geschraubt; der Anschluss erfolgt über Stabdübel. Diese Schlitzbleche erhielten zudem eine schwertartige Verlängerung nach unten, sodass auch die BauBuche-Stützen an diese Knoten anschließen konnten. Auf diese Weise sind nicht nur alle Stahlbauteile unsichtbar ins Holz eingelassen, sondern auch den Brandschutzanforderungen entsprechend verdeckt ausgeführt.

Dachkonstruktion mit speziellen Anforderungen an die Fenster

Auf die Dachträgerebene folgt eine Lage Dreischichtplatten (d = 22 mm), die allerdings die Bereiche der Oberlichter, die von drei kastenähnlichen Rahmen gebildet werden, aussparen. Auf diese Platten wiederum folgen eine OSB-Platte als Tragschicht der Abdichtungsebene samt Gründach mit klassischem Aufbau aus Wärme- und Gefälledämmung, diffusionsoffene, wurzelfeste Kunststoffdichtungsbahn, Dränschicht, Filtervlies, Extensivsubstrat und Vegetationsschicht. Vom Raum aus sichtbar ist die erwähnte Dreischichtplatte aus Fichte, die die BauBuche-VTräger und -Stützen optisch ideal ergänzt.
Ein schwieriges Element stellten die Dachfenster dar, denn sie hatten sehr vielen Anforderungen gerecht zu werden. Gefordert war eine festverglaste Überkopfverglasung aus durchsturzsicherem Sicherheitsglas, die zudem gegen Brandüberschlag wirksam sein musste. Letzteres vor allem deshalb, weil es nicht möglich war, den erforderlichen Abstand zum Bestand einzuhalten. Doch die Architekten haben einen Hersteller gefunden, der ein solches Produkt serienmäßig im Programm hatte. Zudem galt es, die Oberlichtkästen entsprechend den Brandschutzanforderungen auszuführen: Sie erhielten eine Promat-Trockenbau-Laibung.
Von oben durch die Fenster schauend, sieht man nun die diagonalen Deckenbalken. Steht man im Raum, sind die BauBuche-Deckenträger samt Fichte-Dreischichtplatte raumgestalterisch wirksam und ergänzen die V-Stützen optisch ideal.

Dachentwässerung mit Krempe gelöst

Um die tragende Dachkonstruktion herum verläuft eine um 36,5 cm tiefer gelegte Krempe, die mit einer Rinnenabdichtung aus Flüssigkunststoff das Wasser in ein vertikales Entwässerungsrohr an der hofseitigen Fassade leitet. Auch eine horizontale Rinne wurde an dieser Seite geschickt in die Ansicht der Pfosten-Riegel-Fassade integriert.

Laubholzbearbeitung braucht Kraft und Fingerspitzengefühl

Der Einsatz von Hartholz, wie BauBuche es ist, bringt auch entsprechend hohe Anforderungen an die Verarbeitung der Hölzer mit sich. Darauf weist auch der BauBuche-Lieferant die ausführenden Holzbaufirmen im Vorfeld eines Projekts immer hin. So auch hier, wo es etwa darum ging, in die Trägerunterseiten Nuten zum Einlassen schmaler LED-Lichtbänder einzufräsen. Um diese auszubilden, mussten die Zimmerer sehr präzise und vorsichtig arbeiten, damit das wenige Holz, das rechts und links der Nut der nur 8 cm breiten Träger stehen bleibt, keine Makel davonträgt oder gar ausreißt. Die perfekt ausgefrästen Nuten bringen die Lichtbänder am Ende bestens zur Geltung und liefern saubere Details.
Am Tag fällt nun sehr schön das Licht sowohl von der großen Glasfront auf der Eingangsseite als auch von oben über die Oberlichter in den Raum. Und für die gleichmäßig gute Ausleuchtung des Saals mit Kunstlicht sorgen die LED-Lichtbänder.

Montage im Hof braucht ausgeklügelte Logistik

Spannend war auch die Logistik der Hof-Baustelle. Da es keine Zufahrt für Kraftfahrzeuge in den Hof gab und die Platzverhältnisse sehr beengt waren, wurde der Dachrahmen mit den V-förmigen Trägern auf einem angrenzenden Parkplatz gefertigt und anschließend per Kran in den Hof gehoben. Hier war bereits die Bodenplatte, ebenfalls als eigenständiges Element, unabhängig vom Bestand, gegossen worden.
Das Dachtragwerk wurde zunächst auf einer Montagekonstruktion abgelegt, sodass Stück für Stück die V-Stützen von unten in die Schwerter geschoben werden konnten, die bereits am Dachrandträger befestigt waren. Andersherum wäre es ein fast unmögliches Unterfangen gewesen, die Dachkonstruktion gleichzeitig in alle Stützenschlitze einzupassen.

Die Stützenfüße wurden in die Köcher gestellt und nivelliert unterklotzt, anschließend die Köcher mit Vollgewinde-Schrauben in der BauBuche und die Köcherbleche auf dem Rohboden verschraubt. Danach folgte der Bodenaufbau des stützenfreien Versammlungsraums.

Mit wenigen Mitteln ein Schmuckstück schaffen

Die neue Ökumenische Sozialstation erfreut sich seit Fertigstellung in 2017 großen Zuspruchs. Die feingliedrige Architektur mit ornamentalem Charakter in Kombination mit viel Tageslichteinfall dank Fensterfront und Oberlichtern macht den Raum zu einer Begegnungsstätte, wie sie sich die Bauherrin gewünscht hat: modern, offen und ein Passepartout für alle Festlichkeiten, Versammlungen und sonstigen Events.

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