Auf den ersten Blick bringt man die Spezialitätenchemie nicht unbedingt mit Themen wie Nachhaltigkeit, Wiederverwendbarkeit und kreislaufgerechtem Bauen in Verbindung. Das aber zu Unrecht, wie Daniela Schmiedle, Geschäftsführerin der Sika Deutschland GmbH, uns im Interview erläutert.
Neben dem Verzicht auf schädliche und gefährliche Inhaltsstoffe spielt nach ihren Aussagen auch die Entwicklung langlebiger Produkte eine wichtige Rolle, dieses ohne Abstriche bei der Leistungsfähigkeit. Auch eine Wiederverwendbarkeit von Produkten ist möglich.
Welche Möglichkeiten gibt es, im Baubereich notwendige chemische Zusatzstoffe möglichst umweltfreundlich einzusetzen?
Der Bausektor ist für 40Prozent der globalen CO2-Emissionen sowie 35 Prozent des globalen Materialverbrauchs verantwortlich, daher einer der Schlüsselsektoren, der Nachhaltigkeit und Recyclingfähigkeit bewerkstelligen muss. Sika hat sich unter dem Motto "More Performance, More Sustainable" das Ziel gesetzt, neu entwickelte Produkte leistungsfähiger und nachhaltiger zu machen. Hier ist ein Umdenken nötig, da Kreislauffähigkeit (Cradle-to-cradle) schon zu Beginn des Entwicklungsprozesses mitgedacht werden muss. Dabei möchte ich ausdrücklich betonen, dass nachhaltigere Produkte keinen Kompromiss hinsichtlich ihrer technischen Leistungsfähigkeit bedeuten.
Bei welchen Produkten aus Ihrem Bereich spielen diese Überlegungen eine Rolle? Wie wird das sichtbar?
Auf Produktseite haben wir als erster Hersteller mit Sarnafil AT eine Kunststoffabdichtungsbahn, die im Sinne der Kreislaufwirtschaft mit der Produktzertifizierung Cradle-to-Cradle in Silber ausgezeichnet wurde und eine hohe CO2-Ersparnis im Vergleich zu zweilagigen Bitumenabdichtungen bietet.
Unser neues Epoxy Composite Harz für Infusionsprozesse hat einen hohen Anteil an nachwachsenden Rohstoffen und ist nach ISO 16620 "Biobased Carbon Content" zertifiziert.
Die Bodenbeschichtung Sikafloor-3000 FX kombiniert Purform-Technologie mit „curing by design“. Da durch die spezielle Aushärtungs-Charakteristik der Beschichtungsaufbau an einem Tag vollständig aufgebracht werden kann, entfällt mehrfaches Anreisen zur Baustelle. Dadurch helfen wir unseren Kunden, ihre CO2-Emissionen zu verringern bei gleichzeitiger Steigerung der Produktivität.
Lassen sich bestimmte Produkte oder Materialien auch weiterverwenden?
Auch eine Wiederverwendbarkeit von Produkten ist möglich, dies wird jedoch noch relativ selten umgesetzt, unter anderem bei Abdichtungsbahnen. Bei einer Recycling-Aufstockung von zwei Wohnhäusern konnte beispielsweise eine 20 Jahre alte Sarnafil-Kunststoffabdichtungsbahn problemlos wiederverwendet werden und half dabei, fast eine Tonne CO2 einzusparen.
Was lässt sich in Einsatzbereichen verändern, in denen bestimmte Stoffe, Materialien und Zusammensetzungen einfach alternativlos sind?
Der Ansatz "More Performance, More Sustainable" ist allgemeingültig und erstreckt sich somit über alle Kerntechnologien der Sika. Beispielhaft erwähnen möchte ich hier die Reduzierung von Zement in Mörteln oder Estrichen. Nicht immer gelingt dies vollständig, dennoch senken wir den CO2-Fußabdruck in solchen Systemen so weit wie möglich. Darüber hinaus sind eine Steigerung der Materialeffizienz und eine Erhöhung der Dauerhaftigkeit wichtige Aspekte von Nachhaltigkeit, an denen wir konzentriert arbeiten.
Sicher tut sich hier auch einiges in Sachen Ressourceneinsparung?
Ressourceneinsparung und Recycling spielen eine große Rolle. Wir arbeiten auch an der Verwendung von biobasierten Rohstoffen oder Rohstoffen aus Recyclingprozessen und sind in engem Austausch mit Rohstoffherstellern, die in dieser Richtung unterstützen können. Maßgeschneiderte Produkte für automatisierte Verfahren wie zum Beispiel den 3D-Druck werden die Materialeffizienz signifikant verbessern.
Bei vielen Herstellern spielt das Thema ökologische Transparenz eine wachsende Rolle – beispielsweise können Planer über digitale Verknüpfungen den CO2-Footprint jedes Produktes sehen und danach auswählen. Gibt es in Ihrem Bereich solche Ansätze?
Wir sind in enger Kooperation mit unserem Corporate Sustainability Team und arbeiten intensiv daran, unseren CO2-Fußabdruck detailliert zu beschreiben. Das gelingt uns auch schon weitgehend. Eine Kommunikation des CO2-Fußabdrucks auf Produktebene erfordert eine sehr hohe Datenqualität, auch daran arbeiten wir sehr konzentriert.
Als Bauproduktehersteller engagiert sich Sika seit Langem für nachhaltiges Bauen. Schon während der Produktentwicklung betrachten wir den gesamten Lebenszyklus: Mittels Ökobilanzierung können wir abschätzen, welche Nachhaltigkeitsbeiträge während der Nutzungsdauer des Produktes zu erwarten sind. Diese Daten fließen unter anderem in unsere Umweltproduktdeklarationen ein. Zudem verfügen ausgewählte Produkte über ein produktspezifisches Nachhaltigkeitsdatenblatt. Es enthält auf wenigen Seiten alle wichtigen Informationen zum nachhaltigen Bauen und informiert zu verschiedenen Gebäudezertifizierungssystemen wie DGNB, BNB oder LEED.
Können Zertifizierungen den Planern hier den richtigen Weg weisen?
Nachhaltiges Bauen hat sich in den letzten Jahren immer mehr zum Standard entwickelt. Nahezu jedes Land verfügt inzwischen über ein eigenes Gebäudezertifizierungssystem. Alle Systeme verfolgen das gemeinsame Ziel, mehr Nachhaltigkeit im Bauwesen zu schaffen. Dennoch unterscheiden sich ihr Aufbau und ihre Inhalte teilweise enorm. In Deutschland am weitesten verbreitet sind besagte Systeme DGNB, BNB und LEED. Neben den Gebäudezertifizierungssystemen können Crade-to-Cradle Zertifizierungen oder Prüfungen wie EMICODE oder AgBB (Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten) sowie ein Blauer Engel für Planer hilfreich sein, da diese emissionsarme Produkte kennzeichnen.
Ein nachhaltiges Unternehmen
Sika hat sich zu Net Zero verpflichtet. Der Reduktionspfad sieht eine Verringerung des CO2-Fußabdrucks der Sika-Gruppe um 25Prozent bis zum Jahr 2032 und um 90 Prozent bis 2050 im Vergleich zum Basisjahr 2022 vor. Ein sehr klares und ambitioniertes Ziel. "Aber wir stellen uns unserer Verantwortung und nehmen das sehr ernst", betont Geschäftsführerin Daniela Schmiedle. Dafür unternimmt das Unternehmen auch eine Vielzahl an internen Aktivitäten. Beispielsweise nutzt Sika seit Jahren ausschließlich regenerativ erzeugte elektrische Energie und an jedem Standort kümmern sich Teams permanent um Energieeffizienz. In Bad Urach hat Sika beispielsweise ein Wasserkraftwerk. Da Sika das Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich betrachtet, optimiert das Unternehmen unter anderem auch seine Verpackungsmaterialien, beispielsweise durch Verwendung von Post Consumer Recycling (PCR)-Gebinden oder Bluemint Hobbocks. Letztere haben einen um 62Prozent geringeren CO2-Fußabdruck im Vergleich zu konventionellen Weißblechgebinden.