Um die hohen Anforderungen an die Nutzung als Bettenhaus weiterhin zu gewährleisten, wurde das Tragwerk des unter Denkmalschutz stehenden ehemaligen Fürstenhofs in Bad Eilsen während der Modernisierung verstärkt und in Teilen komplett erneuert.
Innerhalb von 100 Jahren verändern sich sowohl die Anforderungen an die Nutzung eines Gebäudes als auch die geltenden baulichen Normen. Die Immobilie in einen aktuellen Zustand zu überführen, ist je nach Beschaffenheit eine herausfordernde Aufgabe. Das Rehazentrum Bad Eilsen wird als Schwerpunkteinrichtung für Orthopädie, Rheumatologie und interdisziplinäre Begleiterkrankungen betrieben. Mit 365 Betten ist es die größte Rehaklinik der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover. Rund 80 Patientenzimmer wurden im Fürstenhof modernisiert und mit neuen Bädern ausgestattet. Versammlungs- und Therapieräume im Erdgeschoss und Ärztecenter wurden saniert. Dabei sollten die räumlichen Strukturen größtenteils erhalten bleiben. Sehr umfangreich wurde die denkmalgeschützte Fassade nach dem historischen Erscheinungsbild wiederhergestellt.
Vom Hotel zur Kurklinik
Der Fürstenhof wurde 1918 als eines der modernsten und elegantesten Hotels seiner Zeit errichtet. Fürst Adolf II., der in den wenigen Jahren seiner Regierung das Stadtbild von Bad Eilsen prägte, hatte den Berliner Architekten Paul Baumgarten mit dem Bau des Hotels auf dem Kurgelände beauftragt. Zur gleichen Zeit entstanden in direkter Nachbarschaft die Wandelhalle und das Kurmittelhaus – heute ebenfalls Teil des Rehazentrums.
Das Hotel verfügte über 100 Zimmer mit insgesamt 140 Betten. Eine Vielzahl an Gesellschaftsräumen wie Restaurants, eine Bar, Unterhaltungsräume, ein Lesesaal und ein Musikzimmer gehörten zum Raumprogramm des luxuriösen Hotels. Diese Räume befanden sich im Erdgeschoss und wurden über eine großzügige Eingangshalle mit einer Tageslichtdecke erschlossen.
1941 vermietete Ernst Wolrad zu Schaumburg-Lippe die großen Kurbauten und Hotels in Bad Eilsen inklusive Kurpark an die Flugzeugwerke Focke-Wulf, die auf dem Gelände Flugzeuge für die Reichsluftwaffe konstruieren ließ. Im Jahr 1945 besetzten die Engländer das Heilbad Bad Eilsen und richteten hier das Hauptquartier der Royal Airforce ein.
Der Fürstenhof wurde zwischen 1945 und 1955 als Offizierskasino genutzt. Erst 1955 fiel das Bad mit allen Badeeinrichtungen, den Hotels und dem Kurpark zurück in den Besitz Ernst Wolrads zu Schaumburg-Lippe. Dieser verkaufte die gesamte Anlage im Jahr 1957 an die Landesversicherungsanstalten Berlin und Hannover. 1959 wurde das Bad wiedereröffnet. 1961 wurde die LVA Hannover alleinige Eigentümerin des Bads und nutzt es seither als Kurklinik für innere und orthopädische Erkrankungen.
Der Fürstenhof sowie auch das Kurmittelhaus und die Wandelhalle stehen unter Denkmalschutz. Im Fürstenhof gelten vor allem die Fassade und die Räumlichkeiten im Erdgeschoss als besonders erhaltenswert.
Umfangreiche Bestandsaufnahme im Vorfeld
Der Fürstenhof ist ein viergeschossiges Gebäude auf rechteckigem Grundriss. Das Mansardwalmdach bietet ein fünftes voll nutzbares Geschoss, das über Dachgauben belichtet wird. Darüber befindet sich ein nicht ausgebauter Dachraum.
Das Gebäude ist voll unterkellert und weist im Untergeschoss mit einer Grundfläche von ca. 2020 m² die größte Ausdehnung auf. Richtung Süden und Osten liegt das Untergeschoss oberhalb des Geländes und verfügt über Fenster und damit eine gute Belichtung. Auf diesen Seiten kragt der Keller aus und bildet eine große Terrasse Richtung Garten.
Die Räume Richtung Westen und Norden werden größtenteils über Lichtschächte belichtet und belüftet.
Das Erdgeschoss erstreckt sich über eine Fläche von ca. 47 x 33 m. Es umfasst neben der Eingangshalle sowie kleineren Räumen auf der Westseite des Gebäudes sechs große Säle, die über Türen miteinander verbunden sind. Der Saal in der Gebäudemitte ist auf Höhe der 1. Etage überdacht.
Ab dem 1. Obergeschoss ist der mittlere Bereich als Lichthof (ca. 18 x 10 m) ausgebildet, um den herum die Obergeschosse angeordnet sind.
Der Haupteingang des Gebäudes befindet sich auf der Westseite, der Bückeburger Straße zugewandt. Sowohl der Haupteingang als auch ein 2. Zugang von der Wandelhalle im Norden des Gebäudes führen in die Eingangshalle, von der aus alle Geschosse über ein zentrales, repräsentatives Treppenhaus erschlossen werden.
Neben diesem Haupttreppenhaus erfolgt die vertikale Erschließung im Gebäude über zwei weitere kleine Nebentreppenhäuser auf der Süd- und Nordseite.
Zwei Aufzüge, die von der Eingangshalle betreten werden, gewährleisten die barrierefreie Erschließung aller Etagen.
Die horizontale Erschließung in den Obergeschossen erfolgt auf der West- und Ostseite über Flure entlang der Innenhoffassade. Die Nord- und Südseite sind zweibündig angelegt, sodass in diesen Gebäudeteilen die Flure innenliegend verlaufen.
Das äußere Erscheinungsbild des Fürstenhofs wird geprägt durch seine helle Putzfassade. Das Gebäude weist eine reichhaltige Fassadengliederung und -plastizität in neoklassizistischer Formensprache auf. Alle vier äußeren Fassadenseiten sind ähnlich aufgebaut: Ein über drei Etagen hervorspringender Gebäudeteil ähnlich einem Risalit strukturiert den massiven Baukörper vertikal. Diese „Mittelrisalite“ sind aufgelöst durch Pfeiler, Pilaster und Halbsäulen, die ionische Kapitelle tragen und auf der West- und Ostseite kanneliert sind.
Horizontal wird die Fassade über die mit waagerechtem Fugenstrich gestalteten Putzflächen in der Sockelzone im Erdgeschoss gegliedert, über das aufwändig verzierte Stockwerkgesims zwischen 2. und 3. OG sowie das schlichter profilierte Traufgesims.
Balkone mit verzierten Geländern und Loggien sind im 1. und 2. OG in jeder zweiten Fensterachse vorhanden sowie in die hervortretenden Bauteile integriert. Im 3. OG verfügt jedes Fenster über eine Art französischen Balkon. Die Öffnungen in der Fassade werden in den oberen Geschossen durch Kunstputz- oder Kunststeinleibungen gerahmt und abgesetzt. Die Fassadengliederungselemente sind teilweise aus Naturstein, teilweise aber auch aus Putz-Stuckmörtel erstellt.
Die Außenwände des Fürstenhofs sind massive Ziegelwände. Tragende Innenwände sind ebenfalls aus Ziegelmauerwerk, nicht tragende Wände aus leichten Hohlsteinen oder Poroton. Wände, die im Zuge späterer Umbauten errichtet worden sind, sind größtenteils Leichtbauwände aus Gipskarton.
Das Mansardwalmdach ist nach außen mit Biberschwanzziegeln gedeckt. Je nach Seite belichten zwischen 9 und 12 Tonnengauben das Mansardgeschoss. Zusätzlich ziert die West- und Ostseite jeweils in der Mitte ein Schaugiebel mit einer kleinen Loggia.
Die nach innen gerichteten Dachflächen sind im flachen Teil der Mansardplattform mit Bitumenbahnen gedeckt, die geneigten Dachflächen hingegen mit gemörtelten Flachziegeln.
Anpassung des Tragwerks
Die teils umfangreichen baulichen Eingriffe erforderten diverse Anpassungen am Tragwerk des Gebäudes. Da Bestandspläne kaum vorhanden waren und auch nur wenig von der Bausubstanz dokumentiert war, konnte eine genaue Bestandsaufnahme erst nach Freizug des Gebäudes und Fertigstellung der Schadstoffsanierung erfolgen.
Dieser Umstand hatte zur Folge, dass sich die Planer von pbr in vielen Einzelschritten vor Ort ein Bild von der Situation verschaffen mussten. Weil Details – z. B. der Aufbau von Decken und die Lage von Trägern – teils erst während des Bauens einsehbar wurden, erfolgte die Planung des Tragwerksbau begleitend.
Eine Fotodokumentation wurde erforderlich, damit die Trägerlage z. B. in den Schalplänen dargestellt werden konnte. Die tragenden Wände des Fürstenhofs sind als massive Ziegelwände, die Geschossdecken im gesamten Gebäude als Stahlsteindecken mit Stützweiten von 1,6 –2,3 m ausgeführt. Die Decken liegen auf Stahlträgern, die von den Außen- zu den Innenhofwänden mit Weiten von bis zu 8,7 m spannen. Für das Verlegen von neuen Bodenmaterialien und Installationen musste die Tragfähigkeit der Deckenfelder geprüft werden.
Die Trägerabmessung wurde durch Putzabstemmen des Untergurts und Aufmaß der Profilbreite und Stegstärke an Hand von alten Profiltabellen aus dem Buch Bargmann „Historische Bautabellen“ ermittelt.
Die Hohlsteindecke wurde ertüchtigt, wo die vorhandene Zugbewehrung durchtrennt worden und das statische 1-Feldsystem nicht mehr gegeben war. Hier wurde zwischen den vorhandenen Stahlträgern eine neue Stahlbetonplatte eingebaut. Um die technischen Installationen einbringen zu können, wurden Deckendurchbrüche in Form von Kernbohrungen geschaffen. Auf den Decken wurden zusätzliche leichte Trennwände aufgestellt, im Erdgeschoss ein Fitnessraum mit zusätzlichen Sportgeräten eingerichtet, was durch die vorhandene Nutzlast nicht abgedeckt war. Deshalb wurden hier die Decken durch eine Anpassung der Deckenstützweiten an die neuen Nutzlasten ertüchtigt, was zu einer neuen Trägerlage im Untergeschoss führte. Auch wurden Stahlträger verstärkt und Leichtbeton eingebracht. Wo Decken nicht verputzt waren, erhielten Stahlträger eine unterseitige Brandschutzverkleidung.
Korrosionsschäden an den Stahlträgern
Die Sanierung der Fassade wurde in Anlehnung an den historischen Bestand angestrebt.
Sie wies unterschiedliche Schadensbilder auf: großflächige Ablösungen der Farbe, Blasen- und Rissbildungen vor allem im Bereich von Vor- und Rücksprüngen, Ecken sowie der Anschlusspunkte der Regenrinnen an die Fallrohre.
Putzausbesserungen wurden in der Vergangenheit mit nicht geeigneten Zementputzen ausgeführt, infolgedessen entstanden Risse im Putz. Durch langjährigen Wassereintritt und Hinterfeuchtung war bereits eine massive Schädigung der Putzschicht eingetreten, die v. a. auf die zuvor genannten nicht fachgerecht ausgeführten Instandsetzungsmaßnahmen zurückzuführen war. Eine vollständige Abnahme der abdichtenden Beschichtung von allen Putzflächen sowie den Gliederungs- und Zierelementen war erforderlich. Ebenso mussten die Putzflächen größtenteils erneuert werden, da umfangreiche Hohllagen und Ablösungen vom Untergrund sowie eine erhebliche Entfestigung des Putzgefüges mit starken Sandungen nachgewiesen wurden. Die aus Kunststeinmörtel gefertigten Reliefs waren insgesamt in einem guten Zustand und bedurften neben der Abnahme der abdichtenden Farbe nur geringer restauratorischer Maßnahmen. Die aus Mörtel modellierten Vasen hingegen mussten komplett ausgetauscht werden.
Die wenigen Fassadenelemente aus Naturstein waren gut erhalten. Im Bereich der Fußpunkte von Säulen und Pfeilern, der Balluster der Brüstung auf der Parkseite im Osten und der Postamentsteine lagen jedoch große Frostschäden vor. Außer der Abnahme der Farbschichten mussten stellenweise einzelne Werksteine erneuert sowie Natursteinvierungen eingebaut werden.
Bei der Fassadenuntersuchung wurden erhebliche Korrosionsschäden an den Stahlträgern im Bereich von Fenster- und Türstürzen und Balkonen erkannt. In diesen Bereichen wurde die lose Überdeckung entfernt, die Stahlträger erhielten eine Korrosionsschutzbehandlung und die Öffnungen wurden wieder verschlossen.
Ebenso mussten Schäden am Mauerwerk, die durch den langjährigen Wassereintritt entstanden waren, behoben werden (Einbau von Spiralankern, Schließen der Risse u. a.).
Zusätzlich waren umfassende Sanierungsmaßnahmen am gesamten System der Wasserableitung vorgesehen (Erneuerung sämtlicher Abdichtungen auf Balkonen, Gesimsen etc.; Erneuerung der Entwässerungsleitungen; Erneuerungen von Anschlussdetails der Entwässerungsebenen zum Gebäude u. a.).
Vorbewittertes Titanzink als Dachdeckung
Die Dachdeckungen zum Innenhof wurden erneuert. Die Mansardplattform erhielt im Zuge der Baumaßnahme eine neue Bitumendeckung. Die gemörtelten Flachpfannen der geneigten Dachflächen zum Innenhof wurden durch eine neue Deckung (Dachziegel aus Ton) ersetzt. Die Deckung des Mansardwalmdachs nach außen wurde voll umfänglich erneuert.
Die Innenhofüberdachung wies Schäden auf und musste grundlegend saniert werden. Bei Erneuerung bzw. Veränderung des Dachs war gem. §11, Abs.7 DVO-NBauO zu den aufgehenden Außenwänden ein Streifen von 5 m in F90 auszuführen.
Aus statischer und brandschutztechnischer Sicht konnten die bauzeitlichen Stahlfachwerkträger nicht erhalten werden und die Überdachung wurde komplett erneuert.
Eine feuerbeständige Brettsperrholzdachkonstruktion im F90B-Standard wurde eingebaut und auf die Bestandsauflager gesetzt. Eine Gefälledämmung aus Schaumglas nimmt die Walmdachform des Bestandsdachs mit einem leicht geringeren Gefälle von 3° auf. Als Dachdeckung entschied man sich für vorbewittertes Titanzink in Doppelstehfalzdeckung.
Durch das Verstärken und neue Anlegen von Decken und Trägern, den Einbau eines zweiten notwendigen Treppenhauses und eines neuen Dachs im Lichthof des Gebäudes erstrahlt der ehemalige Fürstenhof in neuem Glanz und bietet optimale Funktionalität entsprechend aktuell geltenden Bau-Normen.
Nachrüsten eines zweiten Rettungswegs
Zusätzlich zu der zentralen Treppe im Bereich der Eingangshalle des Gebäudes verfügte der Fürstenhof über zwei weitere Treppen im Norden und Süden. Weil das Treppenhaus Nord nicht die erforderlichen Mindest-Treppenlaufbreiten erfüllte und aufgrund der zu geringen Durchgangshöhe und seiner gewendelten Form nicht den aktuellen Anforderungen an einen Rettungsweg entsprach, wurde es vom Unter- bis Dachgeschoss als Stahlbetonkonstruktion mit Treppenlauf komplett erneuert. Die Bestandstreppe wurde abgebrochen, der Treppenraum in den Geschossen eins bis vier verbreitert und um den vorgelagerten Flurbereich ergänzt. Zur Abfangung der Treppe mussten Stahlträger vom zweiten Obergeschoss bis zum Dachgeschoss, neue tragende Wände in Ortbeton sowie ein Betonpolster von 100 x 50 cm im Bereich der Decke zwischen Erd- und erstem Obergeschoss eingebaut werden.
Darüber hinaus wurden tragende Wände für die Treppe Nord im Untergeschoss abgefangen. Die Durchbruchsplanung wurde stetig an den Bestand angepasst und führte immer wieder zu neuen Erkenntnissen, was in der Tragwerksplanung mit neuen statischen Systemen festgelegt wurde. Ab dem ersten Obergeschoss ist der mittlere Gebäudebereich als Lichthof ausgeführt.