E-Vergaben sind nach dem 18.10.2018 bei europaweiter Vergabe obligatorisch und bestimmen zunehmend die Zusammenarbeit zwischen Auftraggebern und Planern in den Leistungsphasen 6 (Vorbereitung der Vergabe) und 7 (Mitwirken bei der Vergabe) der HOAI. Je nach Leistungsaufteilung ist das Honorar nach § 8 Abs. 2 HOAI anteilig zu bewerten. Auch Planer kommen an der E-Vergabe nicht vorbei und ein Mehrvergütungsanspruch ist zumindest nach dem genannten Datum nicht mehr gegeben.
Anfrage 1: Ein Auftraggeber will wissen, ob er auch nur Teilleistungen der Leistungphasen 6 und 7 beauftragen und das Honorar entsprechend kürzen könne, wenn er Vergaben jetzt von seiner zentralen Vergabestelle mit einem E-Vergabesystem durchführe.
Anfrage 2: Ein Planer will wissen, ob er dem Auftraggeber ein zusätzliches Honorar in Rechnung stellen könne, wenn er für den Auftraggeber die E-Vergabe bei europaweiter Vergabe manage. Hierbei handele es sich doch sicherlich um eine Besondere Leistung.
Vorab: Für fast alle1 EU-weiten Vergaben gilt2, dass der öffentliche Auftraggeber nur noch bis zum 18.10.2018 schriftliche Angebote verlangen kann. Danach muss (!) der Auftraggeber auch elektronische Angebote akzeptieren.
Etwas anders ist dies bei unterschwelligen, nationalen Bauvergaben der VOB/A: Bis zum 18.10.2018 sind schriftlich eingereichte Angebote zuzulassen.3 Danach kann (!) der Auftraggeber schriftliche Angebote zulassen, muss es aber nicht4.
Viele Auftraggeber verwenden bereits heute E-Vergabeplattformen und immer mehr Planer bieten diese ihren Auftraggebern an. Bei Vergaben ist allerdings zu unterscheiden zwischen delegierbaren und nichtdelegierbaren Auftraggeberleistungen. Delegierbare Leistungen sind solche, welche in der Praxis meist von Planern entsprechend den Grundleistungen der Leistungsphasen 6 und 7 der HOAI durchgeführt werden. Nichtdelegierbare Leistungen sind Aufgaben, welche nur der Auftraggeber leisten kann, weil nur er die Angebotsöffnung durchführen, einen Ermessensspielraum ausüben, Entscheidungen treffen5 oder rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben kann6.
Zur Anfrage 1:
Auf Nachfrage erläutert der Auftraggeber, sein Planer meine, dass er alle Grundleistungen der Leistungsphasen 6 und 7 der HOAI beauftragt und vergütet erhalten müsse. Der Auftraggeber aber wolle konkret folgende Teilleistungen lt. Anlage 10 zu § 24 Abs. 4 HOAI bei einem Gebäude mit eigenen Mitarbeitern und seiner E-Vergabeplattform selbst erbringen:
- Leistungsphase 6:
lit. a) Aufstellen eines Vergabeterminplans
lit. f) Zusammenstellen der Vergabeunterlagen für alle Leistunsbereiche - Leistungsphase 7:
lit. a) Koordinieren der Vergaben der Fachplaner
lit. b) Einholen von Angeboten
lit. c) Prüfen und Werten der Angebote einschließlich Aufstellen eines Preisspiegels
lit. e) teilweise und zwar: Dokumentation des Vergabeverfahrens
lit. f) Zusammenstellen der Vergabeunterlagen für alle Leistungsbereiche
Antwort GHV:
Der Auftraggeber bestimmt, was er beschaffen will7, nicht der Planer. Der Planer muss ihn zwar zu erforderlichen Leistungen beraten (§ 650p Abs. 1 BGB), aber der Auftraggeber ist der Herr des Geschehens. Und auch die HOAI schreibt nicht vor, was ein Auftraggeber beauftragen muss, sondern was er schlussendlich zu bezahlen hat. Daher regelt § 8 Abs. 2 HOAI die Vergütung für genau solche Fälle, bei denen ein Auftraggeber nicht alle Grundleistungen beauftragt. Hier ist normiert, woraus sich das Honorar ergibt, wenn nur einzelne Grundleistungen einer Leistungsphase oder auch nur Teile von Grundleistungen übertragen werden. Dann gilt: „…, so darf für die übertragenen Grundleistungen nur ein Honorar berechnet und vereinbart werden, das dem Anteil der übertragenen Grundleistungen an der gesamten Leistungsphase entspricht.“ Demnach ist nur ein der Grundleistung im Verhältnis zur gesamten Leistungsphase oder Teilleistung entsprechender Anteil des Honorars zu vereinbaren und abzurechnen. Dabei regelt die HOAI selbst zwar nur die Vergütung für ganze Leistungsphasen (für Gebäude in § 34 Abs. 1 HOAI), die Rechtsprechung erkennt aber Teilleistungsbewertungstabellen grundsätzlich an8 und jeder aktuelle HOAI-Kommentar hält eine solche Tabelle vor. Diese Tabellen liefern meist ähnliche Werte, sie sind alle recht gut geeignet. Für die Antwort soll auf die Tabelle im Kommentar von Fuchs/Berger/Seifert9 zurückgegriffen werden, weil diese eine passende Aufteilung und feste Werte liefert und so einfach in der Handhabung ist. In der Tabelle können die nicht beauftragten Teilleistungen statt mit dem von FBS ausgewiesenen Prozentsatz mit 0 % bewertet werden. So ergibt sich für den vorliegenden Fall eine Bewertung von 9,25 % für die beauftragten Leistungen der Leistungsphase 6 und 2,00 % für die beauftragten Leistungen der Leistungsphase 7. Mithilfe der Tabellen können auch alle anderen Zuordnungen zwischen Auftraggeber und Planer vereinbart werden.
Zur Anfrage 2:
Der Planer bestätigt auf Nachfrage, dass er mit allen Grundleistungen der Leistungsphasen 6 und 7 im Leistungsbild Ingenieurbauwerke nach Anlage 12 zu § 43 Abs. 4 HOAI beauftragt sei und in seinem Vertrag stehe, dass alle aktuellen Regelungen bei der Vergabe von Bauleistungen zu beachten seien.
Antwort GHV:
Lt. Vertrag ist der Planer auch mit folgenden zwei Grundleistungen der Leistungsphase 7 beauftragt:
- lit. a) Einholen von Angeboten
- lit. e) (…) Dokumentation des Vergabeverfahrens
Die vertraglich vereinbarte Beachtung des Vergaberechts bedeutet, dass der Planer diese vereinbarten Leistungen unter Beachtung der o. g. Vergaberegeln zu erbringen hat. Das bedeutet, dass der Planer spätestens nach dem 18.10.2018 keine andere Wahl hat, als eingehende elektronische Angebote zu akzeptieren. Bis zu diesem Datum könnte der Planer ohne weitere konkretisierende Vereinbarung im Vertrag noch darauf bestehen, dass er das „Einholen von Angeboten“ in Papierform vornehme; denn der Auftraggeber ist davor nicht gezwungen, digitale Angebote anzunehmen. Bis zu diesem Tag könnte man auch vertreten, dass die Forderung nach E-Vergabe durch den Auftraggeber einen Mehrvergütungsanspruch beim Planer als Besondere Leistung auslöst, weil es sich noch nicht um eine im allgemeinen erforderliche Leistung im Sinne von § 3 Abs. 2 HOAI oder um eine allgemein übliche Beschaffenheit nach § 633 Abs. 2 BGB handelt. Nach dem 18.10.2018 gibt es bei einem solchen Vertrag jedoch keine Grundlage mehr für einen Mehrvergütungsanspruch. Dann ist die E-Vergabe im Allgemeinen erforderlich. Deshalb sollten auch Planer bis dahin über ein eigenes System für die E-Vergabe verfügen, wenn sie weiterhin alle Grundleistungen der Leistungsphasen 6 und 7 der HOAI erbringen wollen.
Fazit
Die Welt wird zunehmend digital. Das gilt nach dem 18.10.2018 auch für die europaweite Vergabe als „Muss“, abhängig von den Bietern, und für nationale Vergaben von Bauleistungen als „Kann“, abhängig vom Auftraggeber. Auftraggeber und Planer sind gehalten, sich spätestens jetzt entsprechende Systeme zuzulegen, sonst können sie nach diesem Datum keine Angebote mehr bearbeiten. Dabei bleiben nicht delegierbare Aufgaben zwar beim Auftraggeber, delegierbare Aufgaben können, müssen aber nicht vom Planer erbracht werden. Bei einer vertraglichen Leistungsaufteilung greift § 8 Abs. 2 HOAI und Teilleistungsbewertungstabellen helfen, eine entsprechende Vergütung zu vereinbaren.
Gütestelle Honorar- und Vergaberecht (GHV) gemeinnütziger e. V.
Friedrichsplatz
668165 Mannheim
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Fax: 0621 – 860 861 20
1 Anders, Verteidigung und Sicherheit gem. VSVgV
2 § 81 S. 1 der Vergabeverordnung vom 12. April 2016 (BGBl. I S. 624), die durch Artikel 8 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2745) geändert worden ist; § 64 Sa. 1 der Sektorenverordnung vom 12. April 2016 (BGBl. I S. 624, 657), die durch Artikel 9 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2745) geändert worden ist
3 § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A, Fassung 2016, Bekanntmachung vom 1. Juli 2016 (BAnz AT 01.07.2016 B4)
4 Vgl. Einführungserlass des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 09.09.2016 zu § 13 VOB/A
5VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20.08.2007 - VK 2 LVwA LSA-15/07
6 ausführlich Kalte/Wiesner im DIB 10/2011, S. 58 und ohne unübliche besonderer Kompetenzübertragung durch den Auftraggeber an einen Dritten
7 OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.07.2014 - 15 Verg 4/14
8 BGH, Urteil vom 16.12.2004 - VII ZR 174/03
9 Fuchs/Berger/Seifert, Beck’scher HOAI- und Architektenrechtskommentar, 2016, Anhang C, Rdn. 29, FBS genannt