Nürnberg: Der eingefrorene Flughafen

Seit Beginn der Corona-Maßnahmen stehen fast alle Räder still

Deutsches Ingenieurblatt 06/2020
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Es wird im Augenblick kaum geflogen. Ganz selten kreuzt eine Maschine den Luftraum über Deutschland. Die Infrastruktur eines Flughafens bleibt dennoch bestehen. Auch wenn die Ströme an Reisewilligen auf unbestimmte Zeit zu Hause bleiben müssen. Kein schlechter Zeitpunkt, um mal die eine oder andere Reparatur in Angriff zu nehmen.

Vom Tower des Nürnberger Flughafens aus geht der Blick weit über das Rollfeld bis hin zum angrenzenden Waldgebiet. Doch an diesem Donnerstagnachmittag gibt es so gut wie keinen Flugverkehr. Am Boden sind einige Maschinen zu sehen, kleinere Jetflugzeuge und eine größere Passagiermaschine; sie sind hier geparkt. Auch sonst steht der Airport weitgehend still, das Corona-Virus hat die Linien- und Urlaubsflüge zum Erliegen gebracht.
„Es ist deutlich weniger Verkehr zu verzeichnen“, sagt Fluglotse Peter Stahlschmidt, „doch wir halten den Betrieb aufrecht.“ Und das sogar 24 Stunden lang.
Denn am Nürnberger Flughafen gibt es kein Nachtflugverbot, der Airport ist also rund um die Uhr geöffnet, und das soll auch jetzt so bleiben. Der Grund für die durchgehende Betriebserlaubnis liegt in den Regularien der 1950er-Jahre, als der Nürnberger Flughafen als der erste Neubau nach dem Zweiten Weltkrieg in Betrieb genommen wurde. Von dieser Zeit zeugt noch der alte Tower direkt am Empfangsgebäude. Der neue Turm der Deutschen Flugsicherung ist ein schlanker Betonbau, der schräg in den Himmel strebt.
Dort haben sich die Fluglotsen in zwei Gruppen aufgeteilt, die keinen Kontakt miteinander haben. „So halten wir die Gefahr der Ansteckung durch das Virus gering“, erklärt Fluglotse Stahlschmidt, und auf diese Weise kann der Flughafen geöffnet bleiben. Er selbst arbeitet auch schon mal zu Hause im Home-Office, wenn Verwaltungsaufgaben anstehen, die man auch über den Computer bearbeiten kann.

Entspannter abheben

Von der luftigen Höhe des Towers zurück auf den Boden. Leer und verlassen liegt sie in diesen Tagen da, die Abflughalle des Albrecht-Dürer-Flughafens. Manche Bereiche sind ganz abgesperrt, das Licht ist dort ausgeschaltet – Sparmaßnahmen. In einer Halle ist allerdings der Informationsschalter mit einer Flughafenmitarbeiterin besetzt, sie lächelt und hat ansonsten wenig zu tun.
Das gilt auch für den Mann hinter dem Bankschalter.
Ansonsten sind die Schalter der Fluggesellschaften geschlossen, ebenso wie der Supermarkt und die Reisebüros. Nur die Bäckerei hat geöffnet, sie verkauft Lebensmittel und das ist ja gestattet, um die Bevölkerung zu versorgen. Zu normalen Zeiten warten hier in der Halle die Passagiere auf ihre Linienflüge zu den Drehscheiben des Luftverkehrs Frankfurt oder London und die Urlauber freuen sich schon auf sonnige Tage im Süden, in Mallorca oder auf Kreta. Immerhin ist Nürnberg der zweitgrößte Flughafen in Bayern nach München und der zehntgrößte bundesweit. 2019 wurden hier über vier Millionen Fluggäste gezählt. Der Airport wirbt mit dem Slogan „Entspannt abheben“ und in der Tat ist er leicht erreichbar: Nur zwölf Minuten dauert die Fahrt mit der U-Bahn vom Nürnberger Hauptbahnhof bis zur Abflughalle. Zum Vergleich: an die 45 Minuten benötigt die S-Bahn, um vom Münchner Hauptbahnhof hinaus zum Münchner Airport zu gelangen.

Flieger voller Erntehelfer

Doch zurück in das Empfangsgebäude am Nürnberger Flughafen. Wenn auch der sonstige Passagierverkehr derzeit nicht stattfindet, ist auf der Anzeigetafel doch die Landung von mehreren Passagiermaschinen angekündigt: Um 14.10 Uhr aus Bukarest etwa, oder um 19.25 Uhr aus Cluj-Napoca.
Diese Flugzeuge bringen die Erntehelfer aus Rumänien nach Bayern, sie sollen im Land die Spargelernte einbringen. Jedes Jahr kommen an die 300.000 Erntehelfer nach Deutschland, normalerweise mit Bussen oder dem Auto. Doch weil die Zeiten nicht normal sind und die Grenzen geschlossen, werden die Arbeiter nun mit Sonderflügen ins Land gebracht. Der Flughafen Nürnberg ist der einzige bayerische Flughafen und einer von sieben Flughäfen in Deutschland, über den eine Einreise möglich ist. In enger Zusammenarbeit mit der Grenzpolizeiinspektion Nürnberg-Flughafen und in Absprache mit dem Bayerischen Bauernverband hilft der Airport, die Saisonkräfte unter derzeit besonderen und strikten Hygienestandards einreisen zu lassen: Medizinisches Fachpersonal soll bei den einreisenden Erntehelfern am Flughafen Gesundheitschecks durchführen.

Systemrelevante Teams

Was aber passiert am Flughafen, abgesehen von den rumänischen Flugzeugen, während des Lockdowns? Rene Hessenauer leitet den Bereich Technik des Flughafens (dort sind unter anderem 20 Ingenieure beschäftigt) und er führt zu den noch aktiven Bereichen. Dazu gehört etwa die Baustelle für das neue Parkhaus. „Im Moment läuft es“, sagt Hessenauer und deutet auf die Bauarbeiter mit ihren bunten Schutzhelmen. 3600 Parkplätze sollen hier bis Juni nächsten Jahres entstehen und so das alte Parkhaus aus den 1980er-Jahren ersetzen. Denn dessen Beton wurde über die Jahre durch die Chlor-Salze des Streuguts im Winter angegriffen, es haben sich Risse gebildet und das Gebäude wird wohl abgerissen. Dass die Corona-Krise nicht nur den Flughafen, sondern auch die angeschlossene Wirtschaft betrifft, merkt man auf den verbliebenen Parkflächen: Dort haben die Autoverleiher ihre jetzt abgemeldeten Mietautos abgestellt. Wo keine Passagiere, da gibt es auch keine Kunden für Leihwagen und auch das Flughafen-Hotel hat geschlossen.
Für die Techniker des Airports gibt es trotz des weitgehenden Stillstands etwas zu tun.
Zum Beispiel die Wartung der zwölf Transformatoren auf dem Gelände. Sie müssen gesäubert, Öle kontrolliert und die Schaltanlagen überprüft werden. Da es sich um 20-Kilovolt-Räume handelt, benötigen die Mitarbeiter dazu einen Berechtigungsschein.
„Da kann man nicht einfach reingehen“, sagt Technik-Leiter Hessenauer, „das wäre gefährlich.“
Eine andere Maßnahme ist der jährliche Test der Lautsprecheranlage, der jetzt durchgeführt werden kann (ohne die Passagiere zu irritieren). Und voll in Betrieb, aber streng abgeschottet, ist auch die Flughafen-Feuerwehr. „Die haben ihre volle Mannstärke“, sagt Hessenauer, das heißt, rund 70 Mann stehen zur Verfügung. Abgeschottet sind auch sie, wie die Fluglotsen, um Ansteckungen mit dem Virus zu vermeiden. Denn ebenso wie der Tower sind die Feuerwehrleute systemrelevant für den Betrieb des Airports, ohne ihre Einsatzbereitschaft müsste die Rollbahn dichtgemacht werden.

Schnelle Reparaturen

So aber landen noch die Erntehelfer-Maschinen und auch die Rettungsflüge können abheben, sind am Standort Nürnberg doch die Flieger des ADAC, der Hubschrauber der Deutschen Rettungsflugwacht und die Jets einer Privatfirma untergebracht, die ebenfalls Rettungsflüge organisiert. Zwar sind die meisten der rund eintausend Flughafenmitarbeiter derzeit in Kurzarbeit, aber Technik-Leiter Hessenauer kann der ganzen Situation auch einen positiven Aspekt abgewinnen: Auf dem Flugvorfeld werden derzeit die Markierungen und Wassergräben erneuert.
Bei normalem Flugbetrieb wären die Arbeiten kostenintensiver in der Nacht ausgeführt worden, jetzt können die Bagger auch am Tage anrücken.

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