Glasfaserbewehrung vermeidet magnetische Störungen

Besondere Anforderungen an neues Forschungsgebäude

Deutsches Ingenieurblatt 12/2019
Objekte

An der Universität Stuttgart am Standort Vaihingen errichtet das Land Baden-Württemberg das Zentrum für Angewandte Quantentechnologie (ZAQuant), ein interdisziplinärer Forschungsbau. Die Anforderungen an das Gebäude waren bei der Planung des Grundrisses und des Tragwerks hoch, denn die Forschung muss unter größtmöglichem Ausschluss von niederfrequenten Magnetfeldern stattfinden.

Ab 2021 werden in dem rund 8.500 Quadratmeter großen Gebäude am Allmandring auf dem Campus Vaihingen der Universität Stuttgart 70 Mitarbeiter einen Forschungsansatz verfolgen, der auch international einmalig ist: Ziel ist die Entwicklung neuartiger, nanophotonischer Quantensensoren, um wegweisende Fortschritte bei Empfindlichkeit, Spezifität und Energieeffizienz in der Sensorik zu erreichen. Bislang wurden noch keine Quantensensoren so weit entwickelt, dass sich ein technischer Einsatz hierfür abzeichnet. Die Forscher werden bei dem Projekt versuchen, neuromagnetische Felder nachzuweisen. Das sind Magnetfelder, die durch neuronale Aktivitäten (zum Beispiel durch Gehirnaktivitäten) erzeugt werden. Um die sehr kleinen Magnetfelder erforschen zu können, muss in einer Umgebung gearbeitet werden, die selber keine Magnetfelder erzeugt. Dies ist nur möglich, wenn im Experimentierraum kein Metall verbaut ist.

Funktionales Gebäudekonzept

Bei der Grundrissplanung standen die speziellen funktionalen und baudynamischen Anforderungen an das Gebäude im Vordergrund. In Längsrichtung ist das Gebäude in die drei Abschnitte Kopfbau, Laborbau und Seminarbau gegliedert. Die Hochpräzisionslabore sind im Zentrum des dreigeschossigen Forschungsbaus angeordnet, hier sind die baudynamischen und abschirmungstechnischen Rahmenbedingungen für die Versuche am besten. Schwingungsverursachende Nutzungen wie Technikzentralen befinden sich in den angrenzenden Gebäudeteilen. Im Herzen des Gebäudes liegt die Versuchshalle mit vier Hochpräzisionsmessräumen. Die gesamte Gebäudestruktur ist nach dem Schalenprinzip aufgebaut, um die Versuchsanordnungen optimal vor äußeren Einflüssen zu schützen. Im Zentrum steht der Versuchsaufbau, dieser wird durch den umschließenden Betonkubus geschützt, der Betonkubus durch die Versuchshalle und die Versuchshalle durch die umgebenden Funktionen wie Büro- oder Laborflächen.

Tragstruktur mit hohen Anforderungen

Mit der Tragwerksplanung für das Gebäude waren Weiske + Partner aus Stuttgart beauftragt. Die Sensibilität der Versuche wirkt sich wesentlich auf die Planung des Tragwerks aus. Die Konzeption der gesamten Tragstruktur sowie die Dimension der Decken und Bodenplatten werden durch die hohen Anforderungen an den Erschütterungsschutz bestimmt. Daher erfolgte der Bau der Gebäudeteile mit den Reinräumen und den Präzisions- und Hochpräzisionsmessräumen auf einer ein Meter dicken, elastisch gebetteten Bodenplatte.
Die Planung und Ausführung der vier Hochpräzisionsmessräume stellte die zentrale Herausforderung des Baus dar. Diese Räume werden direkt auf der Bodenplatte im Zentrum des Gebäudes angeordnet. Es werden Betonboxen mit identischen Außenabmessungen– 7,60 Meter auf 5,80 Meter –erstellt, die unterschiedliche Höhen haben: Boxen eins und zwei sind 9,9 Meter hoch, Boxen drei und vier haben eine Höhe von 10,9 Metern. Die Boxen für die vier Hochpräzisionsräume sind in einer gemeinsamen Halle angeordnet. In diesen steht je ein Versuchstisch mit 150 Tonnen Gewicht aus Beton. Die Versuchstische werden mittels Luftfedern entkoppelt auf Fundamentbarren gelagert, die direkt auf der Bodenplatte aufliegen. Diese Konstruktion gewährleistet eine maximale Schwingungsruhe für die Versuche, die in den Hochpräzisionsräumen stattfinden.
Wegen der elektromagnetischen Sensibilität der Versuche werden alle Fundamentblöcke und Versuchstische in den Boxen mit Glasfaserbewehrung erstellt.
Die Umfassungswände der Boxen zwei bis vier werden konventionell in Halbfertigteilbauweise mit Stahlbewehrung ausgeführt. Box eins muss noch wesentlich höhere Anforderungen an die Abschirmung der Versuche gegen elektromagnetische Einflüsse erfüllen: Die komplette Box wird von außen mit Blechen einer metallischen Legierung bekleidet. Innerhalb dieser Bekleidung sind keine magnetisch leitenden Bauteile mehr möglich. Deshalb werden die Umfassungswand und die Decke der Box vollständig ohne Stahlbewehrung ausgeführt. Es kommen Ortbetonwände mit Schalungssteinen zum Einsatz, die mit dem Glasfaserverbundwerkstoff Schöck Combar bewehrt werden. Die Decke wird in Ortbeton-Bauweise ebenfalls mit Glasfaserbewehrung hergestellt. Ende 2020 soll das ZAQuant fertiggestellt sein und ab 2021 können die Wissenschaftler ihre Forschung aufnehmen.

Hohe Anforderungen erfüllt

Schöck Combar besteht aus korrosionsresistenten Glasfasern, die mit einem Vinylesterharz gebunden sind. Als Alternative zu Stahl, das seit Jahrzehnten als Bewehrungsmaterial eingesetzt wird, zeichnet sich der beschichtete Bewehrungsstab durch folgende Eigenschaften als technisch vorteilhafte Lösung aus: Er hat eine äußerst geringe Wärmeleitfähigkeit und ist besonders fest und langlebig, nicht brennbar, korrosionsbeständig, resistent gegen chemische Angriffe, leicht zerspanbar und weder elektrisch leitend noch magnetisierbar– so lässt sich eine elektromagnetische Entkoppelung der Bauteile erzielen, die elektromagnetische Störungen und Einflüsse von außen minimiert. Diese Materialeigenschaft ist für den Einsatz in einem Hochpräzisionsmessraum, wie beim ZAQuant, von zentraler Bedeutung.

Bautafel

Standort: Allmandring 13, 70569 Stuttgart
Bauherr: Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Universitätsbauamt Stuttgart und Hohenheim
Architekt: hammeskrause architekten bda, Stuttgart
Tragwerksplanung: Weiske + Partner GmbH, Stuttgart
Bauunternehmer: Gottlob Brodbeck GmbH & Co. KG, Metzingen
Produkt: Schöck Combar

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