Für eine erfolgreiche Wärmewende ist die signifikante Senkung des Primärenergieverbrauchs und die Substitution fossiler Energieträger unerlässlich. Als effiziente und flexible Lösung gelten moderne Wärmenetze, die kleinere Siedlungen oder ganze Quartiere klimaschonend mit thermischer Energie versorgen können. Für einen stabilen und optimierten Netzbetrieb sorgen smarte Wärmeübergabestationen und ausgeklügelte Trinkwassererwärmungssysteme.
Seit 2018 entsteht auf dem 76.000 m2 großen Areal der ehemaligen Gallwitz-Kaserne das neue Wohn- und Geschäftsquartier Gallwitz- Kaserne Bonn-Duisdorf. Die ersten zwei Bauabschnitte des „Pandion Ville" sind bereits abgeschlossen, die entstandenen Wohnungen größtenteils bezogen. Bis 2024 soll das Neubauprojekt in einem dritten und letzten Bauabschnitt fertiggestellt werden. Das Quartier bietet dann 42.000 m2 Wohn- und 13.000 m2 Gewerbefläche mit Bürogebäuden, Möglichkeiten zur Nahversorgung sowie eine Kindertagesstätte und einen Jugendtreff.
Der Energiedienstleister Stadtwerke Bonn Energie und Wasser (SWB EnW) versorgt als Contracting-Partner das komplette Areal. Die nachhaltige Fernwärme stammt aus dem Heizkraftwerk Nord in der Weststadt. Die SWB EnW setzt auf das effiziente Prinzip der Kraft- Wärme-Kopplung (KWK) und auf den Rohstoff Hausmüll. Das spiegelt sich im niedrigen Primärenergiefaktor der Bonner Fernwärme wider, der aktuell bei 0,25 liegt und der CO2eq bei 0 g/kWh. Mit der Verbrennung von nicht verwertbarem Restmüll wird in speziellen Anlagen Strom und Wärme erzeugt. Insgesamt stammen 84 Prozent des Stroms der Bonner Verbraucher aus erneuerbaren Energien. An das inzwischen 120 Kilometer lange Fernwärmenetz von Bonn sind derzeit mehr als 2700 Gebäude angeschlossen.
Bei der Planung und Umsetzung des Heizwärme-und Warmwasserversorgungkonzepts für das Wohn- und Geschäftsquartier lag der Fokus auf dem Einsatz nachhaltiger und präziser Anlagentechnologie mit gleichzeitiger Reduzierung der Rücklauftemperaturen (RLT). Die maß-geschneiderte Effizienztechnologie zur Wärmeübergabe und Trinkwarmwassererwärmung (TWE) stammt von der Yados GmbH aus Hoyerswerda.
Abgesenkte Rücklauftemperaturen sichern Fernwärmenetzbetrieb
In Kraft-Wärme-gekoppelten Fernwärmesystemen – gleiches gilt für Heizsysteme mit Biomasse oder Brennwerttechnologie – sind niedrige Rücklauftemperaturen und eine möglichst hohe Temperaturspreizung entscheidende Faktoren, um das technisch mögliche Effizienzpotenzial der thermischen Versorgungssysteme auszuschöpfen.
Die Rücklauftemperaturen beeinflussen die thermische Übertragungskapazität, Volumenströme, Strömungs- und Wärmeverluste und den elektrischen Pumpenaufwand. Abhängig von der Temperaturdifferenz zwischen Vorlauftemperatur (VLT) und RLT verringert sich der primäre Volumenstrom. So reduziert sich beispielsweise der Heizwasservolumenstrom bei einer VLT von 80°C und einer Senkung der RLT von 55°C auf 40°C bereits um 30 Prozent. Folglich muss weniger Wasser umgewälzt werden; die Kosten für den Pumpenstrom sinken. Der verringerte Volumenstrom erlaubt es zudem, kleinere Rohrleitungsquerschnitte und Pumpengrößen zu verbauen, da mit dem geringeren Strömungsverlust der benötigte Pumpendifferenzdruck fällt. Neben dem reduzierten Energiebedarf ist das Installationsmaterial einer schwächeren thermischen Beanspruchung ausgesetzt.
Ein effizienter und stabiler Netzbetrieb ist nicht zuletzt abhängig von der Wärmeübergabetechnologie. Als Verbindungseinheit am infrastrukturellen Schnittpunkt von Gebäude-Heizungsanlage und Anschlussleitung des Nahwärmenetzes sorgt sie bei ideal eingestellter Erzeuger-Verbraucher-Regulierung für einen präzisen Netzbetrieb und verringert Transmissionsverluste.
Wärmeübergabe und Trinkwassererwärmung
Im "Pandion Ville" sorgen flexible Wärmeübergabestationen für die intelligente Verbindung von Fernwärmenetz und Gebäude-heizungsanlagen. Entsprechend den aktuellen Abnahmeanforderung übergeben die Verbindungseinheiten die netzseitig bereitgestellte Wärmeenergie druck-, temperatur- und bedarfsspezifisch an die hydraulisch über einen Plattenübertrager getrennte Kundenseite.
Integrierte Direct-Digital-Control(DDC)-Regelungen berücksichtigen neben der Außentemperatur die individuell gewählten Zeitund Komfortvorgaben der Verbraucherseite, um eine möglichst präzise Vorlauftemperatur zu ermitteln.
Für das neue Quartier wurden bislang sechs indirekte Fernwärme-Kompaktstationen mit jeweils zwei Heizkreisen und nachgeschalteter rücklaufoptimierter TWE im Speicherladeprinzip gefertigt. Bis zum Bauabschluss 2024 werden fünf weitere Stationen folgen.
Die bodenstehenden Übergabestationen sind auf die technischen Anschlussbedingungen der SWB EnW und die kundenseitigen Anforderungen zugeschnitten und modular erweiterbar. Neben der Verwendung von standardisierten Baugruppen können die Anlagen grundsätzlich frei konfiguriert werden.
Das eingesetzte TWE-System im Speicherladesystem nutzt die eingesetzte Primärenergie und erfüllt umfassend die hygienetechnischen Regelwerksvorgaben der Trinkwasserverordnung. Das System basiert auf einem zweistufigen Speicherladesystem, bei dem durch Nutzung hoher primärer VLT der Heizwasservolumenstrom deutlich verringert und heizwasserseitig sehr niedrige RLT erzielt werden können, die ganzjährig bei maximal 40°C liegen. Die Absenkung der primärseitigen RLT reduziert deutlich den benötigten Volumenstrom.
Die Anlagen sichern durch eine permanente Erwärmung des Zirkulationsvolumenstroms vor Eintritt in den Trinkwarmwasser-Pufferspeicher und die hydraulische Einbindung des erwärmten Trinkwassers im oberen Teil des Warmwasserspeichers eine optimale und stabile Schichtung im Pufferspeicher. Im Rücklaufauskühlungsbetrieb vermeidet die Erwärmung stagnierendes Wasser innerhalb des Trinkwassernetzes und sichert die nach geltendem Hygienerecht geforderte Trinkwarmwassertemperatur von 60 Grad Celsius.
Fazit
Die Entwicklung zukunftsfähiger Versorgungsstrukturen ist eng verbunden mit dem Bestreben, Kosten zu minimieren, Einsparpotenziale freizusetzen und Klimaschutzziele zu erreichen. Die Fernwärmeversorgung im Wohn- und Geschäftsquartier Gallwitz-Kaserne Bonn-Duisdorf steht mit einem optimalen Systemwirkungsgrad und geringen Wärmeverlusten für hohe Betriebseffizienz und ist ein gelungenes Beispiel ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit.