Schutzzonenübergänge zum und in ein Gebäude haben neben Sicherheitsanforderungen den Zweck, dass unberechtigte Personen nicht in die nächsten Zonen gelangen. Gleichzeitig stellt der Gesetzgeber baurechtlich die Rettung von Menschen in den Fokus. Daraus resultiert ein Konflikt zwischen Brandschutz und Zutrittskontrolle, der gelöst werden muss. Das erfordert genaue Kenntnis der Vorschriften und individuelle Planung.
Die gesetzlichen Vorgaben sind in der Musterbauordnung im § 14 „Brandschutz“ (MBO, Fassung November 2002 - zuletzt geändert am 25.9.2020) nachzulesen. Die einzelnen Bauordnungen der Länder bauen auf der MBO auf. Die Wortlaute der verschiedenen MBO-Fassungen finden sich auf www.bauministerkonferenz.de. Darüber hinaus werden die Anforderungen an Flucht- und Rettungswegen, unabhängig davon, ob es sich um einen Notausgang, Paniktüren usw. handelt, in fast allen Bundesländern in Verordnungen, Richtlinien und Regeln (Arbeitsstätten) konkretisiert – eine Einheitlichkeit existiert leider nicht. Gegebenenfalls mitgeltende Unterlagen sind:
- Verordnung über Bau und Betrieb von Sonderbauten (Sonderbauverordnung – SBauVO)
- Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung-ArbStättV)
- Verordnung über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten (Versammlungsstättenverordnung – VStättVO)
- Richtlinie über den Bau und Betrieb von Hochhäusern (Muster- Hochhaus-Richtlinie – MHHR)
- Verordnung über den Bau und Betrieb von Verkaufsstätten (Verkaufsstättenverordnung – VkVO)
- Verordnung über den Bau von Betriebsräumen für elektrische Anlagen – EltBauVO
- Technische Regeln für Arbeitsstätten (Arbeitsstätten-Richtlinien – ASR)
Zwei Tipps aus der Praxis:
1. Jedes Bundesland weist auf seiner Homepage (i. d. R. Bauministerium) die aktuell geltenden Verordnungen und Richtlinien aus. Auch sollte man einen Blick auf die aktuell eingeführten Technischen Baubestimmungen nicht scheuen.
2. Und denken Sie in den Arbeitsstätten daran, dass Menschen mit Einschränkungen auch diese Fluchtwege nutzen können sollen bzw. müssen.
Sichere und schnelle Wege aus dem Gebäude
Allen gemeinsam ist die Forderung, dass im Brandfall die flüchtenden Personen das Gebäude schnell und sicher verlassen können. Deshalb die Einschränkungen bei der Fluchtweglänge und auch die besonderen Anforderungen an notwendige Flure und Treppenräume. Und genau für den Bereich ab dem Ausgang aus einem Nutzbereich bis zum Notausgang in der Fassade gilt die Forderung, dass Türen sich von innen ohne fremde Hilfe leicht öffnen lassen müssen. In der Regel soll die Tür in Fluchtrichtung aufschlagen und dabei in voller Breite zur Verfügung stehen. Wer sich mit dem Thema beschäftigen möchte: Die ASR A2.3 Fluchtwege und Notausgänge als Technische Regel für Arbeitsstätten ist mit der Ausgabe März 2022, in GMBl 2022, S. 227, gerade neu überarbeitet und veröffentlicht worden. Sie steht auf www.baua.de zum Herunterladen bereit. Im Gegensatz zum Baurecht liegt die Verantwortung für die dort beschriebenen Maßnahmen beim Betreiber der Immobilie bzw. in den Nutzbereichen beim Arbeitgeber.
Widerspruch der Anforderungen
Leider stellen die Anforderungen an die Fluchtwegsicherheit und die Vorgaben für die Gebäudesicherheit fast immer einen Widerspruch dar. Auf der einen Seite sind bauliche Anlagen mit Sicherheitsanforderungen so zu härten und auszustatten, dass ein unbefugtes Eindringen in die zu schützenden Bereiche möglichst bis zum Eintreffen von Interventionskräften verhindert wird. Sperrelemente in Türen (wegen Zwangsläufigkeit in der Einbruchmeldeanlage) erschweren die Nutzung bei scharfgeschalteten Zugängen, gleichzeitig soll der Fluchtweg (auch für Eindringtäter?!) aus den Räumen bzw. den Bereichen sichergestellt werden. Da stellen präzise geplante Türanlagen bei dem Thema Zutrittskontrolle inklusive Umsetzung von Vereinzelungsanlagen zur Kontrolle von Personenströmen noch das kleinere Übel dar.
Auslegung der Schließanlagen
Oder denken Sie an die Kombination selbstverriegelnder Panikschlösser, bis hin zum Motorschloss, mit entsprechendem Beschlag und ihre Ansteuerung von der Zutrittskontrolle. Auch haben sich elektrisch verriegelnde Fluchtwegsysteme bei beidseitig wirkender Zutrittskontrolle bewährt. Alles Lösungen, bei denen Personen in einem Brandfall binnen kürzester Zeit den betroffenen Bereich verlassen können. Dabei ist es unerheblich, ob eine Tür geschlossen oder verschlossen ist. Es gilt jedoch zu beachten, dass bei mit einer Brandmeldeanlage versehenem Gebäude bzw. bei gesprinklerten Bereichen mit Aufschaltung auf die Feuerwehr die entsprechenden technischen Anschlussbedingungen für Brandmeldeanlagen heute einen gewaltfreien Zugang in das Gebäude und jeden Raum fordern. Dies gilt es bei der Auslegung der Schließanlage zu berücksichtigen.
Baurecht geht vor Eigeninteresse
Wie können alle diese Themen unter einen Hut gebracht werden? Eigentlich ganz einfach: Legen Sie Ihr Sicherheits- und das Brandschutzkonzept planerisch übereinander! Sie werden schnell feststellen, wo die kritischen Bereiche im Zusammenspiel zwischen Einbruchschutz, Detektion, Fluchtwegsicherheit und Zutrittskontrolle liegen. Und hier muss im Einzelnen geklärt werden, ob eine Trennung von Funktionalitäten, eine komplexe technische Ausstattung oder andere technische bzw. organisatorische Kompensationsmaßnahmen die optimale Lösung sind. Dabei geht Baurecht immer vor Eigeninteresse.
Problem der technischen Nachrüstung
Ein Aspekt bezüglich der Nachrüstung von Sicherheitstechnik in bzw. an bestehenden Brand- und Rauchschutztüren: Große mechanische Veränderungen an Brand- und Rauchschutztüren beeinträchtigen ihre Funktion, sodass das notwendige Schutzniveau nicht erreicht wird. Damit verliert die Tür die bauaufsichtliche Zulassung. Änderungen sind möglich. Dabei gilt es zu beachten, ob die vorhandenen Türen vor 1995, vor 2009 oder in den letzten Jahren verbaut wurden. Erstere muss man sich im Einzelfall anschauen, weil es am Anfang noch nicht die heute bekannten Zulassungen und Vorgaben zur Änderung gab. Beim Deutschen Institut für Bautechnik (www.dibt.de) gibt es zwei unterschiedliche Dokumente (Türen vor 2009 und danach), die im Detail zwar unterschiedlich sind, aber auch hier den Fokus auf die Rücksprache mit dem Hersteller legen. Neuere Zulassungen haben die möglichen Änderungen gleich dort mit aufgeführt. Bevor Sie hier also Türen tauschen, lohnt sich eine Prüfung und Rücksprache mit dem Hersteller. Wobei es andererseits auch hier baulich-technische Lösungen gibt, deren Zulässigkeit in der Fachwelt nicht unumstritten ist. Die Entwickler gehen jedoch davon aus, dass der Betreiber auch hier am Ende in der primären Haftung bei Schadensereignissen steht.
Sicherstellung der Zwangsläufigkeit
Zur Sicherstellung der Zwangsläufigkeit bei der Scharfschaltung von Einbruchmeldeanlagen werden Sperrelemente verwendet. Diese sind in Flucht- und Rettungswegen aufgrund der oben beschriebenen Anforderungen (schnell und sicher) nicht einsetzbar. Aber auch hier gibt es Wege, wie Brandschutz und Sicherheit in Einklang gebracht werden können. Die Arbeitsstättenverordnung benennt im Anhang die Möglichkeit, dass die Anforderungen nur während der Arbeitszeit gelten. Dies kann bei Gleitzeit oder wechselnden Arbeitszeiten schnell zu einem organisatorisch schwer beherrschbaren Problem werden. Machbar ist aber auch die Anordnung von Freigabetastern im Nahbereich der Tür oder der Einsatz von Fluchttüröffnern (Ruhestrom) außerhalb des Hauptschlossbereichs. All das zählt zu den nach VdS 2311 möglichen Lösungen.
Ähnlich verhält es sich bei dem Einsatz von Vereinzelungsanlagen. Wenn ein Flucht- und Rettungsweg eine Notwendigkeit darstellt, müssen entweder zusätzliche Drehflügeltüren angeordnet werden oder Anlagen eingesetzt werden, die entweder aus Sicht der Betriebssicherheitsverordnung oder anderer für diese Anlagen relevanter Vorschriften eine Eignung durch Prüfung (Nachweis) und ein Zertifikat für den Einsatz in Flucht- und Rettungswegen besitzen.
Notwendige Breite von Flucht- und Rettungswegen
Die notwendige Breite bei Flucht- und Rettungswegen ist ebenfalls aus der ASR 2.3. ersichtlich (siehe Tabelle). Es muss sichergestellt sein, dass diese an jeder Stelle immer in vollständiger Breite freigehalten werden. Das bedeutet z. B. bei Schleusen oder Vereinzelungsanlagen wie Speedgates, dass auch dort diese Anforderungen einzuhalten sind. Zu beachten ist dabei auch die problemlose Entfluchtung der Personen mit Behinderung, z. B. Rollstuhlfahrer. Damit dies praktisch umgesetzt werden kann, muss der Brandschutzplaner einbezogen werden. Gemeinsam legen die Projektbeteiligten die Anzahl der notwendigen Fluchtwege und ihre maximale Personenanzahl fest. Dann können geringere gegebene Breiten im Bestand durchaus bestehen bleiben.
Bei Gebäuden besonderer Art und Nutzung (Sonderbauten), wie Versammlungsstätten, Hochhäuser oder Garagen, gelten andere Werte. Hier beginnt die Mindestbreite bei 1,20 m und ist in 0,60-m-Schritten je nach Personenanzahl zu vergrößern.
Fazit
Die genannten Beispiele aus der Sicherheitsplanung, insbesondere der Zutrittskontrolle in Kombination mit Brandschutzthemen, vor allem der Fluchtwegsicherheit, zeigen die Komplexität, die eine Kenntnis der Vorschriften und Regeln voraussetzt. Baurechtlich steht immer der Personenschutz im Vordergrund. Bei der Sicherheit steht primär oft der Sachwertschutz vorne. Aber klar: Der Personenschutz steht dem Sachschutz immer vor. Es liegt vielmehr bei der Planung, dieses Problem gemeinsam zu lösen und eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu entwickeln. Dies erfordert neben dem Wissen um die vielen Fallstricke auch eine gute Portion Erfahrung.