Schlanke Wände statt versiegelter Flächen

Nachhaltige Stadtentwicklung in Nürnberg

Bauplaner 3/2022
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Eine starke Verdichtung, Gewerbe und Wohnen in direkter Nachbarschaft zeichneten den Stadtteil Eberhardshof in Nürnberg seit Jahrzehnten aus. Doch mit dem Niedergang des dort ansässigen Versandhauses Quelle verlor das Firmengelände – eine riesige weitestgehend versiegelte Fläche – ihre Daseinsberechtigung. Mit der Fertigstellung der Eberhardshöfe steht das neue Quartier nun im Zeichen einer nachhaltigen Veränderung.

Bereits vor einigen Jahren entschied die Stadt Nürnberg, die Brachflächen um das ehemalige Firmengebäude für alle Bürgerinnen und Bürger nutzbar zu machen. So entstand auf einem Abschnitt des Quelle-Parkplatzes ein grüner Quartierspark. Dieser wertet die Weststadt mit einer qualitativ hochwertigen Naherholungsfläche auf und trägt zu einer deutlichen Verbesserung des innerstädtischen Klimas bei. Doch wie in anderen Städten herrscht in Nürnberg ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Deshalb wurde ein 17.500 Quadratmeter großer Bereich auf den ungenutzten Parkflächen in ein neues Quartier umgewandelt.  

Alles unter einem Dach
„Nachhaltige Stadtentwicklung erfordert einen Nutzungsmix mit hoher Aufenthaltsqualität“, weiß Wolfgang Grytz, Geschäftsführer des Wohnungsbauunternehmens GS Wohnen aus Zirndorf, das an dieser Stelle die Eberhardshöfe gemeinsam mit ssp Architekten realisiert hat. Grytz ist außerdem überzeugt: „Wohnungsneubauten müssen zukünftig noch nachhaltiger gestaltet werden, um lebenswerte, lebendige Quartiere zu schaffen. Dabei darf man die unterschiedlichsten Lebensentwürfe der Menschen nicht außer Acht lassen.“ Deshalb wurden 360 Wohnungen mit flexiblen Grundrissen und Größen zwischen 34 bis über 160 Quadratmeter entwickelt, die sich an die jeweilige Lebenssituation anpassen lassen. Seit 2021 leben in den hochwertigen Wohnungen – 110 davon gefördert, 70 freifinanziert und 180 als Eigentum – Familien, Singles und Paare. Balkone, kleine Gärten und großzügige Dachterrassen bieten private Rückzugsbereiche und schaffen eine Verbindung zwischen dem Inneren und dem grünen Außenraum.

Hohe Ziele
Die im zweiten Abschnitt errichteten geradlinigen Neubauten bilden den Rahmen für das Grundstück und greifen die für Nürnbergs Innenstadt typische Blockrandbebauung auf. Dabei orientieren sie sich an der Bautypologie der umgebenden Gebäude und erreichen eine Höhe von drei bis zu acht Geschossen. Aufgrund dieser deutlichen Höhenunterschiede galt es, bei der konstruktiven Planung einen Wandbaustoff zu wählen, der gute statische Eigenschaften mit sich bringt. Denn trotz der Mehrgeschossigkeit legte der Bauherr großen Wert auf schlanke Wände, um einerseits mehr Wohn- sowie Grünfläche zu generieren; andererseits sollte der Materialeinsatz so gering wie möglich gehalten werden. 

Schlanke Lösung
Seine Wahl fiel schließlich auf die KS-Bauweise – sowohl für die Innen- als auch für die Außenwände. Zum Einsatz kamen Kalksandsteine des Bausystems KS-Quadro, das sich durch großformatige Regel- und Ergänzungselemente im 12,5er-Raster auszeichnet. Während Treppenhäuser und Wohnungstrennwände eine Wanddicke von 24 cm erhielten, liegen die Stärken der übrigen Innenwände bei 11,5, 15,0 und 17,5 cm. Für die Außenwände der Wohnungsbauten wurden Elemente in einer Stärke von 20 und 24 cm gewählt. Den äußeren Abschluss bildet ein Wärmedämmverbundsystem, das mit seinen weißen und grauen Putzfassaden im Bereich der höheren Gebäude zur visuellen Abwechslung beiträgt. 
Die Aufgaben innerhalb dieses Außenwandaufbaus sind klar geregelt: Während das innen liegende Kalksandsteinmauerwerk die tragende Funktion innehat, wird der winterliche Wärmeschutz von der Dämmschicht übernommen, die Temperaturspannungen im Mauerwerk verhindert. Den äußeren Abschluss bildet die Witterungsschicht; in den Eberhardshöfen ausgeführt als Putzfassade. Auf diese Weise konnte jede Schicht individuell ohne technischen oder bauphysikalischen Einfluss auf die restliche Konstruktion geplant und Außen- wie Innenwände zur Lastabtragung herangezogen werden. Bei funktionsgetrennten KS-Außenwänden liegt die Decke zudem immer voll auf den Wänden auf, sodass keine traglastmindernde Teilauflagerung wie bei einer monolithischen Bauweise entsteht. In Kombination mit den hohen Steindruckfestigkeitsklassen – üblich sind SFK 12, 16 und 20 – lassen sich so bis zu fünf Vollgeschosse mit einem 15 cm starken Mauerwerk errichten. Damit trägt die KS-Bauweise nicht nur zur Reduktion des Materialeinsatzes und der Kosten bei, sondern auch zur Flächeneffizienz durch rund sieben Prozent mehr Wohn- und Nutzfläche im Vergleich zu alternativen Baustoffen.

Tragwerksplanung leicht gemacht
Dass es bei gleicher Geschosszahl noch schlanker geht, stellt die Wasserstadt Limmer unter Beweis. Im gleichnamigen Hannoveraner Stadtteil Limmer entstehen auf einer Industriebrache in den kommenden Jahren 1.800 neue Wohnungen. Ein erster Hochpunkt des Areals ist – neben dem historischen Wasserturm – das Projekt „Weitsicht“, das in Kooperation mit der in Hannover ansässigen meravis Immobiliengruppe entsteht. Ausgehend von vier Geschossen staffeln sich die drei Wohnbauten bis zu einer Höhe von acht Geschossen und geben den Blick auf das benachbarte Landschaftsschutzgebiet frei. Die Außenwände wurden in KS-Bauweise mit den großformatigen Kalksandsteinen von KS-Plus erstellt. Ihre Stärke liegt bei 17,5 cm. Diese schlanken Formate sind dadurch bedingt, dass die für die Mauerwerksbemessung maßgeblichen charakteristischen Werte der Druckfestigkeit fk sowohl bei diesem Bausystem als auch bei KS-Quadro um mindestens 22 Prozent größer sind als bei Plansteinen. „Das ist neben bauphysikalischen Aspekten wie seinem thermischen Speichervermögen und dem Feuchteschutz sicherlich ein Vorteil, warum Kalksandstein im Wohnungsbau so beliebt ist“, mein Oliver Matziol, Projektleiter beim verantwortlichen Projektentwickler Günter Papenburg.

Da die Verwendung von Kalksandstein im Rahmen der europäischen Mauerwerksnorm DIN EN 1996 (Eurocode 6) durch die DIN 20000-402 geregelt ist, waren im Planungsprozess keine komplizierten Bauartgenehmigungen oder Herstellererklärungen notwendig, die bei sicherheitsrelevanten Anwendungen wie Brandschutz, Schallschutz oder Standsicherheit zusätzlich zu beachten sind. Weiterhin sind bei beiden Systemen, die zu den KS-XL Formaten zählen, die Anwendungsgrenzen für das vereinfachte Nachweisverfahren nach DIN EN 1996-3/NA deutlich erweitert: Statt nur bis zu 2,75 dürfen hier unter Beachtung der Anwendungsgebiete lichte Wandhöhen bis zu 3,60 m vereinfacht nachgewiesen werden. Ein weiterer wesentlicher Vorteil des vereinfachten Berechnungsverfahrens ist, dass die auf die Wand einwirkenden Biegebeanspruchungen aus exzentrisch angreifenden Vertikallasten und Wind bereits in stark vereinfachter Form über die Randbedingungen im Bemessungsverfahren berücksichtigt sind. Daher konnte bei der Planung auf eine detaillierte Schnittgrößenermittlung verzichtet werden.

Weiterführende Links

VWall
Das Programm VWall bietet eine anwenderfreundliche Möglichkeit zum vereinfachten rechnerischen Nachweis von Mauerwerkswänden nach Eurocode 6. Der Nachweis erfolgt nach der vereinfachten Berechnungsmethode für vertikal und durch Wind beanspruchte Wände gemäß DIN EN 1996-3/NA Abschnitt 4.2.
Download unter: https://shop.ks-original.de/vwall?c=14

 

Eurocode 6 | Bemessung und Konstruktion von Mauerwerksbauten
Auf 20 Seiten werden die Nachweisverfahren nach Eurocode 6 vorgestellt. Planer und Statiker erhalten einen Leitfaden mit Informationen über das Sicherheitskonzept nach DIN EN 1990/NA:2011-07 sowie über Einwirkungen, Schnittgrößen und Materialkennwerte. 
Download unter: https://shop.ks-original.de/digitale-originale/statik/48/eurocode-6-bemessung-und-konstruktion-von-mauerwerksbauten?c=14

 

Statikhandbuch | 3. Auflage
Das Kalksandstein Statikhandbuch ist ein anerkanntes Standardwerk für den Mauerwerksbau zur Berechnung und Bemessung von Einfamilien- und Reihenhäusern, mehrgeschossigen Wohnungsbauten sowie gewerblichen und kommunalen Zweckbauten. Die Einführung der für die Bemessung, Konstruktion und Ausführung von Mauerwerk geltenden europäischen Normenreihe DIN EN 1996 (Eurocode 6) erforderte eine vollständige Neubearbeitung des Kalksandstein Statikhandbuchs.
Download unter: https://shop.ks-original.de/digitale-originale/statik/53/statikhandbuch-3.-auflage?c=14

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