Auch wenn die Brennstoffzelle den Marktdurchbruch noch nicht erreicht hat – ihr Potenzial ist groß und wird gerade realisiert. Die Mobilität bleibt im Jahr 2019 ein wesentlicher Treiber für die Entwicklung und öffentliche Wahrnehmung. Dennoch hat sich die Brennstoffzelle bis heute weit mehr Einsatzgebiete erschlossen. So ist sie etwa aus der Stromversorgung von kritischen Infrastrukturen nicht mehr wegzudenken.
Wertschöpfungseffekte durch die Brennstoffzelle beschränken sich nicht nur auf die Branche selbst, sondern reichen durch Effizienzsprünge in viele andere Bereiche hinein. Deutschland ist technologisch zwar gut aufgestellt, wie wachsende Umsätze und Exportzahlen verdeutlichen. Der Standort muss sich bei der Weiterentwicklung jedoch behaupten.
Für Ingenieure eröffnet dies vor allem nachhaltige Zukunftsperspektiven und neue Berufsbilder.
Brennen für die Zelle
Die Brennstoffzellenbranche befindet sich heute an dem Punkt, an dem sich die Solarbranche in Deutschland vor gut 15 Jahren befunden hat. Wichtig ist, dass sich auf diesem Feld der Erneuerbaren Energien nicht dieselben Fehler wiederholen. Auch hier war Deutschland technologisch Vorreiter, bis sich die Produktion scheinbar plötzlich nach Asien verlagert hat. Die Exportanteile der Brennstoffzellenbranche liegen aktuell bei mehr als 80 Prozent. Laut dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) werden für dieses Jahr rund 120 Millionen Euro Umsatz aus der Produktion von Brennstoffzellen erwartet, womit sich der Umsatz gegenüber dem Vorjahr nahezu verdoppeln würde. Der hohe Exportanteil dabei ist ein verlässlicher Indikator für die technologische Stärke der Komponentenhersteller aus unserem Land.
Gleichzeitig verdeutlichen die Ausfuhren von Material und Knowhow die besseren Marktbedingungen anderswo – etwa in Nordamerika und Asien. Das liegt nicht zuletzt an politischen Weichenstellungen. China, Korea und Japan haben angekündigt, in den nächsten zwei Jahren besonders im Mobilitätssektor mehr auf Brennstoffzellentechnik zu setzen. Der Standort Deutschland sollte darauf vorbereitet sein.
Die industrielle Nutzung von Wasserstoff steht vor dem Durchbruch. Noch hat Europa eine technologische Spitzenstellung. Diese muss allerdings auch industriepolitisch genutzt werden. Die Diskussionen um den Klimawandel und die Feststellung, dass der Kohleausstieg nicht ohne Wasserstoff möglich ist, rückt die Brennstoffzellentechnik aktuell in den Fokus. Weltweit haben Hersteller im vergangenen Jahr schätzungsweise 74.000 Brennstoffzellen-Systeme ausgeliefert. Das entspricht bereits einer elektrischen Leistung von mehr als 800 Megawatt.
Mehr als Mobilität
In der Intralogistik wie im Lebensmitteleinzelhandel oder auf Flughäfen konnten mit der Brennstoffzellentechnik bereits Erfolge erzielt werden. In Amerika fahren täglich in der Logistik/Intralogistik schon heute mehr als 25.000 brennstoffzellenbetriebene Flurförderzeuge umher. Und insbesondere in der Automobilindustrie wird der Brennstoffzelle mit Blick auf nachhaltige Antriebstechnologien eine große Zukunft eingeräumt. Derzeit gibt es in Deutschland 75 Wasserstofftankstellen, bis Anfang 2020 sollen es 100 sein.
Experten schätzen, dass bundesweit 2.000 Wasserstofftankstellen ausreichen sollten, um die brennstoffzellenbetriebene Automobilität zu ermöglichen. Denn: Bei CO2-neutralen Antriebskonzepten spielt die Musik bei der Brennstoffzelle und Batterietechnik, nicht beim Verbrennungsmotor. Strom, den Windparks produzieren, kann in Wasserstoff umgewandelt, gespeichert und an die Tankstellennetze verteilt werden.
Bei aller Freude über den Fortschritt bei der Mobilität darf der Stellenwert der Brennstoffzelle in anderen Bereichen nicht unbeachtet bleiben. So etwa bei der Stromversorgung von kritischen Infrastrukturen und sog. Blackout-Systemen, mit denen Werke und Netze in der Gasversorgung oder in der Telekommunikation abgesichert werden. Dies geschieht heute fast immer mit Diesel-Generatoren. Hier ist ein Umstieg auf die Brennstoffzelle sinnvoll und klimaneutral. Einige Beispiele: Bei der Mobilfunk-Versorgung im ländlichen Raum hat die Deutsche Telekom kürzlich ein weltweit einmaliges Projekt gestartet. Zum ersten Mal wird in Dettelbach ein autarker Mobilfunk-Standort dauerhaft mit einer Brennstoffzelle betrieben, die wiederum mit Bio-Methanol gespeist wird. Das Pilotprojekt ist durchaus als Test zu verstehen für einen umweltfreundlichen Dauerbetrieb von Mobilfunk-Stationen– und zwar immer dort, wo es keine oder noch keine Stromversorgung gibt. Aus dem BOS-Digitalfunk, einem einheitlichen und leistungsstarken Funknetz für alle Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) in Deutschland, der ebenfalls keine Stromausfälle zulässt, ist die Brennstoffzelle schon nicht mehr wegzudenken. Dort ersetzen bereits rund 700 Brennstoffzellensysteme die Diesel-Generatoren.
Die Anbieter von Brennstoffzellen für derartige Anwendungen sind seit nunmehr fast zehn Jahren im Industrienetzwerk Clean Power Net (CPN) organisiert. Das CPN wird als Innovationscluster vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert.
Entwicklungsperspektiven für Ingenieure
Der Vormarsch der Brennstoffzellentechnologie bleibt nicht ohne Auswirkungen auf den Markt für qualifizierte Fachkräfte. Aktuell gibt es gerade einmal 1.500 Arbeitsplätze in der deutschen Brennstoffzellen-Industrie. Spezialisten sind heiß begehrt, die Aufstiegschancen gut. Wie viel Platz nach oben ist, offenbart ein Blick in Teilbereiche der Branche. Sollte sich die Zahl der in Deutschland installierten und exportierten Brennstoffzellen-Heizgeräte und Netzersatzanlagen bis 2024 auf 90.000 erhöhen und der Umsatz auf 700 Millionen Euro wachsen, dürfte die Zahl der Beschäftigten allein in diesem Bereich von aktuell 1.500 auf rund 2.700 Mitarbeiter klettern.
Die Wertschöpfung der Brennstoffzelle ist groß
Auch das Wertschöpfungspotenzial ist im Bereich der Brennstoffzellentechnologie noch lange nicht ausgereizt. So bietet beispielsweise Power to Gas, ein Verfahren, bei dem Wasser mithilfe von Strom per Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird, besonderes Potenzial. Dabei unterscheiden sich Brennstoffzelle und Elektrolyseure kaum. Wasserstoff – und damit auch die Brennstoffzelle – wird somit derzeit zu Recht als Allround-Talent der Energieversorgung von morgen bezeichnet. „Durch Power to Gas erzeugter Wasserstoff ist bestens geeignet, um die Flexibilisierung des Energiesystems ebenso wie die Dekarbonisierung der Sektoren Verkehr, Wärme und Industrie voranzutreiben“, sagte auch Dr. Marie-Luise Wolff, Präsidentin des BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. auf der BDEW-Fachtagung „Wasserstoff – kleines Molekül, großes Potenzial“.