Flexible Raumgestaltung: Holzdecken mit Spannweiten über sieben Metern

Neues Forschungsprojekt in Biberach

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Die Planung weitgespannter Holzdecken von mehr als sieben Metern steht im Mittelpunkt eines neuen Forschungsprojekts am Institut für Holzbau (IfH) der Hochschule Biberach (HBC). Dabei geht es um die Schaffung von großen Räumen zum Beispiel in Büro- oder Schulgebäuden, die flexible Nutzungen ermöglichen.

Der Holzbau ist auf dem Vormarsch, auch im Bereich öffentlicher Bauwerke, wie Schulen oder Kindergärten. Denn das Bauen soll nachhaltiger werden und weniger Emissionen verursachen. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, bindet CO₂ und kann regional angebaut und mehrfach verwendet werden.
 
Das Institut für Holzbau der Hochschule Biberach (HBC) forscht seit fast 30 Jahren intensiv zu der Frage, wie das Material Holz noch besser eingesetzt werden kann. Professorin Dr.-Ing. Patricia Hamm, die in der Fakultät Bauingenieurwesen und Projektmanagement Mathematik und Holzbau lehrt, befasst sich insbesondere mit dem Schwingungsverhalten von Decken. Bisher lag ihr Fokus auf übliche Spannweiten von bis zu sechs Metern, nun will sie sich gemeinsam mit ihrem wissenschaftlichen Mitarbeiter und Master-Absolvent, Johannes Ruf, auf weitgespannte Decken von mehr als sieben Metern konzentrieren. 
 
Möglichst leicht 
Zielsetzung ist es, die Decken möglichst leicht auslegen zu können – das spart Material und damit Kosten, so die Professorin: „In vielen Anwendungsbeispielen in der Vergangenheit war die Wirtschaftlichkeit von Holzdecken nicht optimal ausgenutzt. Das liegt insbesondere an der fehlenden Datenlage für weitgespannte Decken. Diese Lücke wollen wir mit unserem Forschungsvorhaben schließen“.

In Kooperation mit der Hochschule für Technik Stuttgart hat sie dazu einen Antrag gestellt, der im Mai bewilligt wurde und über eine Laufzeit von drei Jahren gefördert wird. Mit Mitteln von rund 330 000 € fördert die Holzbau-Offensive Baden-Württemberg, das Land Baden-Württemberg sowie die Europäische Union das Forschungsprojekt „Optimierung der Schwingungs- und Schallbemessung von weit gespannten Holzdecken durch Messungen an ausgeführten Objekten“, kurz SchwallBe. 

Die Stuttgarter Bauphysiker*innen übernehmen dabei Schallmessungen, denn gerade Holzdecken können fühlbar und hörbar schwingen, „ein Zustand, der von den Nutzer*innen als störend empfunden werden kann“, berichtet Johannes Ruf. Meist wird mit großen Querschnitten und starken Aufbauten entgegengesteuert, dadurch entstehen hohe Kosten und die Holzbauweise wird kostenintensiv. Diesen Zusammenhang und die Frage der optimalen Auslegung wollen die Biberacher und Stuttgarter Forscher*innen gemeinsam beleuchten.

Differenzierte Bemessungsansätze für Planungsbüros 
Dafür will das Institut für Holzbau (IfH) 50 Decken an Bestandsgebäuden untersuchen und die Werte in einer umfangreichen Datenbank zusammenstellen und so differenzierte Bemessungsansätze für Planungsbüros und ausführende Betriebe zur Verfügung zu stellen. „Eine wichtige Transferleistung für die Branche, die direkt in die praktische Anwendung übertragen werden kann“, erläutert Professorin Hamm. Johannes Ruf, der bereits seine Masterarbeit in diesem Bereich, erstellt hat, will zu dem Vorhaben und am IfH der Hochschule Biberach promovieren. Derzeit läuft sein Antrag beim Promotionsverband Baden-Württemberg, dem die HBC als Mitglied angehört. Jährlich werden über 20 Abschlussarbeiten von Patricia Hamm und ihren Kolleg*innen aus dem IfH zu Fragestellungen des Holzbaus betreut.

Realität ein günstigeres Schwingungsverhalten aufweisen als in den bisherigen Berechnungen angenommen, wollen Hamm und Ruf bereits ausgeführte Objekte untersuchen, um das tatsächliche Schwingungs- und Schallverhalten zu ermitteln. Dabei vermuten sie, dass sich Randeinspannungen und einspringende Ecken positiver auswirken als bisher angenommen. Neben den Rippendecken und Massivholzdecken will das IfH weitere Typen von Decken, wie auch Holz-Beton-Verbundsysteme, untersuchen. 

Einige Unternehmen haben bereits im Vorfeld Interesse an dem Forschungsprojekt bekundet, 10 Praxisbeispiele wurden bereits durch Ruf selbst und in weiteren Abschlussarbeiten untersucht. Weitere weitgespannten Decken in der Region, aber auch in Österreich und in der Schweiz werden Patricia Hamm und Johannes Ruf suchen und unter die Lupe nehmen. „Wir wollen unser Netzwerk ansprechen, freuen uns aber auch über Vorschläge aus der Holzbaubranche“, so Ruf. Mit einem Tag Aufwand pro Messung sowie einer Woche pro Decke (inkl. Datenzusammenstellung und Auswertung der gewonnenen Daten) rechnet das Forschungs-Duo; aktuell arbeitet Johannes Ruf an der Zusammenstellung der Parameter, die in der Datenbank abgebildet und über die Messung erhoben werden sollen.

Das Schwingungsverhalten von Decken und Brücken ist bereits seit ihrer Diplomarbeit im Jahr 1996 ein Lieblingsthema der Holzbau-Expertin Patricia Hamm. Das Wissen aus den verschiedenen Projekten will sie nun erweitern, neu verknüpfen und mithilfe von Künstlicher Intelligenz verarbeiten und für die Bauwirtschaft verfügbar machen. Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag, auch für die Innovationsstrategie Bioökonomie und Digitalisierung des Landes Baden-Württemberg.

Bereits in den kommenden Wochen werden Hamm und Ruf ihr Vorhaben bei Tagungen und Messen vorstellen, etwa bei der 1. Internationalen Fachtagung Tragwerksplanung Holzbau des Forum Holzbau in Memmingen. Wer Interesse an dem Forschungsvorhaben hat oder geeignete Bestandsgebäude anbieten kann, meldet sich gerne im Institut für Holzbau (Johannes Ruf - rufj(at)hochschule-bc.de).

https://www.hochschule-biberach.de/schwallbe


 

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