Die Baupreise steigen aktuell in ungeahnte Höhen; daher können und sollen in Bauverträgen nun Preisgleitklauseln vereinbart werden. Die Beratung zur Verwendung und Gestaltung von Preisgleitklauseln kann für Planende eine unerlaubte Rechtsberatung darstellen. Das Bearbeiten
vorgegebener Formblätter sowie deren Rechnungsprüfung ist eine Besondere Leistung. Ein Anspruch auf Anpassung der Vergütung für die Planenden ist bei laufenden Verträgen nicht erkennbar, kann für die Zukunft jedoch vereinbart werden.
Frage 1: Ein Ingenieur: Mein Auftraggeber möchte für zukünftige Verträge mit Baufirmen eine Preisgleitklausel in Verträge aufnehmen, in der Art, dass Preissteigerungen von bis zu 10 % des Angebotspreises abgedeckt sind, darüber hinausgehende Preissteigerungen jedoch eine Anpassung erfahren. Ich soll ihn hierzu beraten. Muss ich das?
Frage 2: Eine Auftraggeberin: Ich habe die aktuellen Erlasse der Bundesministerien zu den Preisgleitklauseln zu beachten. Nun möchte ich, dass mein Ingenieurbüro die Merkblätter 225 und 225a VHB ausfüllt. Ist es dazu verpflichtet und handelt es sich dabei um Grundleistungen der HOAI?
Frage 3: Eine Ingenieurin: Ich habe im Jahr 2021 eine Kostenberechnung erstellt. Jetzt werden wir wegen der Preissteigerungen rund 20 % höher abrechnen. Habe ich einen Anspruch auf Honoraranpassung?
Frage 4: Ein Auftraggeber: Uns liegt der Nachtrag eines Lüftungsbauers wegen für ihn unkalkulierbarer Baupreissteigerungen bei Lüftungskanälen vor. Nun will mein Planer eine Mehrvergütung für die Prüfung dieses Nachtrags. Die Nachtragsprüfung ist aber doch eine Grundleistung der HOAI und damit nicht gesondert zu vergüten, oder?
Frage 5: Eine Planerin: Ich muss bei einem laufenden Bauvorhaben meine erste Rechnungsprüfung machen, bei der vor kurzem eine Stoffpreisgleitklausel vereinbart worden ist. Das ist deutlich aufwändiger als die Rechnungsprüfung bisher, da unterschieden werden muss, ab wann die Klausel gilt, welche Stoffe wann geliefert und verbaut worden sind und inwiefern Selbstbeteiligungen und Bagatellgrenzen zu berücksichtigen sind. Kann ich hierfür eine Mehrvergütung verlangen?
Frage 6: Ein Planer: Ich habe aktuell bei meinen Projekten deutlich höhere Nebenkosten durch stark steigende Kosten für Miete, Treibstoff und EDV. Kann ich bei meinen Planungsverträgen nachträglich diese höheren Nebenkosten umlegen?
Vorab: Die Lieferengpässe und Preissteigerungen wichtiger Baumaterialien als Folge der Corona-Krise, verstärkt durch den Ukraine-Krieg, treffen die Bauwirtschaft hart. So werden für Baustoffe teilweise nur noch tages-oder wochengültige Preise verbindlich genannt.
Unkalkulierbare Risiken bei Verträgen
Die Statistiken zeigen, dass in den vergangenen zwei Jahren beim Straßenbau eine Preissteigerung von rund 20 % mit weiter deutlich steigender Tendenz festzustellen ist. Bei laufenden Verträgen stellt dies eine Entwicklung dar, die kein Unternehmen einkalkulieren konnte. Auch bei neu zu schließenden Verträgen liegen weiterhin unkalkulierbare Risiken vor. Nachträgliche Anpassungen vereinbarter Preise sind in der Regel schwer durchzusetzen. Eine vom Bundesbauministerium anerkannte Lösung ist die Verwendung von Preisgleitklauseln, mit denen nicht kalkulierbare Preissteigerungen durch den Auftraggeber zu tragen sind. Je nach Art der Leistung wird unterschieden zwischen Stoffpreisgleitklauseln und Lohnpreisgleitklauseln. Für Planer ist dies in mehrfacher Hinsicht relevant: Bei der Bauausführung geht es um die Verwendung und Anwendung von Preisgleitklauseln der ausführenden Unternehmen. Darüber hinaus stellt sich auch für eigene Leistungen der Planenden die Frage, inwieweit sich Preissteigerungen und Preisgleitklauseln hier auswirken.
Antwort 1: Die Gestaltung von Verträgen und auch die Verwendung von individuellen Preisgleitklauseln ist dem § 2 RDG1 („Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.") zuzuordnen. Eine solche Tätigkeit darf nur von Personen erbracht werden, die hierzu gesetzlich befugt sind, z. B. von Rechtsanwälten oder Rechtsanwältinnen gem. § 3 BRAO. Bereits die Tatsache, dass die inhaltlich gleiche Klausel als allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) unzulässig, jedoch individualvertraglich zulässig sein kann, verdeutlicht die anspruchsvollen rechtlichen Grundlagen. Die Erstellung einer rechtssicheren und zweckmäßigen Preisgleitklausel ist grundsätzlich so komplex, dass diese den Angehörigen der rechtsberatenden Berufe vorbehalten ist. Sie gehört auch nicht zum üblichen Leistungsumfang eines Planungsvertrags, ist insbesondere nicht Teil der Grundleistungen gemäß § 3 Abs. 1 HOAI („im allgemeinen erforderliche Leistungen“). Ferner ist eine unzulässige Rechtsberatung auch nicht von der Berufshaftpflichtversicherung abgedeckt, sodass der Planer bei Fehlern keinen Versicherungsschutz genießt und der Auftraggeber diesen nicht in Anspruch nehmen kann. Der Planer sollte also seinen Auftraggeber darüber informieren, dass es sich bei der angefragten Beratung um eine Form der Rechtsberatung handelt, welche nicht zu den von ihm geschuldeten Leistungen zählt. Stattdessen ist eine anwaltliche Beratung mit der dafür geltenden Haftpflichtversicherung zu beauftragen.
Antwort 2: Auf Nachfrage erläutert die Auftraggeberin, dass sie einen Vertrag mit dem Ingenieurbüro habe, der alle Grundleistungen der HOAI für ein Ingenieurbauwerk in Bezug nimmt. Zudem sei vereinbart worden, dass das VHB – Vergabehandbuch des Bundes – zur Anwendung komme. Sie selbst habe bereits geprüft, dass entsprechend des Erlasses die Voraussetzungen für die Anwendung beider Formblätter gegeben seien.
Der Bund hat per Erlass vom 25.03.20222 für alle Bundesbaumaßnahmen angeordnet, dass Stoffpreisgleitklauseln bei laufenden und zukünftigen Verträgen vorgesehen werden dürfen. Zur Preisanpassung kann das Formblatt 225 VHB (Stoffpreisgleitklausel) oder 225a VHB (Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert 1) verwendet werden. Bei laufenden Verträgen sieht der Bund zudem den Fall von höherer Gewalt nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) VOB/B oder eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB nach Einzelfallprüfung als gegeben. Entsprechend können Unternehmen eine Preisanpassung fordern. Den sonstigen öffentlichen Auftraggebenden wird die Anwendung der Erlasse durch vergleichbare Erlasse auf Landesebene empfohlen. Preisanpassungsmöglichkeiten sind in der aktuellen Situation sinnvoll, denn es muss ja auch weiter unter vernünftigen und ausgeglichenen Rahmenbedingungen gebaut werden können.
Da im vorliegenden Fall die Grundleistungen lt. Anlage 12.1 zu § 43 Abs. 4 HOAI beauftragt sind, ist insbesondere auch die Grundleistung lit. b) der Leistungsphase 6 mit der Teilleistung „Aufstellen der Vergabeunterlagen“ beauftragt. Danach sind vom Ingenieurbüro grundsätzlich Formblätter des VHB auszufüllen und über das vereinbarte Honorar abgegolten3. Es sind Stoffe und Mengen zu ermitteln, die den Produktgruppen lt. Erlass zugeordnet werden. Dies gehört zum fachlichen Spektrum einer üblichen Planungsleistung. Auch würde sich eine Pflicht zum Ausfüllen gemäß § 650b Abs. 2 S. 2 BGB ergeben, wenn die Auftraggeberin die Leistung anordnete. Demnach kann der Planer beauftragt werden, die Formblätter 225 oder 225a VHB auszufüllen.
Da diese speziellen Formblätter allerdings nur ausnahmsweise auszufüllen sind, handelt es sich nicht mehr um allgemein erforderliche Leistungen im Sinn des § 3 Abs.1 HOAI und damit nicht um Grundleistungen, sondern vielmehr um Besondere Leistungen gemäß § 3 Abs. 2 HOAI. Die Honorare hierfür sind frei vereinbar. Da der Aufwand von vornherein kaum abschätzbar ist, empfiehlt sich eine Abrechnung nach Zeitaufwand.
Antwort 3: Auf Nachfrage bestätigt die Ingenieurin, dass sie einen Vertrag habe, der entsprechend der HOAI das Honorar an die Kostenberechnung koppelt. In diesem Fall ändern die tatsächlichen Kosten auch nicht die Honorarvereinbarung. (Verträge sind einzuhalten.) Die Koppelung an die Kostenberechnung und nicht z. B. an die Kostenfeststellung und damit die Abkoppelung von tatsächlichen konjunkturellen Entwicklungen ist schließlich Sinn und Zweck des Kostenberechnungsmodells der HOAI4. Nur weil die aktuellen Baupreise deutlich höher sind als die ursprüngliche Kostenberechnung, besteht kein Anspruch auf Honoraranpassung.
Antwort 4: Der Auftraggeber hat die Nachtragsprüfung zunächst zutreffend als Grundleistung im Sinn der HOAI bei der Technischen Ausrüstung verortet. So benennt die Teilleistung lit. b) der Leistungsphase 7 der Anlage 15.1 zu § 55 Abs. 3 HOAI die Nachtragsprüfung für zusätzliche oder geänderte Leistungen als Grundleistung5. Bei einem Nachtrag über eine Preisanpassung handelt es sich jedoch nicht um einen Nachtrag aufgrund geänderter oder zusätzlicher Leistungen, sondern vielmehr um einen bauwirtschaftlich begründeten Nachtrag, der gemäß Anlage 10.1 zu § 34 Abs. 4 HOAI eine Besondere Leistung in LPH 7 darstellt und über § 3 Abs. 2 S. 2 HOAI in allen Leistungsbildern, so auch im hier vorliegenden Leistungsbild der Technischen Ausrüstung, eine Besondere Leistung ist.
Bezüglich dieses Nachtrags ist zu unterscheiden: Die Frage, ob – z. B. nach § 313 BGB („Störung der Geschäftsgrundlage“) – die Voraussetzungen für einen Nachtrag vorliegen, ist eine Rechtsfrage, deren Beantwortung der Planer als Rechtsdienstleistung nicht schuldet. Die Frage, ob der Nachtrag der Höhe nach zutreffend ist, ist eine Nachtragsprüfung, welche der Planer als Besondere Leistung erbringt und die ihm entsprechend zu vergüten ist.
Antwort 5: Hier gilt im Ergebnis das bei Antwort 2 Gesagte. Die Rechnungsprüfung unter Berücksichtigung der Preisgleitklauseln stellt keine im Allgemeinen erforderliche Leistung im Sinn des § 3 Abs. 1 HOAI dar und ist damit eine Besondere Leistung. Sie ist nur aufgrund der aktuell außergewöhnlichen Situation erforderlich. Honorare für Besondere Leistungen sind gesondert frei zu vereinbaren. Auch hier ist der Aufwand kaum vorher bestimmbar, sodass sich eine Abrechnung nach Zeitaufwand empfiehlt.
Antwort 6: Grundsätzlich gilt für den Planer dasselbe Recht wie für die ausführenden Unternehmen. Eine Vergütungsanpassung bei Randbedingungen, die bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar und damit auch nicht kalkulierbar waren, ist grundsätzlich möglich. Ein Anspruch auf eine nachträgliche Preisanpassungsklausel ist allerdings für eine Nebenkostenvereinbarung bei einem Planungsvertrag nicht erkennbar, da die vom Planer erbrachte Dienstleistung nicht unmittelbar an die Preisentwicklung gekoppelt ist. Bei den Nebenkosten ist als Anspruchsgrundlage nur § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) erkennbar. Dieser beinhaltet allerdings hohe Hürden, insbesondere das Erreichen einer Zumutbarkeitsgrenze. Die Nebenkosten stellen jedoch nur einen minimalen Anteil der gesamten Vergütung dar, sodass eine Veränderung der tatsächlichen Kosten nur für die Nebenkosten nicht so erheblich sein wird, dass damit die gesamte Vergütungs-vereinbarung als unzumutbar zu bewerten wäre. Ein Mehrvergütungsanspruch ist damit ohne weitere spezifische Besonderheiten nicht erkennbar.
Fazit
Eine Entwicklung von konkreten Preisgleitklauseln in Verträgen oder eine Nachtragsprüfung auf der Grundlage von § 313 BGB stellt eine Rechtsdienstleistung und keine Planungsleistung dar. Planende sind nicht dazu berechtigt, solche Leistungen zu erbringen, da diese für sie selbst wie auch den Auftraggeber haftungsrechtliche Risiken bedeuten. Die Bearbeitung der Vergabeunterlagen und die Prüfung von Rechnungen der ausführenden Unternehmen mit Preisgleitklauseln stellen Besondere Leistungen dar, die entsprechend zu vergüten sind. Sonstige Mehrvergütungsansprüche für die Planenden kommen nur im Einzelfall in Betracht. Sind Meinungsverschiedenheiten am Ende zwischen den Parteien allein nicht lösbar, sollten Schieds- und Schlichtungsstellen der Kammern oder der GHV angerufen werden.
1 Rechtsdienstleistungsgesetz vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840), das zuletzt durch Artikel 32 des Gesetzes vom 10. August
2021 (BGBl. I S. 3436) geändert worden ist.
2 Erlass des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, BWI7-70437/9#4 vom 25. März 2022, „Lieferengpässe
und Preissteigerungen wichtiger Baumaterialien als Folge des Ukraine-Kriegs, klargestellt und verlängert durch Schreiben
vom 22.06.2022.
3 Ausführlich zu Formblättern des VHB gerade in der Leistungsphase 7 und wer diese auszufüllen hat: Kalte/Wiesner im Deutschen
Ingenieurblatt, Ausgabe 10/2011, S. 58.
4 Ausführlich zum Kostenberechnungsmodell seit HOAI 2009: Kalte/Wiesner im Deutschen Ingenieurblatt 06/2010, S. 55.
5 Anders bei Ingenieurbauwerken und Verkehrsanlagen; da ist die Nachtragsprüfung durchgängig eine Besondere Leistung, siehe 2. Spiegelstrich der Leistungsphase 8 in Anlage 12 zu § 43 Abs. 4 HOAI oder Anlage 13 zu § 47 Abs. 2 HOAI.