Flüssigbodentechnologie kann Bauzeiten verkürzen

Ingenieurtechnische Innovation

Deutsches Ingenieurblatt 09/2020
Jos. Schneider Optische Werke GmbH
Bausysteme

Das Coronavirus traf und trifft die Baubranche. Welche langfristigen Auswirkungen die Pandemie haben wird, ist heute noch weitgehend unklar. Etliche Bauvorhaben waren zeitweilig zum Stillstand gekommen. Grund dafür war zum einen die Erkrankung eines Teils des Personals der Baufirmen bis hin zu fehlenden Fachleuten auf den Baustellen. Zum anderen gab und gibt es logistische Verzögerungen in der Lieferkette. Hinzu kommt, dass es später als geplant zum Beginn von Bauvorhaben kam – trotz gleicher Fertigstellungsziele aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeit der beteiligten Firmen. Auch im Planungssektor kam es zu pandemiebedingten Verzögerungen, die sich wie beim Domino-Prinzip auf alle Baufirmen und andere Beteiligte negativ auswirken. Diese Zeitlücken zu schließen, wird nicht einfach – doch eine Möglichkeit bietet sich in diesem Fall zumindest für den Tiefbau an: die Nutzung der Lösungen und Technologien des Flüssigbodenverfahrens.

Flüssigboden ist ein fließfähiger Verfüllstoff bzw. ein zeitweise fließfähiger Verfüllbaustoff. Er kommt im Tiefbau zum Einsatz – z. B. bei der Verlegung neuer Leitungen im Erdreich, aber inzwischen auch bei vielen anderen Anwendungen im Tief- bis Spezialtiefbau. Aber auch der Klimaschutz wird aktiv bedient, da die mit dem Flüssigbodenverfahren verbundenen neuen Technologien helfen, teilweise sehr viel Energie und damit CO2 einzusparen. Dabei wird in der Regel der Aushub verwendet und somit zugleich das Kreislaufwirtschaftsgesetz erfüllt. Das zur Wiederverfüllung vorgesehene ausgehobene Bodenmaterial wird temporär fließfähig gemacht, um es zum Einbau von erdverlegten Bauteilen zu verwenden, ohne dabei einen Fremdkörper mit ungewollten Eigenschaften zu bilden, wie es bisher bei hydraulisch abgebundenen Materialien der Fall ist. Dazu wird ein Gemisch aus Aushubmaterial und Zusatzstoffen (Plastifikator, Beschleuniger, Stabilisatoren) sowie Zugabewasser und gegebenenfalls einem Spezialkalk hergestellt und verfüllt. Die Flüssigbodenherstellung erfolgt entweder vor Ort auf der Baustelle mittels einer transportablen Flüssigboden-Anlage oder über eine stationäre Anlage im mittelbaren Baustellenumfeld.
Das Flüssigbodenverfahren wurde vom Forschungsinstitut für Flüssigboden Leipzig (FiFB) bzw. dem direkten Vorgänger Ende der 90er-Jahre entwickelt und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Seit 2008 haben Auftraggeber den Verfahrensentwickler angeregt, auch ein RAL-Gütezeichen wirksam zu unterstützen. So entstand das RAL-Gütezeichen 507 auf der Grundlage der Entwicklung des original RSS-Flüssigbodenverfahrens und dient heutzutage auch dazu, wirksam Bauschäden zu vermeiden und das vom FiFB entwickelte Verfahren schadensfrei anzuwenden.

Vorteil: Zeit ist Geld

Dank der Flüssigbodentechnologie lässt sich die Bauzeit einer Kanal- und Rohrleitungsbaustelle, aber auch die anderer Verfahrensanwendungen drastisch verkürzen. Gründe dafür sind zahlreich: Zeit- und Kostenreduzierungen gibt es vor allem aufgrund neuer technologischer Abläufe. Sie helfen dabei, die entstandenen Lücken in der Bauleistung und beim Personal erfolgreich und schnell zu schließen. Aber auch ganz einfach erkennbare Möglichkeiten für Kostenreduzierungen können genutzt werden und bieten Ersparnisse:

  • Beim Grabenaushub: Es ist keine Herstellung einer Grabensohle erforderlich, da die Rohrleitungssysteme mittels Verlegehilfen im Graben gesichert und in hängender Form exakt positioniert werden. Die Grabenbreite wird oft deutlich geringer gegenüber der herkömmlichen Bauweise. Auch Untergrundverbesserungen bei schlecht tragfähigen Böden werden in der bekannten Form überflüssig.
  • Bei der Wasserhaltung im Graben: Dank einiger vom FiFB entwickelter Flüssigboden-Technologien, wie beispielsweise der „schwimmenden Verlegung“ oder der „holländischen Bauweise“ wird kein wasserdichter Verbau, wie z. B. Spundwandverbau, benötigt, keine Wasserhaltung im Graben oder Grundwasserabsenkung im Baufeld. Bei kontaminiertem Grundwasser müssen keine aufwändigen Reinigungen betrieben werden.
  • Beim Handling der zu bewegenden Massen: Da der Bauaushub direkt verwendet wird, muss a) dieser nicht kostenaufwändig zur Deponie gefahren werden und b) kein teures Verfüllmaterial herangeschafft werden.
  • Beim Personal: Die Lösungen mit Flüssigboden benötigen aufgrund neuer Technologien weniger Personal und oft auch weniger Technik auf der Baustelle und haben andere zeitliche Abläufe.

Entwickler bieten Umstellhilfe an

Seitens des Verfahrensentwicklers wird den interessierten Firmen, Bauherren, Planern und Baufirmen die nötige Hilfe bei der Umstellung von der herkömmlichen Bauweise auf Flüssigbodenlösungen angeboten. Selbst bei schon laufender Planung können innovative Lösungen unter Nutzung der Flüssigbodentechnologie prozessbedingt integriert werden. Auch Unterstützung vor Ort auf der Baustelle und die Aus- und Weiterbildung der benötigten Fachleute sind Leistungen, die über das Forschungsinstitut (FiFB) und verbundene Firmen in Anspruch genommen werden können.
Eine völlig neue Kostenstruktur ergibt sich durch die innovativen technologischen Lösungen, die die Flüssigbodentechnologie nutzbar macht. Die Gegenüberstellung der herkömmlichen Bauweise und der Bauweise mit den neuen Flüssigbodentechnologien auf Basis eines Vergleichs dieser Bauweisen zeigt die Möglichkeiten der Kostenersparnisse und den damit verbundenen wirtschaftlichen und Bauzeitvorteil für alle am Bau Beteiligten.
Grundlage dafür sind im Wesentlichen drei Punkte:

1. Viele neue technologische Möglichkeiten und speziell dafür entwickelte technische Lösungen, kombiniert mit Hilfsmitteln für eine exakte Umsetzung.

2. Der Einsatz von Softwarehilfsmitteln für die Kalkulation über den Weg der Berechnung und grafischen Darstellung von Bauzeit- bis zu den Kostenunterschieden der herkömmlichen und der Flüssigbodenbauweise mittels mathematischer Modellierung der Bauabläufe.

3. Weiterbildungsangebote für Bauherren, Planer bis hin zu Kalkulatoren, um die neuen technologischen Abläufe und die technischen Hilfsmittel erfolgreich für diese nutzbar zu machen.

Positiver Nebeneffekt:
die CO2-Bilanz

Neueste Arbeiten des FiFB in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Dresden (HTWD) und dem Fachplanungsbüro für Flüssigbodenanwendungen Logic GmbH aus Leipzig zeigen, dass der Einsatz des Flüssigbodenverfahrens bei entsprechender Vorbereitung und Planung der Ausführung die CO2-Bilanz von Baustellen verbessern kann. Angesichts der gesamtgesellschaftlichen Diskussion und der erwartbar steigenden Kostenbelastungen durch CO2-basierte Abgaben ist das ein hochaktuelles Thema. Beispielhaft ermittelten Wissenschaftler bei Untersuchungen auf einer Baustelle in Tübingen, auf der Flüssigboden zum Einsatz kam, dass durch diese Technik der CO2-Ausstoß für den Bau und die betroffenen Vorgänge gleich auf drei sogenannten Wirkebenen (Stoffebene, Technologieebene und Betriebsebene) um etwa 80 % gesenkt werden konnte. Beim Einsatz der herkömmlichen Bauweisen in Tübingen hätte der CO2-Ausstoß 930 t betragen.
CO2 lässt sich nicht nur durch die Wiederverwendung des örtlich anfallenden Aushubs einsparen. Auch die technologischen Möglichkeiten, die mit diesem Verfahren verbunden sind (über 170 verschiedene Anwendungen kennt es bereits – und neue kommen hinzu), führen in den meisten Fällen zu Energieersparnissen.

Der Lückenschluss mit Flüssigboden

Um die Auswirkungen der jetzt entstehenden Lücken in den Planungs- und Bauleistungen minimieren zu helfen, hat das FiFB gemeinsam mit dem Fachplanungsbüro für Flüssigboden Logic in Leipzig ein Angebot für alle betroffenen Bauherren, Planer und Baufirmen entwickelt. Ziel ist, die Möglichkeiten des Flüssigbodenverfahrens zur Steigerung der Bauleistungen innerhalb eines engen Zeitfensters zu nutzen. So können selbst laufende Projekte auf die Technologien der Flüssigbodenbauweise umgestellt werden. Dies trifft ebenso auf Planungen zu. Wenn man die Möglichkeiten der neuen Technologien nutzt, dann helfen diese wirksam, die Bauzeiten zu verkürzen.

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