Der Absturz im Wohnungsbau setzt sich fort: Die Zahl der Baugenehmigungen für neuerrichtete Wohnungen dürfte 2023 mit gut 210.000 ein Drittel unter dem Vorjahresniveau gelegen haben, die Auftragseingänge im Wohnungsbau haben sich von Januar bis Oktober 2023 gegenüber dem Vorjahr ebenfalls deutlich um real 22 Prozent reduziert. Perspektivisch ist ein Absinken der Fertigstellungszahlen im Wohnungsbau auf unter 200.000 pro Jahr möglich. Das Ziel der Bundesregierung, pro Jahr 400.000 Wohnungen (davon 100.000 Sozialwohnungen) zu bauen, erscheint für die nächsten Jahre nicht mehr realisierbar. Die negative Entwicklung im Wohnungsbau bringt erhebliche soziale Implikationen mit sich und lässt die Bauwirtschaft weiter in die Krise rutschen; der drohende Kapazitätsabbau dürfte mittelfristig den Fachkräftemangel deutlich verschärfen.
Die Bundesregierung hat zur Abmilderung der Krise Ende September 2023 im Rahmen des Bündnistages Bezahlbarer Wohnraum ein Maßnahmenpaket vorgelegt, das als erster Schritt zur konjunkturellen Stabilisierung zu begrüßen ist. Allerdings wurde das Paket bislang nur zu einem kleinen Teil realisiert, die Umsetzung vieler Punkte ist ins Stocken geraten. Hinzu kommen weitere konjunkturdämpfende Entwicklungen, etwa das erneute Aussetzen der Neubauförderung oder der Stopp mehrerer Programme u.a. für die Förderung von Energieberatungen oder seriellen Sanierungen mit erheblichen Auswirkungen auf die Modernisierung des Gebäudebestands. Bereits beschlossene Maßnahmen wie die Anhebung der Einkommensgrenzen bei der Wohneigentumsförderung und die Aussetzung der ursprünglich für 2025 vorgesehenen Verschärfung von Energieeffizienzstandards können kaum zu einer Trendumkehr beitragen.
Angesichts dieser Entwicklung bestehen maximale Verunsicherung und erheblicher Investitionsattentismus. Trotz aller Haushaltszwänge bedarf es planbarer und verlässlicher Rahmenbedingungen. Bund und Länder müssen in ihrem Handeln der sozialen und wirtschaftlichen Dimension des Wohnungsbaus gerecht werden und die Investitionen in den Bau bezahlbarer Wohnungen stärken. Daher sind die schnelle Umsetzung von auf dem Wohnungsbaugipfel im September 2023 präsentierten Maßnahmen sowie die Ergänzung um weitere Instrumente dringend erforderlich.
Der Wohnungsbau ist gesellschaftlich und wirtschaftlich von größter Bedeutung, denn der Bedarf an Wohnraum wird immer drängender. Gleichzeitig haben die aktuellen Rahmenbedingungen zum schnellsten Absturz der Bautätigkeit seit der Wiedervereinigung geführt. Die Aktion Impulse für den Wohnungsbau fordert ein schnelles Umsteuern mit folgenden Maßnahmen:
1. Degressive AfA umgehend einführen
Angesichts der Rahmenbedingungen am Markt ist es trotz des hohen Wohnungsbedarfs vielfach schwierig, geplante Projekte im vorgesehenen Kostenrahmen zu realisieren. Die als Teil des Wachstumschancengesetzes vorgesehene erhöhte degressive Abschreibungsrate von 6% p.a. kann dazu beitragen, noch nicht realisierte Vorhaben doch noch zu bauen. Allerdings wurde das Wachstumschancengesetz im Bundesrat gestoppt. Hier sind Bundestag und Bundesrat aufgefordert, im Vermittlungsausschuss schnellstmöglich eine Einigung zu erzielen. Darüber hinaus ist die Einführung einer Zuschusskomponente für nicht gewinnorientierte Vermieter erforderlich.
2. Sozialen Wohnungsbau weiter stärken
Es ist zu begrüßen, dass die Bundesregierung die Mittel für den sozialen Wohnungsbau sukzessive deutlich ausgeweitet hat und mit jeweils 3,5 Mrd. Euro 2025 und 2026 den jährlichen Mitteleinsatz gegenüber 2021 mehr als verdreifachen will. Während die Bedeutung des sozialen Wohnungsbaus angesichts der prekären Lage auf dem freien Wohnungsmarkt steigt, reicht die Bautätigkeit allerdings nicht aus, um den Sozialwohnungsbestand zu stabilisieren: 2022 wurden 22.500 neue Sozialwohnungen gebaut, aber 36.500 fielen aus der Preisbindung. Die soziale Wohnraumförderung muss daher – flankiert durch entsprechende Mittel der Länder – weiter signifikant erhöht und auf lange Sicht verstetigt werden.
3. Förderung des Klimafreundlichen Neubaus (KFN) verlässlich finanzieren
Seit Wegfall der EH 55-Förderung zum Jahresanfang 2022 ist die Neubau-Förderkulisse von erheblicher Unsicherheit geprägt. Nun wurde die ambitionierte Förderung des klimafreundlichen Neubaus aufgrund aufgebrauchter Mittel Ende 2023 kurzfristig gestoppt – zusätzliche Verunsicherung im Markt ist die Folge. Investoren und Bauherren brauchen Verlässlichkeit. Die KFN-Mittel müssen aufgestockt und verstetigt werden, damit sie langfristig planbar Investitionen auslösen können und kurzfristige Förderabbrüche vermieden werden.
4. „Jung kauft Alt“ und „Gewerbe zu Wohnen“ schnell und unbürokratisch einführen
Die Nutzung leerstehender Gewerbeflächen für Wohnzwecke und die Erleichterung der Bildung von Wohneigentum für Familien durch Erwerb und Sanierung von Bestandsgebäuden kann zur Entschärfung der Wohnungsknappheit beitragen und die ressourceneffiziente Weiternutzung des vorhandenen Gebäudebestands forcieren. Die im Rahmen des Maßnahmenpakets geplanten Förderprogramme sind daher zu begrüßen. Nun sind die schnelle Umsetzung und die auskömmliche und verlässliche Finanzierung der Maßnahmen erforderlich.
5. Sanierungsförderung verbessern
Die Steigerung der Gebäudeenergieeffizienz ist für die Transformation des Immobiliensektors hin zur Klimaneutralität essenziell. Umso kritischer sind Fehlanreize oder Unsicherheiten im Fördersystem – etwa im Hinblick auf deutlich unterschiedliche Fördersätze für die Ertüchtigung von Gebäudehülle bzw. Gebäudetechnik. Für die ökologisch und ökonomisch effiziente Transformation ist das Zusammenspiel aus Sanierung der Hülle und CO2-neutraler Deckung des verbleibenden Wärmebedarfs erforderlich. Der im Zuge der Haushaltskrise beschlossene Wegfall höherer Fördersätze für Effizienzmaßnahmen und die Ungleichbehandlung von Selbstnutzern bzw. Vermietern beim Speed-Bonus für den Heizungstausch sowie der Stopp der Förderung serieller Sanierungen sind daher fatal. Für die Erreichung der Klimaziele im Gebäudesektor sind Verlässlichkeit, die Angleichung der Förderung von Maßnahmen an Gebäudehülle bzw. -technik sowie die förderrechtliche Gleichbehandlung von Vermietern und Selbst-nutzern von größter Bedeutung. Die neue BEG-Förderrichtlinie muss entsprechend angepasst und zur Vermeidung erneuter Förderstopps gesichert ausfinanziert werden.
6. Planungs- und baurechtliche Rahmenbedingungen schnell reformieren
Die planungs- und baurechtlichen Vorgaben sind an vielen Stellen kompliziert und kostentreibend. Ansätze zur Planungs- und Baubeschleunigung sind aufgrund der föderalen Struktur häufig nicht einfach umzusetzen. Die aktuellen Pläne zur Beschleunigung und Vereinfachung des Planens und Bauens, etwa in Bezug auf die Stärkung der Typengenehmigung, die Angleichung der Landesbauordnungen oder die Digitalisierung des Genehmigungsprozesses, sind daher sehr zu begrüßen. Weiterhin muss die Möglichkeit zur Abweichung von technischen Baubestimmungen und darüberhinausgehenden anerkannten Regeln der Technik ausgebaut und rechtssicher ausgestaltet werden. Bund und Länder müssen die beim Wohnungsbaugipfel, dem Bund-Länder-Pakt zur Baubeschleunigung und der Bauministerkonferenz beschlossenen Maßnahmen nun schnell und vollständig realisieren
ADHOC-PAPIER IMPULSE FÜR DEN WOHNUNGSBAU 1/2024