Deutschland kennt sie noch nicht – die großen marktbeherrschenden Planungskonzerne anderer Länder. Das ist ein großer Vorteil für die Baukultur und die Effizienz von Bauprojekten, weiß der Präsident der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen, Dr.-Ing. Heinrich Bökamp. Doch die Qualität der Planungsleistungen hängt stark von der Leistungsfähigkeit ab, mit der sich heimische Büros in Projekte einbringen können. Eine mittelstandsgerechte Auftragsvergabe ist daher der Schlüssel für einen wirkungsvollen Wettbewerb der Ideen und Konzepte. Das Vergaberecht in Deutschland wurde in den vergangenen Monaten grundlegend überarbeitet. Dessen Neuerungen und Besonderheiten waren Gegenstand des gemeinsamen Vergabetages der Ingenieurkammer-Bau NRW und der Architektenkammer NRW in Recklinghausen, an dem rund 600 Ingenieure, Architekten sowie Vertreter der Auftraggeberseite und der Bauwirtschaft am 09. März 2016 teilnahmen. „Die Leistungsfähigkeit und Planungsqualität unserer Ingenieur- und Architekturbüros ist unbestritten.
Für den Erhalt unserer Baukultur ist es aber enorm wichtig, dass sie sich auch künftig erfolgreich am Markt behaupten können“, so Kammerpräsident Dr.-Ing. Heinrich Bökamp. Und er appellierte an die Auftraggeber, die Auftragsvergabe so zu gestalten, dass heimische Büros auch in Zukunft eine reelle Chance haben, um sich in die Projekte einbringen zu können. „Das System der Freiberuflichkeit, wie wir es in Deutschland pflegen, ist ein Markenzeichen unserer Berufsstände. Ingenieure und Architekten sind unabhängig und handeln im Interesse der Allgemeinheit“, betonte Bökamp. Eine Grundvoraussetzung sei die bewährte Trennung von Planungs- und Bauleistungen.
Dadurch gebe es in Deutschland, anders als beispielsweise in Großbritannien, auch keine großen marktbeherrschenden Planungskonzerne, so der Kammerpräsident weiter. Und das sei gut so. Denn unsere eher kleinteilige Struktur böte einen wichtigen Vorteil: „Nur unter diesen Voraussetzungen lässt sich ein wirkungsvoller Wettbewerb der Ideen und Konzepte gestalten, der Innovationen hervorbringt.“
Die Kammern, denen als Körperschaften des öffentlichen Rechts qua Gesetz die Rolle zukommt, sich in Gesetzesverfahren einzubringen, konnten gemeinsam mit den beteiligten Bundesministerien in den vergangenen Monaten ein Vergaberecht schaffen, das den berechtigten Interessen der Auftraggeber einerseits und der Ingenieure und Architekten andererseits Rechnung trage.
„Wichtig ist nun“, so der Kammerpräsident, „für diese Regelungen auch auf europäischer Ebene Mitstreiter zu finden. Denn ob das neue deutsche Vergaberecht auch vor dem Europäischen Gerichtshof Bestand haben wird, ist noch nicht sicher. „Leider ist in vielen anderen Ländern der EU kein Verständnis für die Stellung der Freien Berufe und für ihre besondere Verantwortung für die Gesellschaft vorhanden“, so Bökamp. Daher gelte es, auf allen Ebenen dafür zu kämpfen, dass die Bürostrukturen in Deutschland und damit die hohe Planungsqualität erhalten bleiben.
Eine wesentliche Rolle spielen dabei die Auftraggeber. Denn sie sind es, die in erster Linie von hochwertigen und zukunftsweisenden Planungen profitieren. „Sie müssen ein vitales Interesse daran haben, ihre Vergabeverfahren so zu gestalten, dass unsere Büros auch künftig ihren wichtigen Beitrag zur Baukultur in Deutschland leisten können“, ist sich der Präsident der Ingenieurkammer-Bau NRW sicher.