So gewichtig dieser Teil der Architektenleistung, insbesondere auch vor dem Hintergrund einer möglichen Schlechtleistung und damit drohender Inanspruchnahme des Architekten, allerdings auch sein mag, lässt sich die Frage nach dem konkreten Umfang der Bauaufsichtspflicht und damit letztlich auch die Frage, ob dieser Teil der geschuldeten Objektüberwachung ordnungsgemäß erfüllt wurde, weder Foto: Ken Schluchtmann, diephotodesigner.de sachlich noch zeitlich generell beantworten. Vielmehr ist die Frage nach der Häufigkeit der örtlichen Anwesenheit und dem tatsächlich erforderlichen Umfang der Kontrollen immer eine solche des Einzelfalls. Sie ist demnach stets für den jeweiligen Fall und unter Zugrundelegung der individuellen Umstände (Umfang der Maßnahme, Art und Weise der Ausführung, Relevanz für den Gesamterfolg) zu beantworten.1)
Die Ausführungsüberwachung als Bestandteil der geschuldeten Objektüberwachung beinhaltet insbesondere die Kontrolle, ob die Errichtung des Bauwerks in Übereinstimmung mit öffentlich-rechtlichen Genehmigungen oder Zustimmungen (bspw. der Baugenehmigung), der Ausführungsplanung und der Leistungsbeschreibung unter Berücksichtigung der anerkannten Regeln der Technik herbeigeführt wird.2) In der Folge werden von dem bauüberwachenden Architekten in diesem Bereich inzwischen umfassende Kenntnisse in technischer, wirtschaftlicher und sogar rechtlicher Hinsicht verlangt. Grundsätzlich hat dieser die Ausführungsüberwachung stets in angemessener und zumutbarer Weise zu erbringen.3) Zwar ist damit eine tägliche Anwesenheit auf der Baustelle in der Regel nicht erforderlich, je nach Größe der Baumaßnahme kann dies jedoch bedeuten, dass – wenn auch nur zeitweise – mehrere Objektüberwacher erforderlich sein können, um eine angemessene Ausführungsüberwachung sicherzustellen.4)
Handwerkliche Selbstverständlichkeiten
Die Intensität der Ausführungsüberwachung bemisst sich darüber hinaus nicht nur nach dem Umfang der Baumaßnahme, sondern hängt maßgeblich auch von der Art und Weise der auszuführenden Arbeit ab. Vor allem „handwerkliche Selbstverständlichkeiten“ sind regelmäßig nur stichprobenartig vom Architekten zu überwachen. Wenn und soweit sich der Architekt von der Zuverlässigkeit und Qualität des ausführenden Unternehmens vergewissert hat, darf er sich in der Regel auch auf eine entsprechende Zuverlässigkeit der Ausführung solcher Arbeiten verlassen.5) Als handwerkliche Selbstverständlichkeiten wurden in jüngster Vergangenheit unter anderem die folgenden Arbeiten qualifiziert:
- Verlegung von KG-Rohren6)
- Maler- und Putzarbeiten7)
- Verlegung von Parkett8)
- Imprägnierungsarbeiten9)
- Estricharbeiten10)
Bei all diesen Arbeiten wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass es sich um einfache und gängige Arbeiten handelt, die von einem durchschnittlich sachkundigen Handwerker in Gänze beherrscht werden. In einem solchen Fall muss der Architekt in der Regel nicht ständig zugegen sein. Eine Beschränkung auf das Notwendigste und stichprobenartige Kontrollen werden hier als ausreichend erachtet. In einigen Fällen können allerdings auch häufigere bzw. anlassbezogene Überprüfungen erforderlich werden, beispielsweise dann, wenn es sich für den Architekten erkennbar um einen unzuverlässigen oder wenig sachkundigen Bauunternehmer handelt. In jedem Fall hat der bauüberwachende Architekt jedoch die mangelfreie Bauausführung zu überprüfen und etwaige vorhandene Mängel zu rügen.11) Aus diesem Grund bedarf es auch bei solch handwerklichen Selbstverständlichkeiten, namentlich einfachen und gängigen Arbeiten, jedenfalls immer dann einer angemessenen und entsprechend intensiveren Überwachung, wenn diese Leistungen durch den weiteren Baufortschritt verdeckt werden und eine spätere Kontrolle somit nicht mehr durch bloßen Augenschein möglich ist.
Besondere Überwachung bei besonders gefahrgeneigten Arbeiten
Den handwerklichen Selbstverständlichkeiten stehen vor allem die Ausführungen an besonders schadensträchtigen Bauteilen oder Materialien, schwierigen oder gefahrenträchtigen Arbeiten, typischen Gefahrenquellen und/oder kritischen Bauabschnitten gegenüber. Solche Arbeiten müssen seitens des bauüberwachenden Architekten in besonderer, gesteigerter Art und Weise kontrolliert und überprüft werden. Konkret wird hier eine „entsprechend erhöhte Aufmerksamkeit“ verlangt. Wörtlich führt der Bundesgerichtshof hierzu aus:
„Bei wichtigen oder bei kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein hohes Mängelrisiko aufweisen, ist er zu erhöhter Aufmerksamkeit und zu einer intensiveren Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet.“12)
Als solch schwierige und besonders gefahrenträchtige Leistungen wurden in jüngster Vergangenheit unter anderem die folgenden Arbeiten qualifiziert:
- Dachabdichtungsarbeiten13)
- Errichtung einer nicht durchlüfteten Dachkonstruktion14)
- Ausführung von Abwasserleitungen15)
- Schichtaufbau eines Fußbodens16)
- Betonierungs-, Bewehrungs- und Ausschachtungsarbeiten17)
Neben solch einzelnen Bauwerken wird eine besonders intensive Überwachung auch generell unter anderem bei Umbau-, Modernisierungs- und Sanierungsarbeiten von Altbauten gefordert.18) Begründet wird dies damit, dass sich bei Altbauten Probleme häufig erst während der Bauphase zeigen und eine mangelfreie Ausführung nur mittels einer entsprechend intensiveren Überwachung sichergestellt werden kann. Auch bei Abdichtungs- und Ableitungsarbeiten jeglicher Art wird generell eine erhöhte Aufmerksamkeit des bauüberwachenden Architekten verlangt, da diese als besonders gefahrenträchtig einzuordnen sind. Darüber hinaus werden sie oftmals im Zuge des weiteren Baufortschritts verdeckt, sodass eine spätere Kontrolle durch eine Inaugenscheinnahme nicht mehr möglich ist.
Das Erfordernis einer erhöhten Aufmerksamkeit kann zudem auch auf solche Leistungen überschlagen, die eigentlich als handwerkliche Selbstverständlichkeiten zu qualifizieren sind und nur mit (vermeintlich) geringerem Aufwand kontrolliert werden müssen (s. o.). Eine entsprechend intensivere Objektüberwachung ist dann auch hier erforderlich, wenn diese Leistungen lediglich einen Teil einer besonders gefahrgeneigten oder schadensträchtigen Arbeit darstellen. Beispielhaft führte jüngst das Oberlandesgericht München hierzu aus: „zwar stellt das Ausführen von Schweißnähten grundsätzlich eine handwerkliche Selbstverständlichkeit dar. Handelt es sich allerdings dabei um einen Teil der vorzunehmenden Abdichtungsarbeiten, die auch für den Erfolg des Gesamtwerks mitentscheidend sind, so hat der Architekt auch die Verschweißung der Bahnen hinreichend zu kontrollieren.“19) Damit wird nochmals deutlich, dass der Grad der erforderlichen Ausführungsüberwachung weniger von der Bedeutung des eigentlichen Bauwerks abhängt, sondern vielmehr von der Frage, welche Bedeutung eine ordnungsgemäße Kontrolle und Aufsicht des Architekten für das mangelfreie Entstehen des Gewerks hat. Aus diesem Grund können gefahrenträchtige und risikoreiche Arbeiten keine handwerklichen Selbstverständlichkeiten sein, selbst wenn davon ausgegangen werden kann, dass sie im Allgemeinen vom ausführenden Unternehmen beherrscht werden.20)
FAZIT
Die vorangegangenen Ausführungen machen deutlich, dass sich die Überwachungspflichten eines Architekten nicht pauschalisieren lassen, sondern stets vom jeweiligen Einzelfall abhängen. Die Intensität und Häufigkeit der erforderlichen Kontrollen und Überprüfungen hängen maßgeblich von der Schwierigkeit und dem Gefahrenpotenzial der Leistung sowie der Zuverlässigkeit und Fachkunde des ausführenden Unternehmens ab. Aus Praxissicht kann daher nur empfohlen werden, auch bei scheinbar einfachen und gängigen Arbeiten nur bedingt von solch „handwerklichen Selbstverständlichkeiten“ und einem entsprechend geringen Überwachungsaufwand auszugehen. Der erforderliche Aufwand sollte jedenfalls stets (1) an der Bedeutung des Werkes für den Gesamterfolg sowie (2) der Bedeutung einer ordnungsgemäßen Aufsicht des Architekten für das mangelfreie Entstehen des Gewerkes bemessen werden. Als Faustformel hierfür gilt: Je höher das Mängelrisiko, die Qualitätsanforderungen oder die Relevanz der einzelnen Leistung für das Gelingen des Gesamtwerkes, desto größer ist auch das Maß der zu erbringenden Überwachung. Gänzlich kontrollfreie Leistungen gab und wird es wohl auch in Zukunft nicht geben. Aus diesem Grund sollte der tatsächlich erforderliche Überwachungsaufwand stets umfassend und sorgfältig ermittelt und bemessen werden. Andernfalls läuft der bauüberwachende Architekt schnell Gefahr, sich bei entsprechenden Fehlleistungen gegenüber dem Auftragnehmer gewährleistungspflichtig zu machen.
Quellen
1) BGH, Urteil vom 10.03.1977 – VII ZR 278/75; OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.04.2016 – 21 U 102/05
2) Werner/Frechen in: Werner/Pastor, Rn. 1974
3) BGH, Urteil vom 06.07.2000 – VII ZR 82/98
4) Beck HOAI/Seifert/Fuchs, 2. Aufl. 2020, HOAI § 34 Rn. 288
5) OLG Dresden, Urt. v. 25.01.2018 – 10 U 780/17
6) OLG Hamm, Beschluss vom 16.03.2021
7) OLG Köln, Urteil vom 08.09.2017 – 19 U 133/16; OLG Frankfurt, Urteil vom 27.11.2013 – 23 U 203/12; BGH, Beschluss vom 05.02.2015 – VII ZR 332/13
8) OLG Dresden, a.a.O.
9) OLG Celle, Urteil vom 13.07.2017 – 5 U 1/17
10) OLG Schleswig, Urteil vom 16.11.2018 – 1 U 68/12
11) Beck HOAI/Seifert/Fuchs, 2. Aufl. 2020, HOAI § 34 Rn. 288
12) BGH, Urteil vom 06.07.2000 – VII ZR 82/98
13) OLG München, Beschluss vom 26.05.2020 – 28 U 6762/19
14) LG Würzburg, Urteil vom 04.05.2018 – 64 O 2504/14
15) OLG Brandenburg, Urteil vom 23.01.2019 – 4 U 59/15
16) OLG Dresden, Urteil vom 04.07.2019 – 10 U 1402/17
17) OLG Saarbrücken, Urteil vom 16.01.2019 – 1 U 395/12
18) OLG Celle, Urteil vom 28.03.2007 – 7 U 188/06
19) OLG München, Urteil vom 20.01.2021 – 20 U 2534/20
20) Motzke/Bauer/Seewald, Prozesse in Bausachen, Rn. 217