95 Prozent unserer Gebäude sind bereits gebaut, sie müssen schnell, effizient und CO₂-neutral saniert werden. Derzeit liegt die Sanierungsquote jedoch lediglich bei etwa einem Prozent. Anders gesagt: Geht es in diesem Tempo weiter, würde es etwa hundert Jahre dauern, den gesamten Gebäudebestand zu sanieren.
Sanierungsdauer um etwa zehn Prozent senken
Im Leitprojekt „BAU-DNS“ haben sich daher sieben Fraunhofer-Institute unter der Leitung des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP zusammengeschlossen, um dies zu ändern. „Unser Ziel liegt darin, die Produktivität im Bereich der Gebäudesanierung zu steigern, die Kosten zu halten, die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben und eine CO₂-Neutralität von Materialien und Systemen auf den Weg zu bringen“, sagt Dr. Simon Schmidt, Abteilungsleiter Hygrothermik am Fraunhofer IBP.
Die Sanierung könnte dann um etwa zehn bis fünfzehn Prozent schneller vonstattengehen, die graue Energie der Materialströme durch biobasierte Materialien und andere Ansätze auf die Hälfte reduziert werden. Dabei geht es im Leitprojekt nicht primär darum, Produkte zu entwickeln. Vielmehr liegt der Fokus auf elementaren Vorarbeiten. „Industriekunden können in Anschlussprojekten mit uns sofort konkrete Lösungen entwickeln – ohne langwierige Untersuchungen der Vorlaufkette. Der Mehrwert des Leitprojekts kommt also direkt bei den Unternehmen an“, sagt Schmidt.
Serielle Sanierung: Beispiel Fassadenbauteile
Die Forschenden verfolgen dabei drei Stränge: Daten sollen durchgängig genutzt, Prozesse nachhaltig ausgelegt und Bauteile systematisch gefertigt werden. Am Beispiel von Fassadenbauteilen bildet das Team den gesamten Sanierungsprozess beispielhaft ab, angefangen bei Aufnahmen und Scans des zu sanierenden Gebäudes über die Digitalisierung der Daten und Fragen der Bauphysik wie Energieeffizienz und Dauerhaftigkeit bis hin zur Fertigung der Bauteile und zur Logistik. Die entwickelten Prozesse sollen sich später auf andere Fragestellungen übertragen lassen. Ein Entwicklungsbeispiel ist ein Gebäudescanner, mit dem das Gebäude in Echtzeit vermessen werden kann. Langfristig sollen die Gebäude hierdurch auch energetisch bewertet und „Schwachstellen“ angezeigt werden können.
Was die Produktion und die Montage angeht, so setzen die Forschenden auf die serielle Fertigung: Die Fassadenelemente werden in der Produktion vorgefertigt und müssen an der Baustelle lediglich montiert werden – auf diese Weise können Bauunternehmen dem Fachkräftemangel besser begegnen. Beim Entwurf der Fassadenelemente stehen Fragen nach der optimalen Größe der Elemente sowie Anforderungen von Robotern und anderen Hilfsmitteln im Vordergrund, die auf der Baustelle hilfreich sein könnten. Was die Materialien angeht, setzen die Forschenden auf regionale Produkte und rezyklierbare Materialien. „Wir denken den Bauprozess aus der Sicht von Rückbau und Recycling und gehen Komponentenentwicklung, Fabrikauslegung, Gebäudeplanung und weitere Projektschritte daher vom Ende her an“, beschreibt Schmidt. Auch beschäftigt sich das Team mit Fragestellungen wie der „Cloud-Produktion“: Lassen sich die Module durch kleinere Handwerksbetriebe, die in der Gegend ansässig sind, produzieren? „Die kleinen und mittelständischen Unternehmen ins Boot zu holen, ist uns sehr wichtig“, betont Schmidt.
Erste Module sind bereits entwickelt
Der Scan eines Bürogebäudes auf dem Gelände des Fraunhofer IBP in Holzkirchen ist bereits abgeschlossen, zudem sind die Informationen bereits in ein digitales Modell überführt. Auch erste Module hat das Team bereits entwickelt – im Juni 2024 sollen diese am Versuchsgebäude angebracht werden. Ende 2024 soll darüber hinaus eine Produktionsstraße aufgebaut sein, an der die Produktionsprozesse beispielhaft dargestellt werden können.